Die Quäkerspeise wurde im westlichen Deutschland von Quäkern als Schulspeisung für Kinder spendiert.
Jedes Kind musste eben einen kleinen Topf mit Henkel in die Schule mitbringen, der dann mit einer warmen Mahlzeit gefüllt wurde. Die Mahlzeit gab’s in Form eines Suppeneintopfs, Hafer- oder Grießbrei und bei besonderen Anlässen gab es zusätzlich noch einen Schokoladenriegel. Ich war jetzt erst einmal ganz stolz auf mich, dass für mich das Lernen begann.
Im Laufe der Zeit war aber die Begeisterung nicht mehr so groß. Zum Einen lag das an den Mitschülern. Die hänselten mich immer wegen meines Vornamens »Dolf« und riefen stattdessen »dooof«. Manchmal wurde ich dann nach dem Schulunterricht auch noch verhauen und kam mit Tränen in den Augen nach Hause.
Als das eines Tages wieder so war, drohten mir Opa und Richard zusätzliche Schläge an, wenn ich mir das wieder gefallen ließe. Ich sei doch schon groß und stark genug um mich zu wehren. Ja, da musste ich drüber nachdenken.
Am 07. 08. 1950 kam mein Stiefbruder Reinhard in Düsseldorf auf die Welt.
Als Mutti dann nach der Niederkunft wieder zu meinen Großeltern nach Hause kam, war ich ganz verstört, dass da noch jemand mitkam. »Bleibt der jetzt immer hier?«, soll ich meine Großeltern gefragt haben.
Die Familie hatte mir dann erklärt, dass er mein Bruder sei und ich den lieb haben sollte. Na ja?! Grummel, Grummel!
Am 07. 10. 1950 hatte ich mal wieder Geburtstag. Von all dem, was ich mir gewünscht hatte, war nichts bei den Geschenken dabei. Stattdessen lag da eine alte Geige im Kasten, ein Familien-Erbstück. »Was soll ich denn damit?« habe ich in die Runde gefragt. Meine Oma hat dann gesagt, dass ich jetzt Geigen-Unterricht bekäme und der Lehrer würde sogar zu uns ins Haus kommen. Und das sei doch wohl schön! Oder?
Da mein Ömchen für mich ja mein Schatz war, habe ich auch nicht mehr widersprochen.
Aber, was in den nächsten Jahren da so alles auf mich zu kam, war schon hart. Das kann auch nur einer wirklich nachvollziehen, der selbst Geige spielt.
Auf den meisten Instrumenten sind verschiedene Töne einfach fertig und hören sich gut an. Nicht aber auf einer Geige. Da quietscht’s schon, wenn man eine Saite nur anguckt oder bzw. berührt oder streicht.
Dann kam der Tag, an dem mein Geigenlehrer »Herr Arnold« aufkreuzte. Er war mit seiner »Maschine«, wie er immer sagte, gekommen. Diese Maschine war ein Fahrrad mit Hilfsmotor. Jedes Mal hat er mir dann Geschichten erzählt, die ihm mit dieser Maschine wieder passiert waren. Zum Beispiel, dass er wieder eine »BMW« (Motorrad mit zwei Zylindern) überholt hatte oder dass man ihm seine Maschine klauen wollte, die aber zu schwer gewesen war etc, und so weiter.
Dann begann der Unterricht. Erst wurde die Geige erklärt: Aufbau des Geigenkörpers, der Steg, die vier Saiten, das Stimmen und so weiter.
Dann kam die Praxis: Wie hält man die Geige und wie den Bogen?
Dann musste ich die leeren Saiten streiche(l)n. An der Stelle war meine Lust schon gänzlich vorbei.
Das musste ich jetzt immer üben? Es begann eine schwere Zeit für mich!
Jetzt aber wieder zu unserer Familie.
Das Zusammenleben aller fünf Familienmitglieder im Haus meiner Großeltern wurde immer schwieriger. Deshalb besorgten sich Hilde und Richard eine eigene Wohnung in Düsseldorf-Flingern in der Lindenstraße. Diese Wohnung war ein Altbau mit zwei hohen Zimmern, eine Küche und ein Klo. Sie zogen mit meinem kleinen Bruder Reinhard, zunächst noch ohne mich, aber mit meinen Sachen, dorthin.
3.Mein 3. Umzug 1952 zur Lindenstraße
Am Morgen des Umzugs stand der Möbelwagen schon früh vor der Haustüre.
Wer jetzt denkt, dass der Möbelwagen ein schwerer LKW war, der ist schief gewickelt.
Vor der Türe stand ein Einspänner-Pferdewagen mit einem Kaltblut-Pferd davor. Die Ladefläche hatte ein Plangestell mit Plane. Manchmal lieferte dieses Gespann auch Bier in Düsseldorf aus.
Für unsere Möbelmenge war der Pferdewagen allerdings groß genug; auch meine Sachen waren ja schon dabei, bis auf Kleidung zum Wechseln, die brauchte ich ja noch bei meinen Großeltern. Dort sollte ich ja bis zum Ende des 2. Schuljahres so bleiben.
Die Fahrt mit dem Pferdewagen ging dann von Düsseldorf-Eller über Düsseldorf-Lierenfeld nach Düsseldorf-Flingern und dauerte etwas über ein Stunde.
Wie gesagt, meine Sachen waren schon mit auf dem Möbelwagen, obwohl ich erst noch weiter bei meinen Großeltern wohnte. Morgens fuhr ich mit der Straßenbahn oder dem Fahrrad nach Düsseldorf-Flingern in die Schule.
Mit meinem kleinen Bruder Reinhard gab es ständig Probleme. Er war viel krank: mit Ausschlag, Windpocken, Neurodermitis etc. Einmal musste er sogar einige Monate in einer Klinik bleiben.
Er war aber auch sonst ein Kind, was sich nur schlecht anpassen konnte. Er bemühte sich auch immer, nur das zu tun, was er wollte. Ihm war es auch egal, wenn er von seinem Vater Prügel bekam. Er ließ sich auch die tollsten Besonderheiten einfallen, wie zum Beispiel die folgenden Geschichten:
Als meine Mutter eines Tages wieder zur Abendmesse in der Kirche war und Reinhard eigentlich schon im Bett liegen sollte, sie hatte ihn ja vorher hingelegt, da wurde unsere Mutter plötzlich in der Kirche unruhig.
Deshalb ging sie schon vor Messeschluss wieder nach Hause. Als sie dann in das Schlafzimmer kam, wo mein Bruder sein Bettchen hatte, stand mein Bruder Reinhard auf der Fensterbank. Er hatte sich mit Hilfe der Übergardine irgendwie hochgezogen. Gott sei Dank! hat er das Fenster nicht öffnen können und ist auch nicht nach innen auf den Boden gefallen.
Ein anderes Mal hat er von außen im Klofenster gesessen, weil das immer geöffnet war. Jetzt könnte man sagen, warum hat man darauf nicht geachtet und das Fenster zugemacht?
Aber gelüftet werden musste ja auch und das Fenster öffnen war ja nicht so einfach. Unser Klo bestand aus einem langen Raum wie ein Schlauch. Etwa in der Mitte des Raums stand der Topf und dahinter war ein Podest (gedacht für Koffer etc.), auf das man klettern musste und so kam man an das kleine Klo-Fenster. Für jeden Erwachsenen war es eine Tortur an das Fenster zu kommen, aber für meinen kleinen Bruder nicht. So kam es, dass er auf das Podest geklettert war und von außen im Fenster saß. Von dort hätte er auch zwei Etagen runter fallen können. Davor haben ihn die guten Geister bewahrt und meine Mutter. Sie ist so leise wie sie konnte auf das Podest geklettert und hatte blitzartig meinen Bruder am Pullover gepackt und vom Fenster weggezogen. Danach hat sie sich auf den Boden gesetzt und ganz doll geweint.
4.Mein 4. Umzug 1953 zur Lindenstraße
Ab Ende des 2. Schuljahres zog ich dann also auch in Düsseldorf-Flingern bei meiner Mutter, Richard und Bruder Reinhard, mit in die Wohnung ein. Meine restlichen Sachen hat mein Opa gebracht. Jetzt war unsere Familie mal komplett.
Ich hatte kein eigenes Zimmer. Ich schlief auf einer Bettcouch im Wohnzimmer.
Das Zimmer hatte einen Erker mit einem großen und zwei kleinen Fenstern. Aus den kleinen Fenstern konnte ich ziemlich unbeobachtet raus gucken.
Eines Tages wollte eine Frau am Haus vorbeigehen, während ich gerade schnell einmal spucken üben wollte und sie hatte das Ergebnis auf ihrem Revers.
Die Frau war aber nicht dumm. Sie hat sich dann an die Hauswand gedrückt und gewartet. Ich wollte jetzt aber auch nachsehen, was sie macht und habe vorsichtig raus geguckt. Da hat sie mich gesehen und bei uns geschellt. Meiner Mutter war das dann auch so peinlich, dass sie, meine Mutti, mich anschließend mit einem Holzlöffel bestrafen wollte. Deshalb sind Mutti und ich um den Küchentisch gelaufen, aber ich war schneller. Sie war auch noch ausgerutscht, lag halb unter dem Küchen-Tisch und dann haben wir beide uns weg gelacht.
Читать дальше