Monate waren mittlerweile schon wieder vergangen, bis die Eltern letztlich dann doch einwilligten. Danach hat sich aber alles zum Guten gewendet.
Adolf nahm wieder Urlaub und heiratete seine Hildegard am 31. 12. 1942 vor dem Standesamt in Düsseldorf-Eller am Gertrudisplatz.
Hier entstand Anfang des 20. Jahrhunderts das im neugotischen Stil erbaute Rathaus, das mit der Gertrudiskirche zusammen 1901 bezogen wurde. Nach der Hochzeitsfeier sind die beiden dann wieder nach Tetschen gefahren, waren nur glücklich und sind wieder durch das schöne Sudetenland gereist.
Doch dieses Glück hielt leider nicht lange. In dem Urlaub wurde er vorzeitig wieder einberufen und musste zurück an die Front. Er musste ja dieser Aufforderung folgen!
Leider ist er aber nicht mehr zurückgekommen, da er am 24. 05. 1943 südlich von Leningrad, östlicher Kriegsschauplatz, gefallen war .Ihn traf ein Artillerie-Volltreffer, der das Glück für alle Zeiten beendete. Seine Schwadron hat ihn auf dem Heldenfriedhof in Sablino zur letzten Ruhe gebettet.
Trostlosigkeit, Trauer, Elend und Ratlosigkeit machten sich breit, als Hildegard diese Nachricht erhielt. Sie war ja zudem schon mit mir in anderen Umständen.
Der Krieg war mittlerweile europaweit ausgeufert. Das Elend war überall zu spüren.
Plötzlich kam ein Brief von Verwandten aus Altenhundem im Sauerland.
Die wussten ja auch, dass der Mann von Hildegard schon gefallen war. Deshalb meinten sie, dass es besser wäre, Hildegard käme für die Zeit bis zur Niederkunft zu ihnen. Der Krieg hätte ja dort noch nicht solche Ausmaße angenommen wie in Düsseldorf. Und da sie ja jetzt schon ohne Mann wäre, könnte man sich auch vor Ort ja auch viel besser um sie kümmern.
Es war der 03. 10. 1943, Hildegard fühlte den Zeitpunkt gekommen, dass ich auf die Welt wollte. Am 06. 10. 1943 ging der Zug, den sie nutzen musste, voll mit Soldaten von Düsseldorf in Richtung Sauerland. Gott sei Dank! ist sie auch heil in Altenhundem angekommen.
Aber sie hatte nicht mal das Bett dort richtig angewärmt, da musste sie schon ins Krankenhaus, ins »St. Josefs-Hospital« in Altenhundem.
Im Morgengrauen des 7. Oktober 1943 kam ich dann als gesunder »Wonneproppen« mit ca. fünf kg Eigengewicht zur Welt; was für ein Segen. Leider hatte mein Vater das nicht mehr erleben können. Meine Mutter hat mir dann aber seinen Namen »Adolf« gegeben. Da der Name aber mittlerweile nicht mehr sonderlich »aufbauend« war, nannte man mich einfach »Dolf«. Letztlich gab sie mir auch noch den Namen Dieter dazu, für den Fall, dass mir Adolf nun gar nicht gefallen würde.
Mutter und ich wurden am 20. 10. 43 aus dem St. Josefs-Hospital in Altenhundem endlich wieder entlassen. Kurz danach fuhr Mutti mit mir nach Düsseldorf zu ihren Eltern zurück bzw. meinen Großeltern.
So, von da an war Düsseldorf auch meine Heimat! Nicht »Altenhundem«!
Später ist mir dann auch bewusst geworden, dass ich ein »Düsseldorfer« bin.
Aber Altenhundem war nun mal der Ort der Niederkunft. Na ja! Was soll’s?
Erst die großen Angriffe 1943, 1944 und der Artilleriebeschuss vor Ende des Krieges brachten viel Leid in die Stadt Düsseldorf. Es waren bis Kriegsende mehr als 1.160.000 Bomben auf Düsseldorf gefallen und etwa 6.000 Düsseldorfer getötet worden.
Der Krieg war ja leider noch nicht vorbei, als sich 1944 der nächste Bombenangriff auf Düsseldorf ankündigte. Da wurden wir zwei, meine Mutter und ich, von anderen Verwandten eingeladen, zu ihnen nach Netphen im Siegerland zu kommen.
Mit meiner Mutter
In Netphen war ja mein Ömchen Clara geboren. Eine Schwester von ihr, die jüngste, war Regine, die lebte ja dort. Sie hat dann auch organisiert, dass Mutti und ich im Bauernhof von anderen Verwandten, nämlich von Werthenbachs, in Netphen-Brauersdorf wunderbar leben konnten.
Brauersdorf war ein Ortsteil von Netphen und die Häuser und Bauernhöfe konnte man mit zwei Händen zählen. So klein war der Ort. Der lag aber schön, zwischen zwei Berghängen und einem langgezogenen Tal.
Dort befand sich der kleine Hof von Werthenbachs. Mutti konnte im Haushalt und im Hof helfen und ich habe, wenn das Wetter es zuließ, nur draußen gespielt und hatte auch viel Neues zu entdecken. Trotz aller traurigen Umstände war die Zeit in Brauersdorf für mich eine schöne Zeit. Wir hatten genug zu essen. Ich lebte von Milch, Brot, Kartoffeln, Gemüse, Fleisch und Speck. Speck konnte ich in der Zeit noch nicht sagen, aber bei meinem Ruf nach »Peck« wusste jeder auch so, was ich meinte.
Im Hof gab es natürlich auch einen Hund, der hieß »Stroppi«. Bei mir hieß der »Toppi«, weil ich Stroppi auch noch nicht sagen konnte. Stroppi war ein weißer Mischlings-Hund. Der wurde schnell zu meinem Spielkameraden. Er passte aber auch gut auf mich auf, wenn z. B. alle auf dem Feld und wir beide alleine waren. Toppi zeigte mir auch ein wenig von unserer kleinen Welt im Hof und im Ort Brauersdorf.
Im Bauernhaus ging man über die Diele auch in den Stall. Chef im Stall war der Bulle. Obwohl der angekettet war, hatte ich aber immer schwer Respekt vor ihm.
Durch mein Erscheinen wurde er immer unruhig. Dann bewegte er sich hektisch, wenn ich mit Toppi wieder in den Stall kam. Aber die Kühe freuten sich, dass es ihn gab und auch, dass Toppi und ich wieder kamen.
Aus einer Ecke des Hofs blickte man auch auf einen Kaninchenstall. In dem lebten sieben Kaninchen, jedes in seinem eigenen kleinen Stall. Ein Kaninchen davon war der Mann, der Rammler und die anderen waren süße Frauen. Von denen war ich besonders begeistert. Das mit den »süßen Frauen« ist auch bis heute so geblieben!
Eines Tages habe ich gedacht, die Kaninchen müssten ja auch mal gebadet werden. Also nahm ich zwei von denen auf den Arm und ging damit über die Straße und runter zum Bach. Nachdem ich sie gut gewaschen hatte, habe ich sie zum Trocknen auf die Steine im Bach gelegt. Aber, was soll ich sagen, bewegt haben die sich leider nicht mehr. Da waren sie schon tot. Was für ein Elend! Meine Trauer kannte keine Grenzen und dazu gab’s auch noch Riesenärger.
Ein solches Badezeremoniell mussten die restlichen Tiere dann auch nicht mehr erleben … Aber die Erwachsenen hatten schon immer Panik, wenn ich nur in die Richtung Kaninchenstall lief.
Hinter dem Bach und am Fuß des Berges erblickte man das Backhaus; das fand ich auch sehr interessant! Da roch es immer stark nach Backwaren. Wenn nun frisches Brot gebacken wurde, war ich auch gerne dabei. Das Backhaus war dann auch einer meiner Lieblingsorte, weil es da schön warm war. Hier habe ich auch immer beim Backen zugeschaut. Manchmal durfte ich den Teig probieren, denn der schmeckte auch so gut wie es roch, mhhhh.
Manchmal kamen uns Opa und mein Ömchen besuchen und blieben einige Tage bei uns. Sonst wohnten sie ja bei Omas Schwester Regine.
Einmal war Opa mit dem Zug von Netphen nach Düsseldorf gefahren, um sein Fahrrad zu holen. Zurück ist er zu Fuß von Düsseldorf mit seinem Fahrrad und einem großen Koffer hinten drauf angereist. Das waren dann mal eben schlappe 150 km Fußweg. Als er bei uns ankam, war er doch sehr erschöpft. Er wollte aber sein Fahrrad haben, um in Netphen beweglich zu sein. Netphen war ja, wie ich schon sagte, Ömchens Heimat. Dort lebten die meisten Mitglieder ihrer Familie.
Aber Netphen war damals nicht mehr als ein kleines Nest und deshalb war ein ÖPNV auch nicht wirklich vorhanden.
Irgendwann im Frühjahr kam der Tag, an dem die amerikanischen Soldaten nach Brauersdorf und auf unseren Hof kamen und ihn beschlagnahmten. Dann hat man uns Bewohner zuerst einmal mit dem Nötigsten in den Keller verfrachtet.
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