„Sie, Sir Walter, werden beschleunigt auslaufen und sich in der Nähe der Falklands (Falklandinseln im Südatlantik) mit dem neuseeländischen Kreuzer „Wellington“ vereinigen. Hauptaufgabe ist, den von uns in diesem Bereich vermuteten deutschen Kreuzer aufzuspüren. In den letzten zwei Wochen melden sich einige unserer Handelsschiffe nicht mehr und die letzten Standorte lassen vermuten, dass es einem Deutschen gelungen ist unsere Blockade zu überwinden und in den freien Atlantik durchzubrechen, der im Nordatlantik sein Unwesen begonnen hat und jetzt offenbar auf stetigem Südkurs befindlich ist. Leider sind ja die „Exeter“, die von der „Graf Spree“ ziemlich in Klump geschossen worden ist, wie wir natürlich nicht offiziell zugeben werden, auf lange Sicht nicht einsatzfähig und auch „Ajax“ und „Achilles“ werden erst in frühestens zwei Monaten wieder vollkommen gefechtsklar sein.“
Sir Walter Hawkens schaute die beiden, ihm unterstellten, Kommandanten mit einem prüfenden Blick an und wandte sich dann an den stellvertretenden ersten Seelord: „Sir, mit welchem Gegner habe ich voraussichtlich zu rechnen? Mit einem weiteren dieser verdammten Pocket Battle Ships ?“
„Das glaube ich weniger, obwohl auch die „Admiral Scheer“ nach Auskunft unseres Nachrichtendienstes derzeit nicht im Kieler Hafen an ihrem üblichen Liegeplatz liegt. Ich vermute aber eher, dass die verdammten Nazis uns wieder Probleme mit Hilfskreuzern bereiten und bereits jetzt ein entsprechendes Schiff ausgerüstet und ausgesandt haben. Denken Sie nur an „Wolf“ und „Möwe“ im Weltkrieg. Also, ich erwarte das Sie in 48 Stunden auslaufklar sind und auf dem schnellsten Weg Port Stanley (Hafen der Falklandinsel) anlaufen, dort nachbunkern und sich mit „Wellington“ vereinigen.“ Damit wollte – nach einem Blick auf die Uhr – der stellvertretende erste Seelord das Gespräch beenden und sich einem reichhaltigen Mittagsmahl widmen, wurde aber nochmals von Rear-Admiral Hawkens aufgehalten, der durch Heben des rechten Armes zu erkennen gab, dass er noch etwas fragen wollte.
„Was ist denn noch, Sir Walter“, grunzte etwas unwillig der in Gedanken schon beim Essen befindliche 2. Mann der Admiralität. Sir Walter hingegen ließ sich hiervon nicht beeindrucken, kannte er doch seit langem den von Kommandanten wenig geschätzten 2. Seelord als meist im Dienst übellaunigen Menschen, der weit mehr weltlichen Genüssen als seinen dienstlichen Obliegenheiten zugeneigt war.
„Sir, ich wollte nur noch fragen, wie viel Schiffe denn überfällig sind? Auf dieser Route ist nämlich auch mein Neffe unterwegs, der eigentlich in den nächsten Tagen hier eintreffen sollte und den ich gern nach Übernahme in die Royal-Navy unter meinem Kommando hätte.“
„Na, das wird ja, zumindest für diese Reise, ohnehin nichts mehr, wenn er noch nicht hier ist.“
„Die bisher offenbar dem Gegner zum Opfer gefallenen Schiffe sind,“ hier unterbrach sich seine Lordschaft, schrie nach der Wren, die sofort herbeieilte, und ihm einen mit Maschine beschriebenen Bogen reichte. Nach einem unwilligen Blick hierauf, erfuhr Sir Walter Hawkens dann, dass sich unter den verschollenen und mutmaßlich versenkten Frachtern auch die „Jolante“ befand, auf der sein Neffe auf der Heimreise nach England als Funkoffizier Dienst tat. Ein Grund mehr für den Rear-Admiral beschleunigt in See zu gehen.
14. Anerkennungen und Weisungen
Die „Chamäleon“ wartete auf neue Beute. Seit 10 Tagen war keine Rauchfahne, geschweige denn Mastspitzen in Sicht gekommen und auch des Nachts erschienen keine Zacken auf dem Schirm des Dete-Gerätes. In großen Suchschlägen zackte „Chamäleon“ auf dem bekannten Dampfer-Track, oder ließ sich auch ganz einfach in der Strömung treiben. Die deutlich stärkeren Schiffsbewegungen während des Treibenlassens störte zwischenzeitlich das Wohlbefinden der Besatzung kaum mehr, waren doch nunmehr fast allen Seebeine gewachsen. Der LI mit seinem technischen Personal nutzte die Ruhepausen zur Pflege der Maschinen und Apparaturen an Bord und der IO sowie die zuständigen Ressortoffiziere sorgten mit allerlei Übungen dafür, dass es Hein Seemann nicht übermäßig langweilig wurde. Das vom Smutje und seinen Mannen gezauberte gute und reichhaltige Essen trug im Übrigen zum Wohlbefinden bei. Auch die drei „Gäste“ hatten sich mittlerweile gut eingelebt und auch Dita hatte ihre Ängste nunmehr weitgehend abgelegt. Auch wenn die beiden „Young Ladys“ wie sie auch von der Besatzung schnell getauft worden waren, da sie fast immer im Doppelpack auftraten, ihre Mahlzeiten häufig in den geräumigen, vormals für den Reeder des Frachtdampfers entworfenen, Räumen gemeinsam mit Dr. Willi Weißer, dem französischen Schiffsarzt, einnahmen, waren sie doch auch häufig Gäste in der Offiziersmesse. Bei diesen Gelegenheiten erschien fast unmittelbar, nachdem die Damen die Messe betreten hatten und selbstverständlich von anderen Offizieren gern an ihren Tisch gebeten worden wären, mit nachtwandlerischer Sicherheit Graf von Terra, um neben Suzanne Platz zu nehmen. Das auch der Kommandant es fast immer einrichten konnte, die Mahlzeiten dann am Tisch mit den Amerikanerinnen einzunehmen und hierbei immer wie selbstverständlich links neben Dita saß, wurde natürlich von allen Offizieren – manchmal auch etwas neidvoll – zur Kenntnis genommen. Doch zum einen war er der Kommandant und zum anderen hatte sich ja ohnehin in allen Decks sofort herumgesprochen, dass die größere, wohlproportionierte Amerikanerin an einer seltsamen Krankheit litt und deshalb mit ihren Ärzten, insbesondere wegen der besseren medizinischen Möglichkeiten, an Bord des Hilfskreuzers verblieben war, wie vom Kommandanten selbst durch Lautsprecherdurchsage klargestellt worden war, um gar nicht erst die ohnehin an Bord eines Kriegsschiffes nie verstummende Gerüchteküche ausufern zu lassen. Im Übrigen wurden Kommandant und auch IO, auch wenn sie Offiziere und Besatzung manchmal hart herannahmen, doch letztlich von allen Besatzungsmitgliedern aufgrund ihrer korrekten, fairen und schließlich auch erfolgreichen Führung geschätzt.
Am 18. Februar 1940 gegen 11.00 Uhr Schiffszeit erschien der 1. Funkoffizier, Oberleutnant z.S. Fritz Borchard, aufgeregt auf der Brücke, mit einem FT-Formular wedelnd und meldete dem Kommandanten: „FT (Funkspruch) von der SKL (Seekriegsleitung), Herr Kaptän.“
„Geben Sie her, Herr Borchard, Sie sind ja ganz aus dem Häuschen. Außerdem haben Sie doch, wenn ich nicht irre, derzeit wachfrei.“
„Ja, ja, Herr Kaptän, aber als mir Obermaat Selmann das aufgenommene FT der SKL gemeldet hat, hielt ich es doch für angebracht, Ihnen dieses selbst zu reichen“, strahlte der Oberleutnant Didi Waldau an. Dieser warf einen Blick auf den relativ langen Funkspruch und auch seine in letzter Zeit meist nachdenklichen Gesichtszüge überzog ein Lächeln und er las den, selbstverständlich verschlüsselt gesendeten, an Bord entschlüsselt und in Klartext geschriebenen, Spruch:
SKL an Schiff 66 (amtliche Bezeichnung des HSK „Chamäleon“) in Anerkennung der bisherigen Leistungen befördert der Oberbefehlshaber der Kriegsmarine – jeweils mit Wirkung zum 01. Februar 1940 – den Kommandanten zum Fregattenkapitän, den IO zum Korvettenkapitän und den NO zum Oberleutnant zur See (S) und verleiht zudem Kommandant und IO das Eiserne Kreuz erster Klasse. Zudem erhält Schiff 66 zwanzig EK2 zugesprochen, die nach Weisung des Kommandanten zu verleihen sind.
xxx Prisenführung erfolgt unter Einschätzung Lage B.-Dienst (Beobachtungsdienst) direkt durch SKL.
xxx Weisung: Schnellstmöglich Planquadrat PT 2658 ansteuern zur Unterstützung/Reparatur U-131 mutmaßliches Eintreffen per FT melden. Feindberührung bis Beendigung Unterstützungsleistung unbedingt vermeiden.
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