Mario Ganß
BEHINDERT? WAS SOLL’S!
Mein Leben im Internat für Körperbehinderte in der DDR
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Die realen Namen wurden im Buch geändert.
Zweite überarbeitete Auflage
Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
www.engelsdorfer-verlag.de
Lieber Kai!
In den 3 1/2 Jahren, in denen ich mit dir zusammenarbeitete, warst du nicht nur mein Lektor. Bei der Suche nach einem geeigneten Verlag und nach Sponsoren hast du mir stets geholfen und mir so den Rücken für das Schreiben freigehalten!
Wir plauderten aber auch öfters über ganz persönliche Dinge. Du hast mir oft rechtliche Sachverhalte erklärt, auf die wir Behinderten Anspruch haben, von denen ich noch nichts wusste. Letztendlich hast du mich bestärkt, den Weg zu einer persönlichen Assistenz zu gehen. Danke!
Kai, du bist mir ein guter Freund geworden! Leider kannst du nicht mehr das fertige Buch in deinen Händen halten. Du bist viel zu früh von uns gegangen. Dennoch wirst du immer ein Teil meines Buches und demzufolge meines Lebens bleiben.
Im stillen Gedenken
Mario
Cover
Titel Mario Ganß BEHINDERT? WAS SOLL’S! Mein Leben im Internat für Körperbehinderte in der DDR Engelsdorfer Verlag Leipzig 2015
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Die realen Namen wurden im Buch geändert. Zweite überarbeitete Auflage Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Hergestellt in Leipzig, Germany (EU) www.engelsdorfer-verlag.de
Meine körperliche Behinderung annehmen Meine körperliche Behinderung annehmen Im November 1967 wurde ich in Roßlau (Elbe) geboren. Wir wohnten in Zerbst (Sachsen-Anhalt). Während meiner Geburt gab es Komplikationen. Da aber die Ärzte im Zerbster Krankenhaus leider den Ernst der Lage nicht erkannten, wurde meine Mutter mit dem Krankenwagen und bei Glatteis ins 15 Kilometer entfernte Roßlauer Krankenhaus gebracht. Durch diese Prozedur verging wertvolle Zeit. In Roßlau führte man dann endlich den für meine Mutter und mich so lebensnotwendigen Kaiserschnitt durch. Durch diesen Eingriff wurde ich zwar gerettet, jedoch erlitt ich bei der Geburt einen erheblichen Sauerstoffmangel. Das ist auch der Grund für meine spastische Lähmung. Diese körperliche Beeinträchtigung äußert sich darin, dass ich krampfhafte Bewegungseinschränkungen der Arme und Beine habe. Meine Sprachfähigkeit ist dadurch ebenfalls gestört und meine Aussprache oft sehr undeutlich. Falls man mich jedoch nicht richtig versteht, muss ich das Gesagte eben noch einmal wiederholen. Geistig bin ich jedoch zweifelsohne voll auf der Höhe! Über meine körperliche Behinderung denke ich nur selten so richtig nach. Ich brauche sie auch nicht anzunehmen und zu akzeptieren wie andere Menschen, die, eventuell durch einen Unfall, plötzlich zu ihrer Behinderung »gekommen« sind. Für mich gehört sie zu mir wie meine Hände und Füße, denn ich bin schließlich damit aufgewachsen. Wenn ich heute im Rollstuhl sitze und mich von einem Ort zum anderen bewege, sage ich trotzdem umgangssprachlich: »Ich gehe da und da hin.« Und das ist schon so okay. Obwohl meine Mutter eine schwere Geburt hinter sich hatte, bei der es nun einmal offensichtlich Komplikationen gab, meinten die Ärzte, ich sei ein vollkommen gesundes Kind. Nach ein paar Monaten merkten meine Eltern und meine Oma schnell, dass ich mich nicht richtig entwickelte. Unter anderem konnte ich meinen Kopf nicht gerade halten, er hing immer zur Seite. Die Antwort der Ärzte war lapidar: »Das ist ein Schiefhals, das gibt sich wieder.« So überließen die Ärzte mich und meinen Eltern einfach dem Schicksal. Nur durch Eigeninitiative meiner Eltern konnte ich mich meinem Alter entsprechend entwickeln!
Die Zeit bei Oma
Oehrenfeld
Vorbereitung auf die Schule
Eine Entscheidung stand an
Urlaub auf dem Campingplatz
Der langersehnte Tag
Der Schulalltag begann
Die Kunst des richtigen Sitzens
Der Pioniergeburtstag
Mein erstes Zeugnis
Schreibversuche
Das richtige Schreibwerkzeug
Nicht für alles ist eine Pille gut
Auch ein guter Schüler muss nachsitzen
Alltag in der Schule und in der Freizeit
Endlich echte Schreiber(le)gebnisse
Die erneute Suche nach einem geeigneten Hilfsmittel
Für die ganze Republik geschrieben
Keine Stubenhocker
Zwei Dreckspatzen im Garten
Hautnah in der Natur
Das verpasste Osterfeuer
Mein neues Zuhause
Der ungewohnte Schulalltag
Jedes Haus hat seinen Namen
Schul- und Heimalltag
Ein weiteres Handicap
Neuerungen
Schule auf Sparflamme
Viele neue Fächer
Ein kleines bisschen Spaß
Schicksalstag in der Familie
Freizeit oder nachdrückliche Erziehung?
Die Medien
Eine verrückte Idee
Was normalerweise nicht sein durfte
Abenteuer auf vier Rädern
Schmetterlinge
Endspurt
Abschied
Meine körperliche Behinderung annehmen
Im November 1967 wurde ich in Roßlau (Elbe) geboren. Wir wohnten in Zerbst (Sachsen-Anhalt). Während meiner Geburt gab es Komplikationen. Da aber die Ärzte im Zerbster Krankenhaus leider den Ernst der Lage nicht erkannten, wurde meine Mutter mit dem Krankenwagen und bei Glatteis ins 15 Kilometer entfernte Roßlauer Krankenhaus gebracht. Durch diese Prozedur verging wertvolle Zeit. In Roßlau führte man dann endlich den für meine Mutter und mich so lebensnotwendigen Kaiserschnitt durch. Durch diesen Eingriff wurde ich zwar gerettet, jedoch erlitt ich bei der Geburt einen erheblichen Sauerstoffmangel. Das ist auch der Grund für meine spastische Lähmung. Diese körperliche Beeinträchtigung äußert sich darin, dass ich krampfhafte Bewegungseinschränkungen der Arme und Beine habe. Meine Sprachfähigkeit ist dadurch ebenfalls gestört und meine Aussprache oft sehr undeutlich. Falls man mich jedoch nicht richtig versteht, muss ich das Gesagte eben noch einmal wiederholen. Geistig bin ich jedoch zweifelsohne voll auf der Höhe!
Über meine körperliche Behinderung denke ich nur selten so richtig nach. Ich brauche sie auch nicht anzunehmen und zu akzeptieren wie andere Menschen, die, eventuell durch einen Unfall, plötzlich zu ihrer Behinderung »gekommen« sind. Für mich gehört sie zu mir wie meine Hände und Füße, denn ich bin schließlich damit aufgewachsen. Wenn ich heute im Rollstuhl sitze und mich von einem Ort zum anderen bewege, sage ich trotzdem umgangssprachlich: »Ich gehe da und da hin.« Und das ist schon so okay.
Obwohl meine Mutter eine schwere Geburt hinter sich hatte, bei der es nun einmal offensichtlich Komplikationen gab, meinten die Ärzte, ich sei ein vollkommen gesundes Kind.
Nach ein paar Monaten merkten meine Eltern und meine Oma schnell, dass ich mich nicht richtig entwickelte. Unter anderem konnte ich meinen Kopf nicht gerade halten, er hing immer zur Seite. Die Antwort der Ärzte war lapidar: »Das ist ein Schiefhals, das gibt sich wieder.« So überließen die Ärzte mich und meinen Eltern einfach dem Schicksal. Nur durch Eigeninitiative meiner Eltern konnte ich mich meinem Alter entsprechend entwickeln!
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