»Igitt!«, ließ sich in diesem Moment Patrick vernehmen. »Der Inhalt dieses Kühlschranks fängt demnächst an, sich zu bewegen.«
»Solange er nicht unsere Sprache spricht, ist es harmlos.« Martin feixte, dann stieg ihm der Geruch von Starks Entdeckung in die Nase, und er wedelte angewidert mit der Hand vor seinem Gesicht herum.
»Sieht ganz danach aus, als ob es das hier schon war.« In Sandras Stimme schwang Enttäuschung mit, obwohl sie sich Mühe gab, sich diese nicht anmerken zu lassen.
»Das kann nicht sein.« Patrick massierte sein stoppeliges Kinn. »Ein Restaurant dieser Größe muss über einen Vorratsraum verfügen. Die ganzen Sachen, die man für einen Abend mit vielen Gästen braucht, können unmöglich alle hier gelagert worden sein.«
»Und wo soll dieser Raum sein?« Sandra sah sich demonstrativ um. »Ich wette, wenn wir die Küche durch die andere Tür verlassen, kommen wir auf einen Gang, der uns zu den Toiletten führt. Und viel mehr Räume dürfte es hier nicht geben, dazu ist das Haus einfach zu klein.«
»Du denkst zu zweidimensional.« Patrick grinste. »Wenn es auf dieser Etage keinen Vorratsraum hat, denn vielleicht auf einer anderen.«
»Natürlich!« In Martins Gesicht hielt die Erkenntnis Einzug. »Das Gebäude ist so alt, dass es sicherlich noch einen Gewölbekeller besitzt. Die sind zum Lagern von Lebensmitteln ideal.«
In diesem Moment wurde es draußen vor dem Küchenfenster laut. Auch wenn keine Schüsse fielen, war das eindeutig Kampflärm!
*
Ein Mann hastete die Kellertreppe, die sich hinter dem Haus befand, nach oben. Er blutete an mehreren Stellen, die nach Kratz- und Bisswunden aussahen. Der Mann mochte Ende 30 sein, war knapp 1,80 Meter groß und hatte braune Haare. Sein Gesicht war rot vor Anstrengung, seine Miene eine Mischung aus Panik und Hass.
Hinter dem Mann tauchten jetzt mehrere Zombies auf der Kellertreppe auf. Für einen kurzen Moment behinderten sie sich in ihrer Gier nach frischem Fleisch gegenseitig, dann stieß der kräftigste von ihnen die anderen zur Seite und stieg die Treppe hoch, so schnell er es am helllichten Tage vermochte.
Der Mann blieb am Ende der Treppe stehen und drehte sich um. In seiner Hand hielt er einen Baseballschläger, den er jetzt mit einer geübt wirkenden Bewegung nach hinten schwang.
»Los, komm schon, Du Freak!«, schrie er. »Ich mach dich fertig!«
Der Zombie, der seinen Kumpanen voranstakste, ließ sich von den Worten jedoch nicht beeindrucken. Unbeirrt hielt er weiter auf den Mann zu. Kurz bevor er ihn erreichte, krachte dessen Baseballschläger mit Macht in sein Gesicht.
Von der Wucht des Schlages wurde der Zombie nach hinten gerissen. Kurz rang er um seine Balance, dann stürzte er die Kellertreppe wieder nach unten. Dabei riss er die anderen mit sich.
»Ich habe es dir doch gesagt!« Der Mann lachte gehässig. »Du und die anderen Arschlöcher habt keine Chance gegen mich. Wenn ihr nicht so stinken würdet, fräße ich jeden Tag einen von euch zum Frühstück.«
In diesem Moment tauchten weitere Zombies im Hinterhof auf. Dadurch wurden die Karten neu gemischt, diesmal deutlich zu Ungunsten des Fremden. Selbst wenn er Profi mit dem Baseballer war, würde er der schieren Masse der Angreifer auf Dauer nichts entgegensetzen können. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn die »Freaks« in Stücke reißen würden.
Plötzlich krachte ein Schuss. Der Kopf des Zombies, der dem Mann am nächsten war, wurde nach hinten gerissen. Der Getroffen kippte wie in Zeitlupe zur Seite und blieb liegen.
Der Mann riss den Kopf herum und schaute zu dem Fenster, aus dem geschossen worden war. In seinem Gesicht zeichnete sich Überraschung ab.
In der Fensteröffnung stand eine rothaarige Frau Anfang 20, deren auffallendstes Merkmal ihre üppige Oberweite war. In der Hand hielt sie eine Pistole, mit der sie jetzt ein regelrechtes Tontaubenschießen auf die Zombies im Hof veranstalte. Dabei zeigte ihre Miene grimmige Entschlossenheit.
Neben der Frau stand ein junger Mann, der linkisch an einem Gewehr herumhantierte. Schließlich schien er erreicht zu haben, was er wollte, und legte nun ebenfalls an.
Mit ohrenbetäubendem Donnern löste sich eine Kugel aus dem Gewehrlauf. Ein weiterer Zombie brach getroffen zusammen.
»Na also«, lobte die Frau, ohne mit der Pistole innezuhalten. »Dann haben die Schießübungen ja doch etwas genutzt.«
Wieder nestelte der junge Mann an dem Gewehr herum. Der Fremde im Hof erkannte, dass dieses offenbar nach jedem Schuss von Hand nachgeladen werden musste. Dann blieb keine Zeit mehr für solcherlei Betrachtungen, denn die Zombies auf der Kellertreppe hatten es nun wieder nach oben geschafft, und der erste angefaulte Arm wurde gierig nach der vermeintlichen Beute ausgestreckt.
Wieder krachte der Baseballschläger gegen den Schädel des Zombies und ließ ihn einige Schritte zurücktaumeln. Diesmal wurde der neuerliche Sturz jedoch vom Treppengeländer verhindert.
»Das hast du dir so gedacht, du Mistsau!«, höhnte der Mann im Hof »Wolltest dich wohl heimlich anschleichen, während ich mit deinen Freunden spiele. So nicht!«
Wieder donnerte das Gewehr. Das Knallen der Pistole nahm sich dagegen aus wie die Geräusche eines Kinderspielzeugs. Drei weitere Zombies brachen getroffen zusammen.
Dann geschah etwas, mit dem keiner gerechnet hätte. Mit einem lauten »Platsch!« platzten die Köpfe der restlichen Zombies, und es kehrte wieder Ruhe in dem Hof ein.
*
»Es ist schon wieder passiert.« Sandra sah fassungslos auf die Sauerei im Hof. »Sie sind geplatzt. Einfach so. Also stimmt es wohl doch, dass sie irgendwann einfach zerplatzen. Vielleicht, wenn sich genügend Fäulnisgase in ihren hässlichen Schädeln angesammelt haben.«
»Gottes Wege sind unergründlich«, murmelte Patrick. Laut sagte er: »Danket dem Herrn, dass er seine Hand schützend über uns hält.«
»Danke, dass ihr mir geholfen habt«, erklang es in diesem Moment unten aus dem Hof. »Alleine hätte ich das vermutlich nicht geschafft.«
»Wer bist du, und was hast du hier zu suchen?« Sandra sah den Mann misstrauisch an.
»Ich heiße Stephan, Stephan Mertens. Und ich wohne in Königsdorf. Euch habe ich hier allerdings noch nie gesehen.«
»Wir sind auch nur auf der Durchreise.«
»Wartet einen Moment, ich komme zu euch hoch.«
»Das halte ich für keine gute Idee.« Sandra wog ihre Pistole in der Hand, so als sei sie unschlüssig.
»Und warum, wenn man fragen darf?«
»Schau dich doch an. Du wurdest gebissen. In ein paar Stunden bist du einer von denen.«
»Quatsch! Das sind doch nur Kratzer.«
»Und wenn schon? Dann dauert es halt ein paar Tage, aber am Ergebnis ändert es nichts. Wenn du Anstalten machst näher zu kommen, jage ich dir eine Kugel in deinen Kopf.«
Während Sandra sprach, hatte sie sich den Fremden näher angesehen. Er war ein wenig mollig, und wirkte irgendwie spießig, was so gar nicht zu dem passen wollte, wie er sich noch vor ein paar Minuten benommen hatte.
»Ich mache dir einen Vorschlag.« Stephan sah Sandra direkt in die Augen, und in seinem Blick lag keinerlei Angst. »Ihr helft mir, die Schätze aus diesem Keller zu mir nach Hause zu schaffen, und dort besprechen wir alles in Ruhe.«
»Und was sollte mich daran hindern, dich jetzt gleich zu erschießen, damit wir nicht mit dir teilen müssen? Du bist sowieso schon so gut wie tot.«
»Bin ich nicht!« In Stephans Augen flackerte kurz etwas Undefinierbares auf. »Außerdem ist es nur logisch, dass sich die letzten Nicht-Infizierten in Zeiten wie diesen zusammentun. Falls ich auch zu einem dieser Freaks werde, was ich aber nicht glaube, kannst du mir ja immer noch den Gnadenschuss setzen. Also, was sagst du?«
Sandra sah ihn eine Weile mit zusammengekniffenen Augen an. Hinter ihrer Stirn schien es angestrengt zu arbeiten.
Читать дальше