Das neue Jahr ist immer mit großen Hoffnungen und Erwartungen begrüßt worden. Alter Aberglaube aus vorchristlicher Zeit und frommer Glaube haben sich am Jahresanfang so durchdrungen, dass der jeweilige Ursprung oft in Vergessenheit geraten ist. So hat man das neue Jahr in Gesellschaft begrüßt, weil man dich durch die Gemeinschaft des geschlossenen Kreises vor den dämonischen Mächten sicherer gefühlt hat. Ring und Kranz sind magische Zeichen für den geschlossenen Kreis. Sie verstärken die schützende Wirkung und sind Garanten für dauerndes Glück.
Der guten Vorbedeutung wegen wünscht man sich am Neujahrstag Glück und möchte selber möglichst viele Glückwünsche bekommen. Glückszeichen gibt es viele: Marienkäfer und Glücksschwein, das vierblättrige Kleeblatt und der Lorbeerzweig, Rosmarin und Myrtenkranz, Glücksei und Hufeisen, Schornsteinfeger und Glückspfennig, Herz und Ring, Holzschuhe uns Sternkreiszeichen, Sonnenrad, Efeu, Mistel, Lebensbaum und glückbringende Ammoniten.
Der Holzschuh symbolisierte lange Zeit hindurch eheliches Glück und Fruchtbarkeit. Er tauchte deshalb häufig bei den Riten der Brautwerbung auf. Heute ist der tiefere Sinn dieses Brauchs verlorengegangen. Man verwendet Holzschuhe als rustikales Schmuckelement in Neubauten und in Vorgärten. Das Rad ist seit den frühesten Zeiten der Menschheit ein in allen Kulturen anerkanntes Sonnensymbol. Das Sonnenrad symbolisierte in der Zeit der Wintersonnenwende den Sieg des Lichts über die Mächte der Dunkelheit.
Findet man ein Hufeisen, so bringt das Glück. Schon die Römer hegten diesen Glauben. Man trug es bei sich, nagelte es über die Eingangstür, über den Kaminsims oder über das Scheunentor. Der Kult um das Hufeisen liegt wohl darin begründet, dass Eisen als Metall ursprünglich sehr kostbar war. Das Hufeisen als Glückssymbol weist aber auch auf das Hufeisen von Wotans Pferd aus der Wilden Jagd. Ebenso erinnert das Glücksschwein an den wilden Eber, dass heilige Tier der germanischen Götter. Der Marienkäfer (Siebenpunkt) soll besonders Kindern Glück bringen. Er weist auf die magische Glückszahl Sieben hin. Das Herz war stets ein glückbringendes Symbol und Zeichen der Treue zu Mensch, Haus und Hof. Das Ei galt in allen Kulturen als Sinnbild für Fruchtbarkeit und Wiedergeburt.
Rosmarin und Myrte mit ihren immergrünen Blättern sind Pflanzen, die Segen und Lebenskraft verheißen. Als Hochzeitspflanzen tauchen sie schon bei den Griechen auf. Im Brautkranz verbunden, bedeuten sie ein ewiges Eheglück. Beide Pflanzen waren der Aphrodite heilig, später der germanischen Göttin Hulda. Sie sind auch Symbole der heiligen Liebe.
Storch und Schwalbe zählen überall als Symbole für Wohlergehen, Glück und Erfolg in Haus und Hof. Ihre regelmäßige Rückkehr im Frühjahr, ihre Treue zum Nest mögen der Grund für diese Vorstellung sein. Sie sind die vom Volk verehrten Tiere schlechthin. Man schützt sie und hilft ihnen, sich am oder auf dem Haus niederzulassen. Storch und Schwalbe symbolisieren die soziale Eintracht, die Dauerhaftigkeit der Beziehung des Ehepaares.
Glück sollen auch die Münzen bringen, die wir in den Brunnen werfen. Das wissen wir von den Münzen im Trevi-Brunnen von Rom, die uns wieder in die Ewige Stadt zurückkehren lassen. Auch das ursprünglich römische Amulett und der arabische Talisman werden gern in Form von Münzen als schützende Gegenstände am Körper getragen. Es ist nicht so sehr das kostbare, metallische Erz, dem nach der Vorstellung unserer Vorfahren Zauberkraft innewohnt, es ist vielmehr die Rundheit und das Glitzern des Metalls, worin die lichtspendende Sonne, die Geborgenheit und Leben verheißt, gesehen wurde.
DER HECHT IM KARPFENTEICH
Ursprünglich sollte er nur als Lückenbüßer dienen, als Fleischersatz in Zeiten strenger mittelalterlicher Fastengebote. Doch schon bald wurde der Karpfen, den man auch „Klosterfisch“ nannte, weil Mönche ihn in Teichen züchteten, zum appetitlichen Mittelpunkt des Silvesteressens.
Zum Jahresende nahm man gerne Speisen zu sich, die – wie der Karpfen -Fruchtbarkeit und Leben symbolisierten. Auch heute noch kommt in Millionen deutscher Haushalte an diesem Festtag Karpfen auf den Tisch – am liebsten „blau“, zuweilen auch gebacken.
Bei soviel Tradition entwickelte sich um den Karpfen eine Fülle von Bräuchen und abergläubischen Praktiken: Glück und Segen im neuen Jahr sollten die Schuppen des gegessenen Karpfens bringen. Deshalb streute man sie im ganzen Haus umher. Wer vom Glück in erster Linie Geldsegen erwartete, trug solche Schuppen stets bei sich.
Es hieß, dass ihm dann das Geld nie ausginge. Noch heute hofft ja so mancher Anhänger dieses harmlosen Aberglaubens, mit Hilfe der Glücksschuppe in seinem Portemonnaie einen größeren Lottogewinn machen zu können.
Neben der uralten Fruchtbarkeitssymbolik des Fisches, von der man wahrscheinlich die Hoffnung auf eine wundersame Vermehrung des Geldes ableitete, dürfte auch die an Münzen erinnernde Form der silbrig glänzenden Schuppen zur Entstehung dieser Sitte beigetragen haben.
Heutzutage sind dem großzügigen Verstreuen von Karpfenschuppen allerdings Grenzen gesetzt. Denn der im Handel hauptsächlich angebotene Spiegelkarpfen ist nahezu „nackt“. Die Schuppen haben ihm findige Mönche schon vor langer Zeit „weggezüchtet“. Seine kurze, hochrückige Form ist ebenfalls ein Zuchterfolg der Klosterbrüder von einst. Der Grund dafür soll eine kuriose Fastenregel gewesen sein, die angeblich vorschrieb, dass der Fisch nicht über den Tellerrand ragen durfte.
Viel Wundersames wusste der Volksmund über andere Körperteile des Karpfens zu berichten. In Österreich heißt es noch heute, dass alles in Erfüllung geht, was man sich wünscht, wenn man die Blase des verspeisten Karpfens mit einem Knall zum Platzen bringt.
Der außerordentlich körnerreiche Rogen (Eier) dieses Speisefisches – ein zwei Kilogramm schweres Karpfenweibchen trägt bis zu fünf Millionen Eier – hat ebenfalls eine Symbolik: Zu Silvester gegessen, bringt er Glück und Geld getreu dem Spruch „So viel Körner, so viel Gold“. Glück soll auch der sogenannte „Karpfenstein“ bringen, ein dreieckiges Knöchelchen im Kopf des Fisches. Wer es auf seinem Teller findet, soll mit einem sehr erfolgreichen neuen Jahr rechnen können.
Dass ein solches symbolbeladenes Tier auch in der Volksmedizin seinen Stammplatz hatte, versteht sich von selbst. Getrocknete und pulverisierte Teile des Karpfens waren beliebte Heilmittel gegen alle möglichen Leiden. Besonders der geheimnisvolle „Karpfenstein“ hatte es den Menschen früher angetan. Man verwendete ihn vor allem zur Behandlung von Epilepsie, Schlaganfall und Gallenkolik.
Und „Hand aufs Herz“: Wenn wir heute an Silvester einen Karpfen essen, denken wir nicht daran, im neuen Jahr „der Hecht im Karpfenteich“ zu sein?
DER HEILIGE ANTONIUS UND DAS SCHWEIN
Der „wilde Eber“ der Germanen wurde zu unserem Glücksschwein. Dazu trug auch der heilige Antonius bei, der auf Darstellungen seinen schützenden Mantel um die Schweine legt. Am 17. Januar feiern wir seinen Namenstag.
Der heilige Antonius ist der Patron der Ritter, Haustiere und Schweine, der Metzger, Schweinehirten und ein mächtiger Helfer gegen Viehseuchen. Er wird besonders in den Alpenländern, in Frankreich und Italien verehrt. Die gefürchtete Schweinepest war bei unseren Vorfahren als „Antonius-Seuche“ bekannt und konnte nur geheilt werden, wenn der greise Mönchsvater sein „Antoniuskreuz“, das er als Krücke trug, über den Kopf des Schweines hielt.
Doch würde sich der Patron der Hausschweine im Grabe umdrehen, würde er erfahren, dass es heute keine „glücklichen Schweine“ mehr gibt. Von allen Haustieren erleidet das Mastvieh Schwein die größten Qualen in den fleischverarbeitenden Betrieben. Die gentechnische Manipulation am Hausschwein führte zu schnellwachsenden Monstern ohne Ringelschwanz, Borsten, Ohren, Schnauze und Augen. „Glücksschweine“ gibt es nicht mehr: wer soll da noch „Schwein haben“? Und wenn jetzt gar der „EU-Eber“ den Deutschen aufgetischt wird, riecht das Fleisch nicht mehr nach „Schwein“, sondern nach „Pissoir“.
Читать дальше