Das Goldgelb und die Erdfarben des Herbstes laden uns zu Dankbarkeit und Freude ein, die in vielen Volksfesten und Erntedankfeiern in viel Brauchtum, in Umzügen und Tradition zum Ausdruck kommen. Überall spielen Blumen, Zweige und Blätter eine Rolle; sie werden für uns zum Dolmetscher, der uns im farbenprächtigen oder kunstvoll gesteckten Bild zu einer Familie verbindet: „Nur die guten Erinnerungen gibt uns Gott auf den Weg, damit wir im Winter Blumen haben“ (Alexandra von Pipal).
Das vor uns liegende Jahr, an dessen Schwelle wir gedankenvoll innehalten, möchte alles mit Blumen sagen: mit kleinen, unscheinbaren, aber sorgfältig gesteckten. Möge der wohltuende Duft uns Freude bereiten: „Gib jedem Tag einen Tropfen Freude, dann wird das Jahr einen Becher mit Blumen bereithalten“ (Aischylos).
Auf dem Weg von vorgestern nach übermorgen lagere ich unter dem Schatten meines Lebensbaumes für einen Bruchteil meiner Zeit.
Sklaven des Tyrannen Zeit,
jeder Stunde dienstbereit
ist der Mensch.
Despotisch ist sein Selbst gefesselt,
auf engstem Raume eingekesselt
sein freier Wille.
Über tief gefurchte Schwellen
seiner Seelenrhythmen Wellen
rinnt die Zeit.
Alles wird im Strom Bewegung,
immerfort die Kreise drehn,
doch der Pendel bringt Zerstörung,
und die Zeiger bleiben stehn.
Nun, o Mensch, hast du dein Gut!
Allen Schweiß hast du gegeben,
auch der letzte Tropfen Blut
musste weichen deinem Streben.
(Dieter Kremp)
ALS ES NOCH EISBLUMEN AM FENSTER GAB
Wie sich die Zeiten geändert haben! Damals gab es noch keine Zentralheizung. Der Kohleofen brannte in der Küche und in der guten Stube, wenn Feiertage waren. Dann wurde auch mit Scheitholz geschürt. Wenn wir Kinder früh morgens aufstanden, ging der erste Blick auf die Fenster, um die Eisblumen zu bewundern. Wenn es draußen bitter kalt war, offenbarte sich eine Wunderwelt am Fenster.
Eisblumen am Fenster! Welche Illusionen werden in dem stillen Beschauer geweckt! Er unternimmt eine Traumreise in eine ferne fremdländische Landschaft, in eine exotische Welt oder in einen längst versunkenen Urwald aus der Steinkohlenzeit. Vor seinen Augen verschwimmen die zarten Eis- und Schneekristalle. Die mit allerlei Formen und Mustern grauweiß überspielte kalte Glasfläche wird für Minuten zu einem Märchenwald aus Tausendundeinernacht. Seltsame Bäume und Sträucher mit bizarren Ästen und knöchernen Zweigen, schwert- und lanzenförmigen Schachtelhalmen, geöffneten Elchgeweihen, lilienschlanken Blumen in verschiedener Größe und Vielfalt, längst ausgestorbene gefiederte Farnkräuter – und zwischen den wiegenden Lianen sitzen Papageien mit eckigen Schnäbeln: Ein tropisches Bild mitten im Winter, vom klirrenden Frost wie von einer künstlerischen Zauberhand auf die Fensterscheiben gemalt.
Und am schönsten ist es abends, wenn das gedämpfte Kerzenlicht warm durch die Fenster in die dunkle Kälte strahlt. Da werden sie lebendig, all die Blumen, Feen und Gestalten und tanzen in magischen Spiralen Ringelreihen.
Zarte Kristalle am Fenster schwimmen
in spielenden Mustern grau und weiß.
Bizarre Äste und Zweige klimmen
und lilienschlanke Blumen aus Eis.
Auf wogenden Lianen sitzen Papageien
und tanzen in Spiralen Ringelreihen.
Ein Märchenwald aus Tausendundeinerrnacht
verzaubert die Scheibe in tropischer Pracht.
Mitten im Winter bei klirrender Kält
sich öffnet eine wundersame Welt.
Bei gedämpftem Kerzenlicht
schwingt eine Symphonie in Weiß.
Doch ach! Die Dunkelheit das Glas zerbricht,
all die Blumen in Frost und Eis.
(Dieter Kremp)
VOM HARTUNG BIS ZUM WOLFSMOND
Der altrömische Gott Janus, der Beschützer des Hauses, öffnet im Gregorianischen Kalender die „Tür des Jahres“. Mit seinem Doppelgesicht schaut Janus zugleich nach drinnen und draußen, hütet den Eingang und den Ausgang. Janus wird mit einem Schlüssel und einem Pförtnerstab als Beigaben sowie mit einem jungen und einem alten Gesicht dargestellt. Das alte Gesicht blickt zurück in die Vergangenheit, das junge Gesicht in die Zukunft.
Unsere Monate tragen Namen lateinischen Ursprungs. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts waren vornehmlich auf dem Land auch noch altdeutsche Monatsnamen gebräuchlich, die zum großen Teil auf Karl den Großen zurückgehen. In oberdeutschen Mundarten, namentlich in Gebirgsgegenden Österreichs, sind auch heute noch alte deutsche Monatsnamen im Gebrauch.
Jänner oder Jenner heißt der Januar. Auch Hartung wird er genannt, weil er von all seinen Brüdern die härteste Kälte mitbringt. Eis- oder Schneemond und „Tür des Jahres“ waren andere volkstümliche Bezeichnungen.
Der Februar hieß früher Hornung. Dieser alte, einheimische Name hat wahrscheinlich gar nichts damit zu tun, dass sich das Vieh in diesem Monat hörnt, wie die Bezeichnung gelegentlich gedeutet wird. „Hornung“ ist eigentlich ein anderes Wort für „Bastard“. Im übertragenen Sinne bedeutet dies für den Februar so viel wie „der an Tagen zu kurz Gekommene“, hat er doch nur 28 oder 29 Tage. Weitere Bezeichnungen beziehen sich auf das Wetter und auf weltliche und kirchliche Festtage: Taumond, Schmelzmond, Narren- und Lichtmessmonat. Schließlich heißt der Monat in Österreich heute noch Feber. Er war im altrömischen Kalender der letzte Monat des Jahres und galt deshalb als Sühne- und Reinigungsmonat.
Der März hat seinen Namen vom römischen Kriegsgott Mars. „Martius“, der Marsmonat, eröffnete bis zur Kalenderreform das römische Jahr mit verschiedenen Opferfesten. Die alten deutschen Namen „Lenzing“ oder „Lenzmond“ bedeuten nichts anderes als „Frühling“. Das Wort „Lenz“ kommt von „lang“: Die Tage werden wieder länger.
Das lateinische Wort „aperire“ (= öffnen) gab dem April seinen Namen. Die Knospen öffnen sich, die Natur erblüht. Der wetterwendische, launische April trägt die altdeutschen Namen „Launing“ und „Wandelmond“, letztere Bezeichnung vielleicht auch deshalb, weil sich die Natur verwandelt. Der Ausdruck „Grasmond“ kommt von den grünen Wiesen, die ab 1. April für die Dorfbewohner „gesperrt“ waren. Ostermonat heißt er auch, weil in der Regel der Jahre im April Ostern gefeiert wird.
Der „Wonnemonat“ Mai hat vermutlich seinen Namen von der griechischrömischen Wachstumsgöttin Maja. Im „Weidemond“ wurde früher das Vieh aus dem Stall auf Wiesen und Almen getrieben. Die Ungenauigkeiten in der Umgangssprache haben dann später aus diesem „Winni-“ oder „Wunnimond“ großzügig den bekannten „Wonnemonat“ entstehen lassen. Unter diesem Namen wurde der Mai der Monat der Liebe und der Liebenden. So wurde er auch zum „Hochzeitsmond“. Frommen Christen gilt der Mai als „Marienmonat“ und Gärtnern als „Blumenmonat“.
Juno, die römische Göttin der Jugend, gab dem Juni ihren Namen. Ihr, der Gemahlin des Göttervaters Jupiter, war er geweiht. Sie wurde nicht nur als Beschützerin der Ehe und der Hochzeit angesehen, sondern auch als Beistand während der Geburt. Der Juni heißt volkstümlich auch „Rosenmond“, beginnt doch um die Monatsmitte die „Königin der Blumen“ zu blühen. „Johannismond“ heißt er, weil um „Johanni“ (24. Juni) die Tage am längsten sind. Der altdeutsche Namen aber war „Brachert“ oder „Brachmond“. In der alten Dreifelderwirtschaft unserer Vorfahren wurde im Juni mit der Bearbeitung des dritten, brach und ungenutzt liegenden Feldes begonnen.
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