• Jahrgang 1942
• geboren in Lodz / Polen
• Fahrlehrerin
• lebt in Egenhausen / Schwarzwald
• seit 1990 schriftstellerisch tätig
• Mitautorin der Anthologie „Der Club der Schwarzen Mamba“
• Märchenbuch „Merit und Merinda“ Bd. 1 (Sturm Lothar)
• Märchenbuch „Himmelblaus Traumzeit“ Bd. 2
• Gedichte und mehr „Der Nachtkrabb kommt“
Gertrud Wollschläger
MAI SCHNEE
Tat ohne Sühne
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.deabrufbar.
Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Covergestaltung Elyssia-Sofie Dürr, lissyduerr@hotmail.de
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH
www.engelsdorfer-verlag.de
Gegen das Vergessen:
Zur Erinnerung an ein Kind,
das nicht weiterleben durfte.
Cover
Titel Gertrud Wollschläger MAI SCHNEE Tat ohne Sühne
Impressum Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. Copyright (2018) Engelsdorfer Verlag Leipzig Alle Rechte beim Autor Covergestaltung Elyssia-Sofie Dürr, lissyduerr@hotmail.de E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH www.engelsdorfer-verlag.de
Vorwort
Der Geißenschinder
Mai-Schnee
Hausschatten
Saure Kirschen
Heimkehr
Der Oberhof-Bauer
Die alte Kommissarin
Kommissar a.D. Dietrich Gleiser
Besuch bei der Kommissarin
Zugezogene – zwar gelitten, aber nie akzeptiert
Die Familie Trott
Ewald
Heiner
Wieder bei der Kommissarin
Die Spur
Eine Burg für Schneewittchen
Ein Sarg für Schneewittchen
Letzter Besuch bei der Kommissarin
Der lange Weg zur Wahrheit
Kommissar a.D. Martin Merkle
Tod eines „Wachtl“
Barbara
Danksagung
Wenn bittere Vergangenheit der Zukunft im Wege steht, nimmt die Seele Schaden!
Ein Parasit hatte sich in meine Gedanken eingenistet. 1972 war das, vor ziemlich genau 42 Jahren. Lange Zeit konnte ich gut mit ihm leben. Er war sozusagen zwar da, aber nicht wirklich mein Problem. Er meldete sich vor allem dann, wenn ich in die Gegend meiner Kindheit fuhr, um Verwandte und Freunde zu besuchen. Wenn ich nachfragte: Haben sie den Täter? Wenn ich ihre unglaubliche Wut erleben musste, die sie auf den Mörder des Mädchens hatten.
Genaueres wussten sie nicht. Es gab viele Gerüchte. Das hartnäckigste und übelste – bis auf den heutigen Tag – wurde immer in gleicher Weise erzählt: Ja, man weiß, wer es war. Aber man will nicht, dass es herauskommt. Kann man sich das vorstellen?
Zwölf Jahre alt war sie. Auf dem Heimweg von der Schule war sie. Erstochen wurde sie! Mit vielen Messerstichen.
Die Menschen der Gegend hatten unvorstellbare Ängste. Kinder durften nirgends mehr alleine hingehen. Ab da gab es für meine Nichten und Neffen kein fröhliches Spielen mehr im Wald, kein Milchholen am Abend an der Milchsammelstelle. Man konnte die Kinder nicht mehr alleine in die Schule schicken oder auf den Sportplatz.
Er, der Mörder, war anwesend bei jedem Familientreffen. Abends, statt liebevoller Gute-Nacht-Geschichten, gab es angstvolle Fragen der Kinder und mahnende, warnende Worte der Eltern.
Ermittlungsbeamte der Soko im Mordfall erzählten mir: Der Täter wurde festgenommen. Wir waren uns hundertprozentig sicher – wir haben ihn! Doch der damalige Staatsanwalt, mittlerweile verstorben, ließ ihn laufen! Warum? In den Akten gab es nur vage Angaben für die Kommissare. Noch heute, vier Jahrzehnte danach, ist herauszuhören, wie frustriert sie waren und auch jetzt noch sind, wenn sie über die Geschehnisse von 1972 sprechen.
Der Zufall wollte es, dass mir jetzt, nach 42 Jahren, eine Frau vorgestellt wurde, deren Dorf Schauplatz dieses fürchterlichen Verbrechens war. Und genau jetzt wusste ich: ES IST ZEIT!
Ich merkte sehr schnell, dass der Zufall kein Zufall war. Es gibt Bestimmungen im Leben, die uns zugeteilt werden. Das konnte ich in der Folgezeit erfahren, wie ich es zuvor nie für möglich gehalten hatte. Ich sehe mich als Werkzeug, das eine Geschichte schreiben sollte über ein Kind, das bestialisch ermordet wurde.
Dabei erfuhr ich unglaubliche Hilfe von Menschen, die ich vorher nicht kannte. Ich wurde sozusagen „weitergereicht“ an Zeitzeugen, die es nicht erwarten konnten, mir davon zu berichten, was sie aus dieser Zeit noch wissen.
Ich stellte fest, dass über dem ganzen Fall, den einzelnen Ereignissen, den dunklen Tagen nach dem Geschehen, den Gedanken der Menschen des Dorfes so etwas wie eine dünne Schicht Staub lag. Schon ein leichtes Pusten, sogar der Windhauch eines Wortes, blies den Belag weg und die harte, grausame Wahrheit kam hervor. Und ich kratzte und wischte.
Ich versuchte, ein Brennglas auf die Wahrheit zu richten, um das Dunkle wegzuleuchten. Niemals vorher hätte ich mir vorstellen können, dass ich mit so vielen Brandflecken fertigwerden müsste.
Vieles war nach so langen Jahren zu Asche geworden. Schwarze und graue Asche, die von den Menschen untergegraben oder vom Wind verweht worden war. Doch ich konnte Reste finden. Die versuchte ich zusammenzulegen, um aus diesem Puzzle die Zeit der mörderischen Tat neu erstehen zu lassen.
Ich trug Fakten um Fakten zusammen. Viele Monate. Es ging mir nicht immer gut dabei, aber irgendetwas, eine unglaubliche Kraft, half mir voran.
Für die ermittelnden Kripobeamten hatte der mutmaßliche Täter von Anfang an festgestanden. Ich habe ihn am Ende übernommen. Gegen meine Überzeugung!
Fragen kann ich heute keinen mehr der dringend verdächtigen Menschen. Sie sind alle tot.
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Ich schreibe also eine Geschichte! Wie sie ausgeht, weiß ich heute noch nicht. Es wird meine Geschichte sein, in Anlehnung an die Geschehnisse im Jahre 1972.
Gewisse Ähnlichkeiten meiner Figuren mit noch lebenden oder verstorbenen Personen sind nicht gänzlich zu vermeiden, da der Auslöser für dieses Buch ein reales Verbrechen ist. Doch in weiten Teilen entspringen die Akteure der Handlung meiner schriftstellerischen Fantasie.
Gertrud Wollschläger, 2014
Der Ostwind hatte ganz schön zu tun, bis er es schaffte, oben auf dem Plateau anzukommen. Meist brauchte er mehrere Anläufe, bis er die hohen Tannenspitzen, die den Berg mit seiner topfebenen Fläche von allen Seiten umgaben, überwinden konnte. Hatte er aber die letzte Hürde genommen, blies er an seinen besonderen Windtagen, was das Zeug hielt. Die Wipfel der Bäume tanzten dann mit ihm, brachen aber sein übermütiges Treiben meistens rechtzeitig, bevor er die Hochebene erreichen konnte. Häufig gebärdete er sich gerade in der Nachwinterzeit – Februar, März, April – nochmal wie ein Angeber-Krieger, der einen hohen Berg erstürmen will, dessen Atem dann aber doch nicht ausreicht, um kraftvoll an sein Ziel zu kommen. Genau dieses Windbrechen sorgte dafür, dass der Ostwind immer einige Grade wärmer oben ankam als anderswo. Es war die geschickte geografische Lage des Berges, die das seltene Phänomen hervorbrachte, so dass der andere, der Nordwind, wenn er sich zwischendurch auf die Hochebene traute, stets den Kürzeren zog. Dieser gemäßigte Ostwind war ein gern gesehener Gast bei den Bauern auf dem Berg. Hatten sie es doch ihm zu verdanken, dass auf ihrer Hochebene Kirschen reiften wie sonst kaum noch irgendwo im Land.
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