Abb. 3-1 Mineralisationszeiten der Kronen und Wurzeln im Milchgebiss (Quelle: Cornelia Jungwirth, Katrin Bekes).
Abb. 3-2 Mineralisationszeiten der Kronen und Wurzeln im bleibenden Gebiss (Quelle: Cornelia Jungwirth, Katrin Bekes).
3.4 Störungen in der Amelogenese
Die Phasen der Schmelzbildung richten sich nach den unterschiedlichen Lebenszyklen der Ameloblasten. Dieser genetisch kontrollierte Vorgang ist in seiner Entwicklung empfindlich gegenüber Störungen, wobei die Ameloblasten in ihren verschiedenen Phasen unterschiedlich anfällig und mit verschiedenen Folgen auf die jeweiligen Störungen reagieren.
Wenn sich Schädigungen während der Sekretionsphase ereignen (z. B. genetische Einflüsse, direktes Trauma), wird weniger Matrix abgesondert und das Längenwachstum der Kristalle verhindert. Es kann folglich zu einer Reduktion der Schmelzdicke und somit zu Schmelzhypoplasien kommen. Störungen in der Übergangs- und Reifungsphase können trotz eines normalen Dickenwachstums zu einem pathologisch weicheren oder auch hypomineralisierten Schmelz führen. Dabei sind die Ameloblasten in der Phase der Reifung besonders empfindlich 6.
Daher wird die MIH vermutlich durch Störungen entweder in der Übergangs- oder in der Reifungsphase verursacht. Die daraus resultierenden strukturellen und weiteren Veränderungen im Schmelz werden nachfolgend beschrieben.
Werden Ameloblasten irreversibel zerstört, kommt es zu erhöhten Porositäten und zur Bildung von gelb-braunen Opazitäten. Ein Teil der Ameloblasten scheint sich von dieser Irritation wieder erholen zu können, mit dem Ergebnis, dass die Schmelzoberfläche weniger starke Farbveränderungen aufweist. Diese optisch schwächeren Veränderungen sind cremegelb oder cremeweiß und finden sich vor allem in den inneren Schmelzarealen 7 - 9.
3.5 Hypomineralisierter Schmelz
3.5.1 Mikrostrukturelle Aspekte
Licht- und polarisationsmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass hypomineralisierter Zahnschmelz im Vergleich zu gesundem Schmelz erhöhte Porositäten aufweist (Abb. 3-3 und 3-4), die in einer Größenordnung von 5 bis 25 % liegen 10 - 12. Weiße oder cremefarbene Opazitäten bzw. Läsionen ohne Schmelzeinbruch sind dabei weniger porös als gelb-bräunliche Defekte oder Regionen mit Defekten. Folglich korreliert der Grad der Opazität mit dem der Porosität. Ferner scheinen sich MIH-Läsionen über die gesamte Dicke des Schmelzes zu erstrecken. Sie beginnen an der Schmelz-Dentin-Grenze und enden an der Schmelzoberfläche (Abb. 3-5 und 3-6).
Abb. 3-3 Querschnitt durch eine MIH-Läsion. Die Läsion verläuft durchgängig über den gesamten Zahnschmelz bis zur Dentingrenze (Quelle: Stefan Tangl, Anton Dobsak, Katrin Bekes).
Abb. 3-4 MIH-Läsionsbereich infiltriert mit einem Farbstoffpräparat (Quelle: Hassan Shokoohi, Katrin Bekes).
Abb. 3-5 Vergleich der Schmelzstrukturen eines gesunden Molaren und eines von MIH betroffenen Molaren im Dünnschliff unter dem Lichtmikroskop (Quelle: Stefan Tangl, Anton Dobsak). a) Gesunder Zahnschmelz im Dünnschliff. b) Zahnschmelz mit MIH-Läsion: Es zeigen sich deutliche Unterschiede in der Färbefähigkeit zwischen gesundem und hypomineralisiertem Schmelz, wobei sich Letzterer ähnlich wie Dentin rosa färbt. c) Detailansicht der MIH-Läsion. Erkennbar ist die Durchgängigkeit der Hypomineralisation bis zur Dentingrenze.
Abb. 3-6 Molar mit MIH-Läsion im klinischen Bild, als Dünnschliffpräparat unter dem Lichtmikroskop und in der Mikro-CT-Aufnahme (erste Reihe). Zusätzlich wurden die Hypomineralisationen farblich in der 3-D-Ansicht markiert (zweite und dritte Reihe). Es ist erkennbar, dass die Hypomineralisation über den gesamten Schmelz verläuft. Teilweise findet sich an der Oberfläche eine intakte Schmelzschicht (Quelle: Stefan Tangl, Anton Dobsak, Katrin Bekes).
Gesunder Schmelz zeigt ein geordnetes Prismenbild. Demgegenüber demonstrieren raster- (REM) und transmissionselektronenmikroskopische (TEM) Bilder von MIH-betroffenen Schmelzarealen weniger dichte Prismenstrukturen, einen partiellen Verlust an prismatischen Mustern, lose gepackte Kristalle, weniger ausgeprägte Prismenränder, verbreiterte Grenzen und Hohlräume sowie Lücken zwischen den einzelnen Prismen 7 , 11 , 13 - 18(Abb. 3-7 und 3-8).
Abb. 3-7 REM-Aufnahme eines MIH-Molaren mit einer Opazität an einer scheinbar intakten Schmelzfläche: Es sind Porositäten sichtbar (800-fache Vergrößerung) (Quelle: Hassan Shokoohi, Katrin Bekes).
Abb. 3-8 REM-Aufnahmen von frakturierten Proben mit Sputterbeschichtung aus Gold. Erkennbar sind desorganisierte Kristalle mit großen Zwischenräumen zwischen den Schmelzprismen (Quelle: Hassan Shokoohi, Katrin Bekes). a) 3000-fache Vergrößerung. b) 6000-fache Vergrößerung.
Das weiter unten beschriebene Mineralisierungsdefizit ist besonders zwischen den Prismengrenzen ausgeprägt, die stark vergrößert sind und deshalb die Prismen auch nicht mehr zusammenhalten 19. Darüber hinaus weist geätzter MIH-Schmelz ein abnormes Ätzmuster auf 7 , 10(Abb. 3-9). Die Anzahl der Risse und tiefen Poren scheint sich durch Säureätzung zu erhöhen 16.
Abb. 3-9 MIH-betroffener Schmelz nach Ätzung mit 37 % Phosphorsäure. Es zeigt sich kein regelmäßiges Ätzmuster. Lediglich begrenzte Areale mit einer vergrößerten Oberflächenrauigkeit sind erkennbar (Quelle: Hassan Shokoohi, Katrin Bekes). a) 800-fache Vergrößerung. b) 2500-fache Vergrößerung.
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