
Dadurch gerät die Work-Life-Balance ins Schwanken und der erhöhte Arbeitseinsatz nimmt die Freude an der Arbeit. Dadurch verschlechtert sich die Laune und Betroffene werden ihren Mitmenschen, Kollegen und sogar Chefs zynisch gegenüber und wirken unzufrieden. Kritik wird immer häufiger persönlich genommen, einfache Gespräche eskalieren schnell, die Lautstärke ist nicht mehr der Diskussion angemessen.
Perfektionisten, die ihre Aufgaben zu 110% erledigen möchten
Idealisten, die sich unerreichbare Ziele setzen
Personen, die sich stark mit der Arbeit identifizieren
Personen, die sich für unersetzbar halten
Unternehmer, die rund um die Uhr erreichbar sind und sich keine Pause gönnen
Empathische Menschen, die sich zu sehr in ihre Umwelt hineinversetzen (zu ausgeprägtes „Helfer-Syndrom”)
In der Regel sind es Menschen, die ihren persönlichen Wert durch den Beruf definieren. Das können soziale Berufe wie Lehrer, Altenpflege- oder Krankenhauspersonal sein, die sich nicht angemessen entschädigt oder gewertschätzt fühlen. Ebenfalls aber höher Qualifizierte, die sich selbst hohen Druck aussetzen bzw. diesen sich selbst machen. Auch immer mehr junge Unternehmer sind betroffen. Sie haben meist ein starkes Interesse an sich zu arbeiten und sind sehr empfänglich für sogenannte Motivations-Tschakka-alles-ist-möglich-Hypes, welche durch die sozialen Medien und Events weitaus leichter zugänglich sind als noch vor wenigen Jahren. Kaum eine Postkarte kommt heutzutage noch ohne Motivationsspruch aus. Fast jeder arbeitet an seiner eigenen Motivation oder die der anderen, bis man top motiviert ist. Oder tot motiviert.
Per se ist Motivation nichts Schlechtes, doch auch hier macht die Dosis das Gift. Genau wie bei Stress ist die Balance ausschlaggebend. Gefährlich wird es vor allem dann, wenn der Betroffene hohe Ansprüche an sich selbst stellt und zudem sein Partner oder Vorgesetzter psychopathisch oder gar narzisstisch veranlagt ist. Narzissmus beschreibt eine ausgeprägte Form von Selbstverliebtheit oder -bewunderung mit Geltungsdrang. Ein Narzisst zeichnet sich durch übersteigertes Selbstbewusstsein aus, was allerdings immer wieder durch Aufmerksamkeit bestätigt werden muss. Er ist ungeduldig und hat einen mangelnden Willen, andere in die eigenen Entscheidungsfindung einzubinden. In erster Linie sucht er Fans, die ihn bewundern – keine Kollegen. Ein Narzisst ist ein König des ersten Eindrucks und weiß, wie er charmant und charismatisch wirkt.Zuletzt fehlt ihm die Empathie für seine Mitmenschen, auch wenn er sie sich zu einem gewissen Teil antrainieren kann. Er weiß sie zu benutzen, fühlt sie aber nicht, was ihn so gefährlich macht. Stefan Röpke von der Charité in Berlin untersuchte in einer Studie das Gehirn von Narzissten und konnte dabei feststellen, dass ihre Großhirnrinde deutlich dünner ist. Und genau in jener sitzen die Nervenzellen, welche für unser Mitgefühl verantwortlich sind.
Narzissten sind keine Seltenheit in der Geschäftswelt. Wenn diese beiden Extreme der Perfektion und des Narzissmus' aufeinandertreffen, ist ein Burnout vorprogrammiert. Während der eine sich immer mehr verausgabt und beispielsweise aufgrund alter Muster regelmäßig über seine Grenzen geht, muss der andere gar nicht darum bitten und erhält genau das, was er möchte: vollen Einsatz und Bewunderung. Im Falle eines Narzissten weiß jener sogar genau, welche Knöpfe er bei seinem Mitarbeiter oder Partner drücken muss, damit er immer weiterläuft. Man kann sich das bildhaft vorstellen wie der Esel mit der Karotte vor den Augen. Je schneller das Tier läuft, desto mehr hofft es auf die Belohnung, doch in Wahrheit verringert sich der Abstand unter keinen Umständen. Sollte der Fleißige also irgendwann keine Kraft mehr haben der Karotte nachzueifern, so wird er kurzerhand ersetzt und die von ihm erhoffte Belohnung in Form von Anerkennung und Beförderung zerplatzt wie eine Seifenblase. Das schmerzt dem Narzissten kaum, da er sich kurzerhand neue Fans sucht, doch der Burnout-Leidende fällt in ein tiefes Loch.
Ich wollte nicht mehr Teil in diesem Teufelskreislauf sein, in dem man um jeden Preis mit Vollgas fährt. Gleichzeitig wollte ich mich auch nicht in das andere Extrem stürzen und gar nichts mehr tun. Mein Business war mir nach wie vor wichtig, meine Gesundheit und mein Leben allerdings auch wieder. Es musste doch auch ausgeglichen gehen. Ich wollte daher meine Muster erkennen, aufarbeiten und mich entwickeln, um eine langfristige Veränderung bewirken zu können. Doch wie sollte ich vorgehen, um diese Phase der Erschöpfung hinter mir zu lassen und wieder ein Leben in Balance zu führen?
Ich entschied mich im nächsten Schritt für den Klassiker: Doktor Google. Der Allwissende, der immer Rat weiß.
Prompt erschien ein Selbsthilfe-Spruch, der mir zwar nicht neu war, mich allerdings wieder wachrüttelte:
„Ob du denkst, du kannst es, oder du kannst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.” (Henry Ford)
NICHT NUR DU DURCHLEBST DIESE PHASE
Was für mich ein sehr beruhigender Gedanke war, ist die Tatsache, dass es vielen Menschen so ging wie mir. Vielleicht ergeht es dir genauso. Und wenn sie es wieder zurück ins „normale Leben” geschafft haben, dann gelingt dir und mir das auch. Doch zwischenzeitlich war ich mir wirklich nicht sicher, ob es jemals wieder ein „altes Leben” voller Belastbarkeit geben würde. In mir staute sich Ungeduld an, es gibt doch so viel zu erledigen und von irgendetwas muss ich als Selbstständige ja auch leben. In meinem Kopf tanzten die wildesten Gedanken umher, und ich wusste selbst nicht mehr, welchen ich davon ernst nehmen sollte und welchen nicht. Aus diesem Grund begann ich ausführlich Tagebuch zu schreiben. Das ist auch einer der Gründe, wieso ich dieses Buch geschrieben habe.
Wer hatte denn ein Burnout und ist danach wieder auf die Beine gekommen, befragte ich Google. Angezeigt wurde eine Menge an Personen, die du wahrscheinlich auch kennst. Unter anderem wurden mir folgende Interviews und Artikel vorgeschlagen:
FRANK SCHÄTZING, BESTSELLER-AUTOR
In einem Interview des Focus mit Frank Schätzing über dessen frisch veröffentlichtes Buch, erläutert der Bestseller-Autor sein Erlebnis mit dem Burnout:
Focus: „[…] Haben Sie nur gut recherchiert, oder sprechen Sie aus Erfahrung?”
Schätzing: „[…] Die ganze Klaviatur des Selbstzweifels, inklusive Burnout. Es gab Zeiten, da war mir alles zu viel, die ganze Klotzerei hatte nur dazu geführt, dass ich nicht mehr weiter wusste.”
Focus: „Und wie kamen Sie da raus?”
Schätzing: „Wieder durch einen radikalen Schnitt. Seitdem ist mir das Gefühl, dass es in dir einen Abgrund gibt, in dem jemand haust, den du eigentlich nicht unbedingt kennen lernen willst, sehr vertraut. Doch irgendwann im Leben muss man da runter und sich diesem Kerl stellen. Um festzustellen: Der ist ganz harmlos. Das bist nur du.” 4
Auch Sängerin Sarah Connor kennt das Gefühl der unendlichen Erschöpfung. In einem Interview mit dem TV-Sender Vox verrät sie, wie es ihr nach ihrer Reality-Show mit Marc Terenzi wirklich ging: „Im Jahr nach dem Dreh der Serie ging es mir richtig schlecht - mit Burnout. Mir wurde der Himmel zu schwer, wo es mir nach außen hin hätte gut gehen sollen. Aber ich saß damals da und dachte: ‚Jetzt denkt die ganze Welt, ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt, aber warum bin ich dann so traurig? Warum geht es mir so beschissen? Warum bin ich so leer? Warum bin ich so ausgebrannt?”
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