Unsere Fähigkeit oder auch nur die Möglichkeit, zu kommunizieren, hängt zu einem großen Teil davon ab, ob wir selbst dann zu unserem vollkommenen und tiefen Engagement unserem Kind gegenüber stehen, wenn es die Beziehung zu uns in Frage stellt oder auf unsere Vorschläge oder Fragen nicht eingeht.
Um trotz einer Zurückweisung weiterhin empathisch sein zu können, dürfen wir uns nicht durch unsere eigenen verletzten Gefühle an dem Bemühen hindern lassen, uns in den Schmerz hineinzuversetzen, den unsere Kinder in der Situation empfinden. Sie müssen spüren, dass wir ihnen verbunden bleiben, ganz gleich, wie sehr uns ihr Verhalten missfallen mag, und ganz gleich, wie finster die Masken auf uns wirken mögen, die sie aufsetzen. Wenn wir diese achtsame Beharrlichkeit auch in schwierigen Situationen aufrecht erhalten, so nicht aus dem Wunsch heraus, die Macht über unsere Kinder zu behalten, sie zu kontrollieren, zurückzuhalten oder uns aus unserer eigenen Bedürftigkeit heraus an sie zu klammern, sondern aus unserem Bemühen heraus, für sie da zu sein; ihnen zu zeigen, dass sie nicht allein sind, dass wir nicht aus dem Blick verloren haben, wer sie sind und was sie uns bedeuten.
Und hilft es nicht uns allen, wenn wir uns verwirrt und hilflos fühlen, zu spüren, dass die Menschen, die uns am nächsten stehen, immer noch unsere Verbündeten sind, dass sie immer noch tief in unser Inneres zu sehen vermögen und dass sie uns immer noch lieben? Deshalb ist es unsere Aufgabe als Eltern, unsere Beziehung zu unseren Kindern immer wieder neu herzustellen. Dies erfordert Zeit, Aufmerksamkeit und eine wirkliche innere Verpflichtung. Wenn wir ständig abwesend sind – oder zwar körperlich anwesend, aber mit unserer Aufmerksamkeit und unserem Herzen abwesend –, spürt unser Kind wahrscheinlich nicht das Vertrauen und die Nähe, die es braucht, um uns seine Probleme mitteilen zu können.
Kinder verfügen über die wundervolle Fähigkeit, blitzschnell zum Kern eines Problems vorzustoßen. Eine Freundin erzählte uns die folgende Geschichte: Eines Abends brachte sie ihre achtjährige Tochter ins Bett. Das Kind hatte nachts seit einigen Jahren immer wieder große Angst vor Räubern und Kidnappern. Die Mutter saß auf dem Bett des Mädchens und hörte ihm zu. Dabei kämpfte sie innerlich mit dem Wunsch, das Kind zu beruhigen, es davon zu überzeugen, dass es nichts zu befürchten brauche. Doch es war ihr klar, dass es nichts nützen würde, gegen die tiefe immer wiederkehrende Angst der Tochter Argumente vorzubringen.
Stattdessen erzählte sie ihrer Tochter, auch sie habe in ihrem Alter abends oft große Angst gehabt. Das Mädchen schaute die Mutter erstaunt an und sagte: „Wirklich?“ Die Mutter bestätigte dies mit einem Nicken. Daraufhin dachte die Tochter einen Augenblick lang nach und fragte sie dann sehr ernst: „Konntest du es deiner Mami erzählen?“ Die Mutter dachte an ihre Kindheit zurück und antwortete dann: „Nein, das konnte ich nicht.“
Mit ihren acht Jahren wusste die Tochter aus eigener direkter Erfahrung, wie wichtig es ist, einem vertrauten Menschen mitteilen zu können, wie man sich fühlt. Sie wusste, wie wichtig es ist, die Offenheit, das Verständnis und die mitfühlende Teilnahme einer Mutter oder eines Vaters zu spüren. Ihre Ängste wurden nicht als unbedeutend abgetan, und es wurden keine Witze darüber gemacht. Trotz der sehr realen Ängste fühlte sich die kleine Tochter geborgen genug, um der Mutter ihre Gefühle schildern zu können. Sie brauchte sich in ihrer Angst nicht allein zu fühlen.
Als Eltern lernen wir viel über uns selbst, indem wir uns mit Achtsamkeit der Gedanken und Gefühle gewahr werden, die wir empfinden, wenn ein Kind uns etwas Problematisches mitteilt. Wenn es uns gelingt, das Unbehagen zu beobachten, das gewisse Gefühle in uns erzeugen, und wenn wir jeden Impuls registrieren, bestimmte Sorgen oder Ängste zu beschönigen oder sie als unbedeutend abzutun, so kann uns das helfen, unsere automatischen Verhaltensweisen zu verändern und uns unseren Kindern gegenüber mitfühlender und fürsorglicher zu verhalten.
Stattdessen überschütten wir in manchen Augenblicken, in denen es das Beste wäre, einfach nur zuzuhören, empathisch zu sein und unserer Fürsorglichkeit Ausdruck zu geben, unsere Kinder mit unseren eigenen starken Gefühlen und Reaktionen. Schließlich kann es sogar soweit kommen, dass das Kind glaubt, es müsse sich um uns kümmern, statt umgekehrt.
Wenn wir solche Augenblicke, in denen wir wider Willen auf Abwege geraten sind, mit Achtsamkeit betrachten, wird uns vielleicht klar, was da vor sich geht, und wir können innehalten oder unserem Verhalten vielleicht sogar eine andere Richtung geben. Dieses sensible Gewahrsein jedes einzelnen Augenblicks ermöglicht es uns, die Bewegungen unserer Energie zu verfolgen. Es erinnert uns daran, dass wir unsere Unterscheidungsfähigkeit wirklich entwickeln können; bewusst entscheiden können, wann es hilfreich ist, unsere Gefühle mitzuteilen, und wann es unnötig ist oder sogar negative Auswirkungen hat. Wir können durch ein inneres Zuhören lernen, wann es richtig ist, die Initiative zu ergreifen und wann wir die Dinge besser auf sich beruhen lassen; wann Sprechen und wann Schweigen die bessere Wahl ist und wie wir schweigend gegenwärtig sein können, so dass ein anderer Mensch das als empathische Präsenz empfindet und nicht als Ablehnung und Rückzug. Niemand kann uns diese Dinge lehren. Wir müssen sie durch eigene Erfahrung lernen, indem wir auf die Signale und Hinweise achten, die wir erhalten, und auf das Kommen und Gehen unserer eigenen psychischen Zustände.
Die ständige Arbeit am Aufbau und an der Wiederherstellung empathischer Verbindung zu unseren Kindern ist eine wichtige Grundlage für die Achtsamkeit in der Familie. Wenn wir lernen, die Dinge aus der Perspektive eines Kindes zu sehen, so kann uns das helfen, adäquate Entscheidungen zu treffen, und es hilft uns auch, allem, was Augenblick für Augenblick geschieht, im Geiste mitfühlender Präsenz zu begegnen.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.