Ayya Khema
Unsere Umwelt als Spiegel
Der Weg des Buddha zur Selbsterkenntnis
Jhana Verlag im Buddha-Haus
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Wir danken Herrn Kurt Onken für die freundliche Genehmigung, den Vortrag „Ferien vom Ich“, der 1984 in der Schriftenreihe „Bodhi-Blätter“ erschienen ist, abdrucken zu dürfen. Titel der englischen Originalfassung: „Meditating on No-Self“ übersetzt von Herrn Kurt Onken.
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.deabrufbar
Textgrundlage dieses eBooks ist die gedruckte Version des gleichnamigen Titels.
Print-ISBN 978-3-931274-65-8
eBook-ISBN 978-3-931274-67-2
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
Copyright eBook: © Jhana Verlag, Uttenbühl 2018
© der überarbeiteten Neuausgabe by Jhana Verlag, Uttenbühl 2018
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Dies gilt auch für
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Korrektorat: Bärbel Wildgruber
Titelfoto und Umschlag: Bettina Lindenberg
Satz und Layout: Claudia Wildgruber
Druck: Druckerei Steinmeier GmbH & Co. KG, Deiningen
Inhalt
Vorwort
Zwei Möglichkeiten der Spiegelung
Liebende-Güte-Meditation (Reinheit des Herzens)
Ferien vom Ich
Frieden auf Erden
Liebende-Güte-Meditation (Mitgefühl)
Die Welt so sehen, wie sie wirklich ist
Liebende-Güte-Meditation (Geliebtester Mensch)
Glossar
Lebenslauf Ayya Khema
Vorwort
Die in diesem Büchlein enthaltenen Vorträge wurden in Asien und Europa zu verschiedenen Zeiten und vor vollkommen unterschiedlichen Menschen gehalten.
Wir haben sie ausgesucht, weil wir denken, dass sie jedem etwas Nützliches und Hilfreiches vermitteln können.
Des Buddhas Lehre ist pragmatisch, leicht verständlich, alltagsbezogen und zugleich inspirierend und beglückend.
Wenn dieses Büchlein das Herz einiger Menschen erreicht und dort ein Heim findet, so sind wir, die daran gearbeitet haben, glücklich.
Ayya Khema Buddha-Haus im Allgäu August 1991
Zwei Möglichkeiten der Spiegelung
Im Allgemeinen betrachten wir die Welt, wie aus einem Fenster – ein inneres Wesen, das durch unsere Augen hinausschaut und die Welt beobachtet. Und für gewöhnlich empfinden wir mehr als die Hälfte dessen, was wir sehen, als unzufriedenstellend und verurteilen es. Dies ist eine Art und Weise zu leben, die nie wirklich Glück und Frieden bringen kann.
Wenn wir uns nicht einmal bemühen zu erkennen, dass das nicht der Weg zum Glück ist, werden wir immer wieder aus diesem Fenster hinausschauen und sagen, was alles nicht in Ordnung ist, welche Menschen nicht gut sind, was einem nicht passt und was man gern anders hätte. Dann versuchen wir äußerlich irgendetwas zu verändern: neue Partner, neue Lehrer, neue Hobbys, neue Meditation, neue Diät, neuer Wohnort – aber all dies nützt nichts. Es ist ja immer wieder dasselbe Fenster und dieselbe Aussicht. Auf diese Weise kann unser Leben nicht in Ordnung kommen.
Was sich im Außen abspielt, kann man nur wirkungsvoll verwenden, wenn wir die Welt als einen Spiegel benutzen. Schauen wir aus dem Fenster, so vergessen wir uns und sehen nur die Landschaft und beurteilen diese. Wenn wir in einen Spiegel schauen, dann sehen wir uns selbst.
Betrachten wir andere Menschen als unser eigenes Spiegelbild, dann wird uns ganz klar, dass wir in jedem anderen nur das erkennen können, was wir in uns selbst schon gefunden haben. Alles andere ist uns vollkommen verschlossen. Deswegen sagt man: „Nur ein Buddha kann einen Buddha erkennen.“ Wir wüssten ja gar nicht, wer ein Buddha ist, weil wir nicht wissen, wie sich das anfühlt. Daher können wir ganz gut erkennen, wenn wir mit Ärger konfrontiert sind, denn wir wissen genau, wie sich das anfühlt. Auch können wir ganz gut erkennen, wenn ein Mensch vor uns steht, der Emotionen und Reaktionen hat, die uns bekannt sind. Das heißt also, er zeigt uns nichts anderes als das, was wir in uns haben, spielt es uns sozusagen vor, damit wir einmal wirklich erfahren, wie es sich anfühlt, wenn wir dasselbe tun. Nur so ist es möglich, sich das Betrachten der Umwelt zunutze zu machen. Wir wissen dann, dass dieser ärgerliche, unzufriedene, ablehnende, dieser aufgeregte, stolze oder neidische Mensch ja nichts weiter tut, als uns ein kleines Theaterspiel vorzuspielen, in das auch wir ständig verwickelt sind. Nun dürfen wir einmal ein paar Minuten der Zuschauer sein und können eigentlich nur dankbar sein, dass dieser Mensch uns zur Selbsterkenntnis verhilft.
Wird man selbst ärgerlich, dann ist man wieder nur mit der „Fensterschau“ beschäftigt und nutzt das, was um einen herum geschieht nicht als eine Lernsituation. Benutzen wir dieses Leben von morgens bis abends nicht zum Lernen, dann verschwenden wir unsere Zeit. Dabei handelt es sich nicht darum, das zu lernen, was in Büchern steht oder was auf Hochschulen und Universitäten gelehrt wird, sondern darum, unsere eigenen Instinkte und Impulse beherrschen zu lernen, sodass Glück und Frieden in uns einziehen. Der Buddha hat Selbstkontrolle und Selbstdisziplin als die wichtigste Eigenschaft bezeichnet, die wir in uns entwickeln können, um alle anderen guten Eigenschaften in uns hochzubringen.
Wenn wir andere Menschen als Spiegelbild benutzen, dann wird uns sehr schnell klar, dass unsere Reaktionen nur von uns selbst abhängig sind, nicht von jemand anderem. Mit unseren Reaktionen machen wir Karma, dessen Eigentümer wir sind. Was wir als Ursache hervorrufen, werden wir als Wirkung erfahren.
Wir können zum Beispiel jeden Morgen beim Aufwachen versuchen, dankbar zu sein, dass wir wieder einen Tag mit Gesundheit und materiellem Wohlstand vor uns haben, der uns dazu dienen kann, Neues über uns selbst zu erfahren. Anstatt aufzuwachen und zu denken: „Muss ich denn jetzt schon aufstehen und die viele Arbeit verrichten und mich wieder mit diesen unangenehmen Leuten abgeben?“ Unsere Dankbarkeit färbt auf den ganzen Tagesablauf ab. Vor uns liegt ein Tag, der vieles bringen kann. Ob dies gut oder schlecht für uns ist, hängt nur von unseren eigenen Reaktionen, Urteilen und Vorurteilen ab. Diese können aber nicht auf einer fundamentalen Wahrheit beruhen, denn die muss ja erst einmal erkannt werden. In der relativen Wahrheit, in der wir leben, sind wir ständig damit beschäftigt das „Ich“ zu beschützen und dafür zu sorgen, dass es alles bekommt, was es haben will, damit es sich komfortabel und sicher anfühlt.
Auf dieser relativen Ebene bestehen „ich“ und „du“, „ihr“ und „wir“, „gut“ und „schlecht“, „morgen“ und „gestern“, „haben“ und „nichthaben“, „wollen“ und „ablehnen“. Wenn wir jetzt nicht einmal versuchen, etwas anderes zu verstehen und kennenzulernen, tiefer einzudringen in universelle Wahrheiten und Begebenheiten, so werden wir nie das Glück finden, das wir alle suchen. Wir glauben, das Glück sei von äußerlichen Dingen abhängig. Denkt man aber darüber eine Sekunde nach, so wird man sofort erkennen können, dass das absurd sein muss. Was gibt es denn da draußen, das uns tiefes Glück geben könnte? Irgendeinen Menschen? Ist er beständig? Hat er immer dieselben Gefühle, Gedanken und Reaktionen? Oder ändert er sich andauernd? Ist er nicht auch dem Tod unterworfen? Gibt es irgendeine Situation, eine Erfahrung oder etwas, was wir sehen, hören, riechen, schmecken oder denken, das uns vollkommenes Glück geben könnte? Wo ist dies zu finden? Und doch läuft die ganze Welt dem hinterher, wie dem Goldschatz, der am Ende des Regenbogens existieren soll. Läuft man einem Regenbogen hinterher, wird man wohl eines Tages merken, dass man ihn nie erreicht.
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