Wer das als Mann für Frauenkram hält und glaubt, seine Gefühle lieber in sich hineinzufressen zu können, oder beim Sport loszuwerden, läuft Gefahr, von seinem Körper gestoppt zu werden. Wenn ich die ganze Woche unter Hochspannung durch mein Leben renne, geht das auf Kosten meiner psychischen und physischen Gesundheit. Du tust mit dieser Übung also nicht nur deiner Partnerin und deiner Beziehung etwas Gutes, sondern auch ganz egoistisch dir selbst.
04. Chance: Inseln im Alltag
Wäre es nicht schön, wenn deine Partnerschaft für dich im Alltag wie eine Insel wäre, auf der du dich ausruhen und auftanken kannst? Wäre es nicht wunderbar, das Zusammensein mit deiner Liebsten als eine Quelle der Kraft zu erleben, selbst wenn beide einen anspruchsvollen Job haben und das gemeinsame Leben viele Verpflichtungen mit sich bringt?
Viele Paare mutieren im Laufe der Jahre vom Liebespaar zum Arbeitsteam. Das Leben will natürlich Antworten auf Fragen, die es jeden Tag stellt: Wer bringt die Kinder in die Schule? Wie bezahlen wir die nächste größere Anschaffung? Wann fahren wir zur krank gewordenen Schwiegermutter? Wie lösen wir die beruflichen Probleme? In der Verliebtheitsphase waren uns diese Themen nicht so wichtig. Wir hatten die rosarote Brille auf, waren ganz auf den Prinzen oder die Prinzessin konzentriert, wollten uns kennenlernen und haben viel Zeit und Gedanken in die Partnerschaft investiert. Natürlich verändert sich eine Beziehung im Laufe der Zeit, und im Idealfall wird aus der Verliebtheit eine tiefere, ruhigere Form von Liebe.
Doch wenn wir unserer Partnerschaft immer weniger Aufmerksamkeit schenken und sie allmählich für selbstverständlich halten, geht der partnerschaftliche Aspekt manchmal verloren. Dann hängen beide lieber vor dem Fernseher oder dem Computer ab, als sich zu unterhalten oder gar einen ganzen Abend gemeinsam zu verbringen. Wir erwarten voneinander nichts Neues mehr. Dabei entfernen wir uns nicht nur von unserem Partner, sondern letztlich auch von uns selbst.
Was unterscheidet denn eine Partnerschaft von einem Arbeitsteam? Sicher doch die Liebe und Intimität, die unabhängig von irgendwelchen To Do’s die Partner verbindet. Erfahrungen, die sie gemeinsam machen und nicht Aufträge, die abgearbeitet werden. Wie viele Inseln in eurem Alltag habt ihr noch, auf denen ihr euch wirklich als Paar begegnet und auch der Rest der Familie einmal Pause hat?
Neben der Herzzeit, in der ihr euch gegenseitig zuhört, braucht eine Beziehung auch genau diese Inseln, gemeinsame neue, angenehme Erfahrungen, in denen ihr einander entspannt erleben und genießen könnt. Solche Dates halten die Liebe frisch und unterstützen die Verbindung.
Solo-Übung: Inseln im Alltag
Nimm dir ein Blatt Papier, oder verwende unser Arbeitsbuch (siehe Seite 15) und schreibe auf: Wie stellst du dir Inseln im Alltag vor, wo ihr euch als Paar wieder begegnen könnt. Wodurch sollten sich diese Inseln auszeichnen? Was würde euch darin unterstützen, es euch gemeinsam gut gehen zu lassen? Vielleicht gibt es etwas, wozu du deine Partnerin gerne mal einladen würdest. Vielleicht zu einem Spaziergang, ins Kino, zu einem Konzert oder zu einem leckeren Essen. Achte dabei auf das, was deiner Liebsten vermutlich Freude macht. Wann habt ihr das letzte Mal etwas Besonderes gemacht, nur um es gemeinsam zu erleben? Lade deine Liebste zu einem Blind- Dinner ein, organisiere eine Ballonfahrt, ein Picknick im Park, ein Wochenende, eine Bootsfahrt. Was willst du noch am liebsten gemeinsam erleben in deinem Leben? Vielleicht ist auch ein gemeinsamer Abend auf dem Sofa genau das Außergewöhnlich für euch. Schreib deine Ideen auf und setze gleich heute die erste um!
Duo-Übung: Inseln im Alltag
Reserviert euch regelmäßig Zeit für eure Paarbeziehung. Besprecht eure Ideen und legt euch auf einen gemeinsamen Abend in der Woche fest, an dem ihr diese Ideen umsetzt. Natürlich kann immer etwas dazwischen kommen, doch versucht, es mindestens einen Monat lang mal nicht ausfallen zu lassen, um es in euren Alltag zu integrieren. Letztendlich ist es egal, was ihr macht. Es geht darum, euch so zu begegnen, als würdet ihr ein Date mit eurem Geliebten haben.
Christinas Sichtweise:
Wir wissen beide, wie wichtig die gemeinsame Paarzeit ist – und obwohl wir es könnten nehmen wir uns diese Zeit manchmal einfach nicht. Nach einem anstrengenden Tag erwische ich mich immer wieder mal dabei, dass ich lieber auf den Fernseher schaue als auf diesen tollen Mann. Wenn ich das merke, versuche ich, selbstehrlich herauszufinden, was gerade in mir los ist. Manchmal ist es mir einfach gerade zu anstrengend, mich mit Walter auseinanderzusetzen und ich gönne mir die Auszeit vor der Glotze. Das darf auch mal sein, doch ich möchte es nicht zur Gewohnheit werden lassen.
In der Abwägung hilft es mir, mich daran zu erinnern, was ich mir eigentlich wünsche. Ich stelle mir oft vor, ich würde Walter neu begegnen. Wenn ich ihn gestern erst kennen gelernt hätte, würde ich dann heute den Abend alleine auf dem Sofa verbringen wollen? Ich übe bewusst, Walter aus den Schubladen herauszuholen, in die ich ihn natürlich auch immer wieder stecke, und seine vielseitigen Facetten wieder zu bemerken.
Trotz des anspruchsvollen Alltags, den wir beide haben, liebe ich es, mir Dinge auszudenken, mit denen ich ihn begeistern und aus dem Alltagstrott herausholen kann. Manchmal packe ich zum Beispiel die Tasche und lade ihn spontan auf eine Tour mit dem Auto ein, in eine schöne Stadt, oder auf einen besonderen Markt, den ich zuvor ausfindig gemacht habe. Oder ich fahre mit ihm zu einem Autohaus, in dem ich eine Probefahrt mit genau dem Auto organisiert habe, das ihn interessiert. Ich lege ihm kleine Geschenke auf sein Kopfkissen, und besorge gerne Dinge, die er sich wünscht, aber nicht selbst kauft. Spontane Aktionen und Überraschungen, mit denen er nicht rechnet, kleine Geschenke, die er auf seinem Kopfkissen findet, mit Dingen, die er sich zwar immer schon wünscht, aber selbst nicht kauft.
Diese spontanen Aktionen und Überraschungen machen mir selbst so viel Freude und Spaß – es ist, als würde ich mich selbst beschenken. Und obwohl das nie meine Absicht war, gefällt es ihm scheinbar so gut, das auch er immer häufiger inne hält und überlegt, was mir eine Freude machen könnte. Ich bin fest davon überzeugt, dass Dinge, die wir von Herzen tun, mannigfaltig zu uns zurückfließen, innerlich und äußerlich. Gerade gestern kam ich nach einem Seminar nach Hause und fand auf meinem Kopfkissen ein wunderschönes Armband in meinen Farben. Es war kein besonders kostbares Stück, aber allein der Gedanke und die Aufmerksamkeit für meine Lieblingsfarben haben mich sehr berührt.
Wir selbst haben es immer in der Hand, unsere Inseln zu erschaffen, und sie müssen nicht besonders großartig, teuer oder originell sein. Walter kann mir zum Beispiel kaum eine größere Freude machen, als mich mittags damit zu überraschen, dass wir nach Berlin fahren, um dort bei unserem Lieblingsvietnamesen zu essen. Ich weiß, dass er am liebsten von morgens bis nachts arbeiten würde, aber wenn er sich diese zwei Stunden nimmt für uns, ist es wie Urlaub für mich und eine besondere Wertschätzung.
Walters Sichtweise:
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