1 Das Buch richtet sich in erster Linie an Praktizierende in der Pflege. Zielgruppe sind Pflegefachpersonen, die in Bereichen mit häufigen Angehörigenkontakten tätig sind: in der ambulanten Pflege, im Krankenhaus- und Rehabilitationsbereich und in der stationären Langzeitversorgung. Ebenso zur Zielgruppe gehören Mentor*innen 1 1 In diesem Werk wird überwiegend der »Gender-Stern« genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit. und Praxisanleiter*innen in der Pflegeausbildung sowie Pflegende, die bereits im Beratungsbereich tätig sind (Beratungsstellen, Pflegestützpunkte, Case Management etc.). 1 In diesem Werk wird überwiegend der »Gender-Stern« genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.
In diesem Werk wird überwiegend der »Gender-Stern« genutzt, um alle Geschlechter anzusprechen. Wenn bei bestimmten Begriffen, die sich auf Personengruppen beziehen, nur die männliche Form gewählt wurde, so ist dies nicht geschlechtsspezifisch gemeint, sondern geschah ausschließlich aus Gründen der besseren Lesbarkeit.
1 Situation pflegender Angehöriger
Zum besseren Verständnis der Bedarfs- und Problemlagen pflegender Angehöriger soll in diesem ersten Kapitel ein kurzer Einblick in ihre Lebens- und Belastungssituation gegeben werden. Zugleich wird aufgezeigt, in welchen Bereichen Angehörige am dringendsten einer Unterstützung bedürfen.
»Angehörige« und »Familie« – begriffliche Klärung 
Zuvor gilt es noch zu klären, wer nachfolgend gemeint ist, wenn von »Angehörigen« gesprochen wird. In diesem Buch wird nicht generell ein enges Verwandtschaftsverhältnis zwischen einer pflegebedürftigen Person und den Personen, die sich um sie kümmern, vorausgesetzt. Hilfeleistungen erfolgen in zunehmendem Maße auch durch Wahlverwandte, Lebenspartner, Freunde, Nachbarn und andere nahe Bezugspersonen aus dem privaten Umfeld. Demzufolge schließt der Terminus »Angehörige« alle Personen ein, die sich einem pflegebedürftigen Menschen verwandtschaftlich und/oder emotional verbunden fühlen und im Spannungsfeld zwischen Fürsorge und Verpflichtung (Bauernschmidt & Dorschner 2018, S. 307) Hilfe, Pflege und Betreuung leisten. Ebenso ist der Begriff der »Familie« zu betrachten, entsprechend der Definition von Friedemann & Köhlen (2017), nach der die Familie einer bestimmten Person aus all jenen Mitmenschen besteht, mit denen sich die Person verbunden fühlt und Kontakt pflegt. Auch hier ist nicht unbedingt die unmittelbare verwandtschaftliche Beziehung ausschlaggebend für das Zusammengehörigkeitsgefühl von mehreren Personen als Familie.
1.1 Pflege in der Familie
Pflegebedürftige Menschen in Deutschland 
In Deutschland gelten 4,1 Millionen Menschen als pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (Statistisches Bundesamt 2020). Seit 1999 hat sich ihre Zahl verdoppelt. Diese Entwicklung ist zum einen der demografischen Entwicklung, zum anderen aber auch der vor einigen Jahren erfolgten Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs geschuldet. Die zunehmende Alterung unserer Gesellschaft wird mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass sich die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren weiter erhöht. Der weitaus größte Teil von ihnen sind ältere Menschen: 80 % von ihnen sind 65 Jahre und älter, 34 % sind 85 Jahre und älter. Bei der Gruppe der 85- bis unter 90-jährigen sind 49 % pflegebedürftig (ebd.). Daran wird sichtbar, dass mit zunehmendem Alter das Risiko, pflegebedürftig zu werden, steigt.
Pflege zu Hause und im Heim 
Mehr als 3,3 Millionen der als pflegebedürftig anerkannten Menschen (80 %) werden zu Hause versorgt; ca. 818.000 Pflegebedürftige (20 %) leben in Heimen (ebd.). Von den häuslich versorgten Personen erhalten wiederum ca. 2,2 Millionen ausschließlich Pflegegeld, d. h. sie werden in der Regel allein durch Angehörige oder sonstige Pflegepersonen versorgt und betreut. Knapp 983.000 Pflegebedürftige werden durch ambulante Pflegedienste unterstützt, aber auch hier ist es in vielen Fällen die Familie, die den Großteil der Versorgung leistet.
Hervorgerufen wird die Pflegebedürftigkeit oftmals durch chronisch-degenerative Erkrankungen; viele der Betroffenen sind mehrfach erkrankt (Multimorbidität). Langjährige Krankheitsverläufe sind keine Seltenheit, mit entsprechenden Konsequenzen für die Versorgungsgestaltung und das Leben der gesamten Familie (Schaeffer 2006). Der Hilfebedarf gestaltet sich häufig sehr umfangreich und umfasst die Hilfe bei der Haushaltsführung, körperbezogene Unterstützung und spezielle pflegerische Maßnahmen, Begleitung zu Arztbesuchen, Ermöglichung sozialer Kontakte, emotionale Unterstützung sowie – im Falle kognitiver Beeinträchtigung – eine mitunter permanente Beaufsichtigung.
Stabilität häuslicher Pflegearrangements 
Die Pflegebereitschaft von Familien zeigt sich seit etlichen Jahren ungebrochen hoch. Betrachtet man
Tab. 1, wird ein Trend zur professionellen Pflege in Pflegeheimen oder durch ambulante Pflegedienste nicht erkennbar:
Tab. 1: Pflegebedürftigkeit und Versorgungsform im Zeitvergleich (Statistisches Bundesamt 2001 und 2020)
19992019
Diese nüchternen Zahlen entkräften das hartnäckige Vorurteil, pflegebedürftige Menschen würden häufig in ein Heim »abgeschoben«. Sie zeigen vielmehr, dass die meisten Pflegebedürftigen so lange wie möglich in der Familie versorgt werden und die häuslichen Pflegearrangements bemerkenswert stabil sind. Inwieweit sie als Beleg für den Erfolg gesundheitspolitischer Maßnahmen im Sinne des Grundsatzes »ambulant vor stationär« gewertet werden können, muss allerdings dahingestellt bleiben, denn es ist weniger das Angebot an ambulanten Dienstleistungsstrukturen, welches den Verbleib pflegebedürftiger Menschen in der häuslichen Umgebung sichert, sondern die beeindruckend hohe Pflegebereitschaft von Familien. Inwieweit diese in Zukunft jedoch aufrechterhalten werden kann, darf angesichts gesellschaftlicher und demografischer Entwicklungen bezweifelt werden.
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