Eine Verankerung edukativer Aktivitäten als Aufgabe der Pflege gelang erstmalig im Jahr 2004 mit der damaligen Neuordnung der Ausbildungsgesetze in der Alten- und Krankenpflege. Auch im Jahr 2020 novellierten Pflegeberufegesetz (PflBG) wird die Beratung, Anleitung und Schulung von zu pflegenden Menschen und ihrem sozialen Netzwerk als eigenverantwortliche Tätigkeit betont.

»(3) Die Ausbildung soll insbesondere dazu befähigen,
1. die folgenden Aufgaben selbstständig auszuführen:
[…]
f) Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen bei der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit sowie bei der Erhaltung und Stärkung der eigenständigen Lebensführung und Alltagskompetenz unter Einbeziehung ihrer sozialen Bezugspersonen,
[…]« (PflBG § 5 Abs. 3, Satz 1 f.; Hervorhebung durch die Verfasserin).
Nähere Erläuterungen hierzu finden sich in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (PflAPrV). Hier wird an verschiedenen Stellen darauf verwiesen, dass in der Ausbildung bzw. im Studium die Kompetenz erworben werden soll, Information, Schulung und Beratung bei Menschen aller Altersgruppen verantwortlich zu organisieren, zu gestalten, zu steuern und zu evaluieren. Auch die Anleitung von Bezugspersonen, die Stärkung der Kompetenz von Angehörigen im Umgang mit pflegebedürftigen Menschen sowie die Unterstützung und Förderung der Familiengesundheit sollen als Kompetenzen erworben werden.
2.2 Pflegeversicherungsgesetz – SGB XI
Aufklärung und Beratung 
Mit Einführung des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI) im Jahr 1995 wurde die Beratung und Schulung von Angehörigen gleich mehrfach verankert. Eine allgemeine Aufklärungspflicht der Pflegekassen über ihre Leistungen sowie die Hilfen anderer Träger werden im § 7 (Aufklärung, Beratung), Absatz 2 festgelegt:

§ 7 SGB XI: Aufklärung, Beratung
» […] Die Pflegekassen haben die Versicherten und ihre Angehörigen und Lebenspartner in den mit der Pflegebedürftigkeit zusammenhängenden Fragen, insbesondere über die Leistungen der Pflegekassen sowie über die Leistungen und Hilfen anderer Träger, in für sie verständlicher Weise zu informieren […]« (§ 7, Abs. 2 SGB XI; Hervorhebung durch die Verfasserin).
Hier wird die Beratung allerdings nicht durch Pflegefachpersonen, sondern überwiegend durch Sozialversicherungsfachangestellte der Pflegekassen geleistet.
Pflegeberatung 
Mit dem 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetz gewinnt die Beratung und Schulung von Angehörigen ein weiteres Mal an Bedeutung. Denn mit dem damals geschaffenen § 7a (Pflegeberatung) ergibt sich seither ein Rechtsanspruch auf eine individuelle Pflegeberatung für jede pflegebedürftige Person durch die Pflegekasse. Pflegebedürftige sollen umfassende Unterstützung bei der Auswahl und Inanspruchnahme notwendiger Hilfe- und Pflegeleistungen erhalten. Auf Wunsch soll ein individueller Versorgungsplan erstellt werden. Die Pflegeberatung erfolgt auch gegenüber Angehörigen.

§ 7a SGB XI: Pflegeberatung
»(1) Personen, die Leistungen nach diesem Buch erhalten, haben Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch einen Pflegeberater oder eine Pflegeberaterin bei der Auswahl und Inanspruchnahme von bundes- oder landesrechtlich vorgesehenen Sozialleistungen sowie sonstigen Hilfsangeboten, die auf die Unterstützung von Menschen mit Pflege-, Versorgungs- oder Betreuungsbedarf ausgerichtet sind (Pflegeberatung) […]. Aufgabe der Pflegeberatung ist es insbesondere,
1. den Hilfebedarf unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst […] systematisch zu erfassen und zu analysieren,
2. einen individuellen Versorgungsplan mit den im Einzelfall erforderlichen Sozialleistungen und gesundheitsfördernden, präventiven, kurativen, rehabilitativen oder sonstigen medizinischen sowie pflegerischen und sozialen Hilfen zu erstellen,
3. auf die für die Durchführung des Versorgungsplans erforderlichen Maßnahmen einschließlich deren Genehmigung durch den jeweiligen Leistungsträger hinzuwirken […],
4. die Durchführung des Versorgungsplans zu überwachen und erforderlichenfalls einer veränderten Bedarfslage anzupassen,
5. bei besonders komplexen Fallgestaltungen den Hilfeprozess auszuwerten und zu dokumentieren sowie
6. über Leistungen zur Entlastung der Pflegepersonen zu informieren.
[…]
(2) Auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Person nach Absatz 1 Satz 1 erfolgt die Pflegeberatung auch gegenüber ihren Angehörigen oder weiteren Personen oder unter deren Einbeziehung. Sie erfolgt auf Wunsch einer anspruchsberechtigten Person nach Absatz 1 Satz 1 in der häuslichen Umgebung oder in der Einrichtung, in der diese Person lebt.«
(§ 7a Abs. 2 SGB XI; Hervorhebung durch die Verfasserin)
Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen 
Die Regelungen des § 37 (Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen) Absatz 3 verpflichten Pflegegeldbezieher zur Inanspruchnahme einer Beratung, die je nach Pflegestufe einmal halbjährlich oder vierteljährlich zu erfolgen hat und bei Nichtbeachtung Sanktionen wie den Entzug des Pflegegeldes zur Folge haben kann. Sinn dieser »Zwangs«-Beratung (
Kap. 10.3) ist die Sicherstellung der Versorgung des Pflegebedürftigen. So heißt es:

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