Zu meinem Erstaunen erfuhr ich, dass bei Tomáš im selben Moment, als er seine Wohnung verlassen wollte, das Telefon geklingelt hatte. Es war Ivan M. Havel, ein prominenter Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und der Bruder des damaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel. Er war außerdem der Leiter einer Gruppe progressiver Wissenschaftler, die während der kommunistischen Ära geheime Untergrundtreffen abgehalten hatten, um verschiedene neue Wege in der westlichen Wissenschaft zu erkunden. Ihr besonderes Interesse galt dem neuen Paradigmendenken, der Bewusstseinsforschung und der transpersonalen Psychologie. Ivan Havel und Tomáš waren Klassenkameraden im Gymnasium gewesen und seither enge Freunde geblieben.
Tomáš war ein häufiger Gast im Haushalt der Havels und kannte auch Ivans Bruder Václav. Die Gruppe von Ivan Havel hatte durch den Vortrag von Vasily V. Nalimov, den sie als Gastdozent nach Prag eingeladen hatte, von meiner Arbeit erfahren. Vasily war ein brillanter russischer Wissenschaftler, Mathematiker und Philosoph; als ehemaliger sowjetischer Regimekritiker hatte er achtzehn Jahre in einem sibirischen Arbeitslager verbracht. Durch einen merkwürdigen Zufall lautete der Titel seines berühmtesten Buches Realms of the Unconscious (NALIMOV 1982), was dem Titel meines ersten Buches Realms of the Human Unconscious (GROF 1975; dt. Topographie des Unbewussten ) sehr nahekommt.
Vasily hatte einen ausführlichen Bericht über meine psychedelischen Forschungen in sein Buch aufgenommen und meine Arbeit in seinem Vortrag für die Prager Gruppe ausführlich besprochen. Nach Vasilys Vortrag wuchs das Interesse der Prager Gruppe, mich als Gastredner einzuladen. Ivan Havel wusste, dass Tomáš und ich alte Freunde waren, und rief ihn an, um sich zu erkundigen, ob er meine Adresse oder Telefonnummer hätte und den Kontakt zwischen der Prager Gruppe und mir vermitteln könnte. Er war verblüfft, als Tomáš ihm sagte, dass ich zufällig gerade in Prag sei und er gerade aus seiner Wohnung gehen wollte, um mich zu besuchen.
Diese höchst unwahrscheinliche Verkettung von gleichzeitigen Ereignissen gab uns das Gefühl, »auf einer mächtigen Welle zu surfen«, anstatt »gegen die Stromschnellen zu paddeln«, so wie es sich in Moskau angefühlt hatte. Diese spektakuläre Reihe von Zufällen vereinfachte meine Rolle als Gesandter für die ITA-Konferenz enorm. Unter ungewohnten Umständen benötigte ich nur zehn Minuten, um den idealen Kontakt und die ideale Unterstützung für unser bevorstehendes Treffen zu finden: eine Gruppe hochkompetenter, mit dem Universitätssystem verbundener Akademiker, die ein lebhaftes Interesse daran hatten, eine hochkarätige Besetzung ausländischer Wissenschaftler, die sie seit Jahren bewunderten, nach Prag zu bringen. Umgekehrt hatte ich auch Zugang zum Präsidenten des Landes gefunden, der zufällig ein erleuchteter und zutiefst spirituell orientierter Mensch war, offen für die transpersonale Perspektive. Angesichts dieser Umstände hatten wir das Gefühl, dass wir eher zur Durchführung der Konferenz berufen wurden, als uns um ihre Organisation bemühen zu müssen.
Die Konferenz fand 1993 im Prager Smetana-Konzertsaal und im Stadthaus unter der Schirmherrschaft von Präsident Václav Havel statt. Präsident Havel war ein idealer Ehrengast für eine ITA-Konferenz. Er war kein gewöhnlicher Politiker, sondern jemand, den man viel passender als »Staatsmann« bezeichnen könnte, ein Staatsoberhaupt mit einer breiten, spirituell geprägten, globalen Vision. Er war ein bekannter Dramatiker, aber er wurde nicht als Ergebnis eines jahrelangen Kampfes um politische Macht zum Präsidenten gewählt. Er nahm die Wahl nur sehr widerstrebend an und reagierte damit auf den dringenden Ruf des tschechischen Volkes, das ihn als mutigen Regimekritiker im kommunistischen Regime verehrte, der viele Jahre in kommunistischer Gefangenschaft verbracht hatte. Als eine seiner ersten Amtshandlungen nach seiner Wahl erkannte er den Dalai Lama als Oberhaupt Tibets an und lud ihn zu einem dreitägigen Staatsbesuch ein. Wo auch immer er hinkam, beeindruckte er seine Zuhörer mit seinem eloquenten Appell für eine spirituell geprägte Demokratie und für globale Solidarität.
Václav Havel(1936–2011), Schriftsteller, Dramatiker, Gegner des kommunistischen Regimes und tschechoslowakischer Präsident.
Die Prager ITA-Konferenz, auf der sich zum ersten Mal östliche und westliche Vertreter der transpersonalen Bewegung treffen und Informationen austauschen konnten, war ein großer Erfolg. Der Höhepunkt des Programms war der Auftritt des Yorùbá-Sängers Babatunde Olatunji mit zehn Trommlern und Tänzern aus Afrika. Nachdem sie für ihre umwerfende Darbietung begeisterte stehende Ovationen erhalten hatten, beschlossen die Künstler, sich nicht hinter den Vorhang zurückzuziehen, sondern weiter durch die Mitte des Saals und durch den vorderen Eingang des Gebäudes hinaus in die Straßen Prags zu tanzen. Gefolgt von einem Großteil des Publikums sangen, trommelten und tanzten sie über die Celetná ulice, eine kleine Straße im historischen Teil von Prag, bis zum Altstädter Ring. Unterwegs schlossen sich ihnen zahlreiche Prager Bürger aus den Nachbarhäusern an, die von dem bacchantischen Spektakel angelockt wurden. Die jubelnde Menge füllte den Platz und tanzte zu den Klängen afrikanischer Trommeln und Lieder bis in die frühen Morgenstunden. Nach vierzig Jahren kommunistischer Unterdrückung, in denen selbst der Twist als inakzeptabler Luxus gegolten hatte, war dieses Fest ein treffendes Symbol für die gerade erst wiedergewonnene Freiheit.
Die Häufigkeit von Synchronizitäten scheint im Umfeld von Ereignissen, die mit transpersonaler Psychologie zu tun haben, zuzunehmen; sie treten bei den Teilnehmern unserer Workshops und Ausbildungen äußerst häufig auf. Die bemerkenswerteste Synchronizität, die ich je erlebt habe, ereignete sich bei meinem ersten Besuch in China. Zu unserer kleinen Gruppe gehörten mehrere Facilitatoren des Holotropen Atmens, mein Bruder Paul mit seiner Partnerin Mary, die Kamerafrau Sally Li, ich selbst sowie Bill Melton und Mei Xu, die die Expedition inspirierten und unterstützten. Der Zweck dieser Reise war es, transpersonale Psychologie und Holotropes Atmen in China bekannt zu machen.
Bevor ich diese Geschichte erzähle, muss ich etwas Wichtiges erwähnen. 1978 gründeten meine Frau x und ich die ITA. Wir verbrachten einige Zeit damit, das beste Logo für diese Organisation auszuwählen, und entschieden uns schließlich für eine stilisierte Darstellung des Gemeinen Perlbootes ( Nautilus pompilius ), eines perfekten Beispiels für die heilige Geometrie. Wir verwendeten dieses Logo über Jahrzehnte hinweg auf den Broschüren aller unserer Konferenzen (bis heute waren es zwanzig), in den Werbematerialien und auf unserem Briefpapier.
Das Perlboot-Logo der International Transpersonal Association.
Unser erster holotroper Atemworkshop fand in Jinan statt, der Geburtsstätte des chinesischen spirituellen Lehrers und Philosophen Konfuzius. Während der Dinnerpause kam eine der Teilnehmerinnen, Frau Meng (was »Traum« bedeutet), mit einer kleinen schönen blauen Samttasche in der Hand zu mir. Sie erzählte mir, dass ihr ihre Urgroßmutter im Traum erschienen sei und ihr gesagt habe, dass sie seit mehreren Generationen einen ganz besonderen Stein in ihrer Familie aufbewahrt hätten und dass sie ihn zu »Dr. Grof« bringen solle. Dann übergab sie mir den Gegenstand. Es handelte sich um ein Fossil eines Perlbootes, einer Meeresweichtierart; aber sie war auf dem Gipfel des Mount Everest gefunden und gesammelt worden. Ich hatte noch nie davon gehört, dass auf dem Gipfel des Mount Everest fossile marine Lebensformen gefunden wurden. Ich beschloss, die geologische Geschichte des Himalayas zu studieren, und fand heraus, dass man das Alter dieser berühmten Gebirgskette auf etwa fünfzig Millionen Jahre schätzte, als die großen tektonischen Platten kollidierten, eine Reihe von Vulkanexplosionen auslösten und den Meeresboden anhoben. Der Gipfel des Mount Everest enthält daher Schichten von unterschiedlicher Herkunft, darunter auch solche, die vom Meeresboden stammen. Das versteinerte Perlboot musste also vor der Entstehung des Himalajas auf dem Meeresboden gelegen haben und war daher mindestens fünfzig Millionen Jahre alt.
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