Die Freimaurerei faszinierte. Sie war ein großes Thema in Literatur, Publizistik und Musik. Wesen, Erscheinung, Symbolik, Brauchtum reizten die Neugier, indes erschloß sich das Geheimnis der Freimaurerei dem Aufgenommenen erst Stufe für Stufe, jedoch nicht jedem, weil er nicht über den Lehrlings- oder Gesellengrad hinaus gelangte oder die Loge ruhte oder erlosch. Der in den Quellen am ehesten genannte Grund, Freimaurer zu werden, war der Wunsch, Mitglied einer Gesellschaft zu werden, die im Glanze königlicher Protektion strahlte und in der er angesehene Männer mit Einfluß kennenlernte. Der Student hoffte in ihr berufliche Förderer zu finden, und fand sie dort auch, der besorgte Vater Aufsicht und Sicherheit für seinen studierenden Sohn zu erhalten, der Emigrant, in der neuen Heimat gesellschaftlich schneller Fuß zu fassen. Der 33-jährige Apotheker Martin Heinrich Klaproth begründete seinen ernsthaften Wunsch zur Aufnahme damit, daß er „von den Vorzügen einer Verbindung mit einer solchen hochachtungswürdigen Gesellschaft nun vollkommen überzeugt“ sei, da er sehe, daß die Glieder dieses Ordens, so viel er davon kenne, „durchgehends wackre Männer sind, die gesunde Denkungsart mit dem besten zur Ausübung wahrer Freundschaft gestimmten Herzen verbinden, so kann es nicht fehlen, daß ich nicht nach dem Glücke, an einer solchen wünschenswerten Gesellschaft teilnehmen zu können, streben sollte. Ich weiß nicht, was für Eigenschaften der Orden von seinen Kandidaten fordert: Lässet selbiger nur Männer von Genie zu, so bescheide ich mich gern, daß ich solches Glücks schwerlich fähig sei; siehet der Orden aber mehr auf Vorzüge des Herzens und auf guten Willen, dann schmeichle ich mir, vielleicht ein nicht ganz unwürdiges Mitglied werden zu können.“
War der Vater Freimaurer, wurde es meist auch der Sohn. Manch eine Familie wies mehrere Freimaurer auf. Die Mitgliedschaft war kein Geheimnis. Verbindungen führten in den Verwandten- und Bekanntenkreis. Eine Logenmitgliedschaft gründete Freundschaften, vielleicht auch Ehen, was aber die Logenquellen kaum nachweisen. Die Heirat war selten eine Liebes-, meist eine Geschäftsangelegenheit. Das Familieninteresse, Vermögen, gesellschaftliches Ansehen, Geschäftsbeziehungen, stand obenan. In der Regel heiratete man unter seinesgleichen, beispielhaft die Apotheker.
Die hier genannten Freimaurer erreichten durchschnittlich ein Alter von 62,1 Jahren, ihre Ehefrauen von 59,6 Jahren. Es entsprach vermutlich etwa dem damaligen Durchschnittsalter für beide Geschlechter von 55-60 Jahren (Kai Lehmann), lag aber erheblich unter dem heutigen (2017/2019 in Deutschland bei Männern 76,6 und bei Frauen 83,4 Jahre). Die Kindersterblichkeit war sehr hoch. Viele Kinder aller Bevölkerungsschichten, ob in der Familie des Königs oder in der armer Menschen, starben in ihren ersten Lebensjahren. Viele junge Mütter starben im Kindbett, auch viele Ehefrauen von Freimaurern. Welches Leid für Frauen, Väter, Kinder! Das Tagebuch des → Grafen Ernst Ahasverus Heinrich v. Lehndorff , eines langjährigen Freundes Prinz Heinrichs, gibt ein erschütterndes Zeugnis. Viele Freimaurer heirateten daher, weil sie eine Mutter für die Kinder und eine Frau für den Haushalt brauchten, ein zweites oder drittes Mal. Vielleicht rührt daher die böse Schwiegermutter der Märchen her?
Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Freimaurerlogen waren im spätfeudal- absolutistischen Preußen ein bedeutender gesellschaftlicher Faktor als soziale und kulturelle, indes nicht als politische Institution. Sie waren keine Aufklärungsgesellschaften an sich, aber ein Kind der Aufklärung. Das Wesen der Freimaurerei war nicht irgendeine politische oder philosophische Richtung, sondern die innere Bildung des Einzelnen zu bürgerlich-aufgeklärter Moral, den bürgerlichen Tugenden. Die Mitglieder trieben außerhalb der Loge aktiv den Aufstieg Preußens und den politischen, wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen, kulturellen Fortschritt voran, wenige stemmtem sich als Reaktionäre gegen den gesellschaftlichen Fortschritt. Sie agierten politisch für und wider die Monarchie, für und wider die Aufklärung. Eine Geschichte Preußens im 18. Jahrhundert ohne die Geschichte der Freimaurerei scheint undenkbar.
Die Hauptartikel sind nach dem Beispiel der Neuen Deutschen Biographie zweigegliedert in Genealogie und Leben .
Die Genealogie ermöglicht es, die an sich isolierte Biografie in den Zusammenhang von Familie, Loge, Gesellschaft und Zeitgeschichte zu stellen. Sie bietet die Lebensdaten des Freimaurers mit Lebensdaten und Beruf (Stand), die Namen der Eltern und Ehepartner, ab und an der Kinder, Großeltern, Schwäger, Onkel, Neffen.
Der Teil Leben , der Lebenslauf des Freimaurers, schildert in gebotener Kürze die familiäre, berufliche und maurerische Laufbahn (Aufnahme, Beförderungen, Funktionen, Logenreden, Ereignisse) sowie besondere Lebensumstände, Erlebnisse, Leistungen, Publikationen. Die Biografien suchen somit die private, öffentliche und gesellschaftliche Sphäre des Freimaurers, damit die Ganzheit seines Lebens, zu zeigen.
Gleiches gilt von den Unterartikeln, wenn auch kürzer und in Stichpunkten.
Die Biografien bauen auf den biografischen Daten der dreiteiligen, im Studienverlag in Innsbruck erschienenen Logengeschichten des Verfassers auf: Die Freimaurer im Alten Preußen. Die Logen in Berlin (2014), Die Logen zwischen mittlerer Oder und Niederrhein (2007) und Die Logen in Pommern, Preußen und Schlesien (2009) sowie den überarbeiteten digitalen Neuauflagen der beiden letzten Teile. Hier findet man auch die archivalischen Quellen und die Literatur.
Biografien A - Z
Adelung, Johann Christoph(8.8.1732 Spantekow/Vorpommern-10.9.1806 Dresden, Grab Innerer Neustädter Friedhof), luth., V Johann Paul Adelung (1703-1759), Pfarrer in Spantekow und Boldekow, M Regina Sophia geb. Löper (1702-1782, V Joachim Löper [1668-1741], Pfarrer in Daberkow/Vorpommern [bis zur Mitte des 18. Jh. Besitz der Familie v. Blücher], M Sophia Juliana geb. Rethe (1681-1738, V Pfarrer), ledig.
Johann Christoph Adelung studierte nach dem Besuch des pietistischen Gymnasiums Kloster Berge bei Magdeburg 1752-1758 in Halle Theologie. Wo und wann er Freimaurer wurde, ist nicht ermittelt. Möglich scheint, daß ihn frühere Mitglieder der 1743 gegründeten Hallenser Loge Aux trois Clefs d'Or (s. Artikel Brukenthal, Samuel Freiherr v. ) aufgenommen haben, obwohl diese 1749 ihre Arbeiten eingestellt hatte und 1753-1755 völlig untätig war. Er war am 11.12.1756 in Halle im Meistergrad einer der Gründer der Loge Philadelphia zu den drei goldenen Armen , die ihn am 12.12.1756 zum Sekretär wählte (bis 12.4.1757). Adelung erhielt 1759 eine Lehrstelle (Professur) am evangelischen Ratsgymnasium in Erfurt, ging 1761 als Bibliothekar nach Gotha, 1762 mit dem Titel herzoglich sachsen-gothaischer Rat, und ließ sich 1763 in Leipzig als freier Schriftsteller und Herausgeber nieder, unter anderen der Leipziger Zeitungen (Redakteur) und des Leipziger Wochenblatts für Kinder , der ersten deutschen Kinderzeitschrift. Er schrieb 1774-1786 in Leipzig sein Hauptwerk, den Versuch eines vollständigen grammatisch-kritischen Wörterbuches der Hochdeutschen Mundart, mit beständiger Vergleichung der übrigen Mundarten, besonders der oberdeutschen , das erste moderne Wörterbuch der deutschen Sprache (5 Bände, bei Bernhard Christoph Breitkopf und Sohn in Leipzig). Mehrere gelehrte Gesellschaften wählten ihn zum Mitglied: 1784 die Deutsche Akademie in Mannheim, 1785 die Deutsche Gesellschaft in Leipzig, eine von Johann Christoph Gottsched geprägte Sprachgesellschaft mit dem Ziel einer von Fremdwörtern gesäuberten und von mundartlichen Färbungen freien überregionalen deutschen Einheitssprache, sowie am 27.9.1787 die Akademie der Wissenschaften zu Berlin zum Auswärtigen Mitglied und 1793 die Deutsche Gesellschaft in Königsberg (s. Artikel Lindner, Johann Gotthelf ). Adelung folgte 1787 einem Ruf von Kurfürst Friedrich August III. (1750-1827) nach Dresen, der ihn zum Oberbibliothekar der kurfürstlichen Bibliothek im Japanischen Palais mit dem Titel Hofrat sowie zum Bibliothekar seiner Privatbibliothek ernannte.
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