Monika Bormeth - Lebensläufe

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Wie fühlt es sich an, Chefin des Oktoberfests zu sein? Wie schafft eine CSU-Politikerin den Spagat zwischen konservativ und modern? Wie gelingt es, Mauern zu überwinden? Was empfindet ein Mensch, der seiner Berufung folgt? Woraus zieht man Kraft, wenn das Schicksal erbarmungslos zuschlägt? Dieses Buch erzählt die Lebensgeschichten von acht Persönlichkeiten mit Bezug zu Niederbayern. Es sind die Geschichten von Gabriele Weishäupl, Fredl Fesl, Gudrun Zollner, Helga Hemala-Fischer, Schwester Avita Bichlmaier, Hanns Meilhamer, Matthias Lisse und Yvonne Holthaus. Sie alle haben Außergewöhnliches erlebt – auf der Bühne, im Beruf, in der Politik und ganz privat. Ihre Lebensgeschichten sind beispielgebend für ein authentisches Dasein. Sie inspirieren, sich selbst treu zu bleiben und eigenen Wegen zu folgen. Es lohnt sich.

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Lebensläufe

Inhalt

HELGA HEMALA-FISCHER Aus dem Herzen muss es kommen Der gelebte Mädchentraum von Helga Hemala-Fischer

GABRIELE WEISHÄUPL Ein Leben für die Wiesn Das ganz persönliche Volksfestglück der Dr. Gabriele Weishäupl

HANNS MEILHAMER

FREDL FESL

MATTHIAS LISSE

SCHWESTER AVITA

YVONNE HOLTHAUS

GUDRUN ZOLLNER

Vorwort

Menschen über Menschen kreuzen unseren Lebensweg. Manche begleiten uns ewig, andere tauchen blitzartig auf und verschwinden wieder in der Masse des Alltäglichen. Und dann gibt es da plötzlich die, die eine Spur hinterlassen. Sie müssen weder mit einem verwandt, verschwägert, befreundet oder persönlich bekannt sein: Manchmal genügt es für mich, den Bruchteil einer Lebensgeschichte zu erfahren und mit einem Mal glüht Faszination in mir auf.

Faszination für Menschen, die sich in meinen Augen vom grauen Einheitsbrei abheben: Weil sie mutig und ohne Zögern auch unsichere Wege zum Ziel in Kauf nehmen, weil sie mit schier unglaublicher Widerstandskraft dem Schicksal trotzen, weil sie es wagen, ihr Glück nicht von den Gedanken anderer abhängig zu machen.

Spätestens wenn mich dieser Eindruck erfasst, dann möchte ich in eine Lebensgeschichte eintauchen. Bei den Menschen, über deren Leben ich in diesem Buch schreibe, war es so. Dabei stand für mich weniger das Handwerk des Porträtierens mit all seinen Regeln aus dem journalistischen Lehrbuch im Vordergrund, wie ich es als hauptberufliche Redakteurin kenne.

Die Geschichten in diesem Buch sind allesamt Lieblingsprojekte und mit viel Zeit, Gesprächen und Herzblut entstanden. Ohne starre Vorgaben oder Gesetze. Der einzige Rahmen, den ich mir gesteckt habe, war ein Bezug der Porträtierten zu meiner Heimat Niederbayern.

Die Geschichten sind ein Kondensat all dessen, was mich selbst ungemein bereichert: Allen voran die Erkenntnis, dass ohne Schattenseiten auch nicht das Licht mit Erfolg, Zufriedenheit und Glück möglich wäre. Die Aura der Unverwundbarkeit, die authentische Menschen ausstrahlen, inspiriert mich immer wieder von Neuem: Leben bedeutet seiner Intuition zu folgen.

Lassen auch Sie sich inspirieren.

Ihre Monika Bormeth

Aus dem Herzen muss es kommen

Der gelebte Mädchentraum von Helga Hemala-Fischer

Der Besuch der alten Dame Die Claire Zachanassian war eine der Paraderollen - фото 1

„Der Besuch der alten Dame“: Die Claire Zachanassian war eine der Paraderollen, in denen Helga Hemala-Fischer in späteren Jahren am Theater an der Rott glänzte.

Es ist nur ein schmaler Papierstreifen, dennoch trägt er eine besondere Botschaft. Das Geschriebene stammt aus Tagebucheinträgen. Die Verfasserin wollte es in handlicher Form immer bei sich haben. In feiner Schreibschrift steht mit Tinte auf weißem Untergrund: „Heute ist der Tag, wo ich endlich den Vertrag in der Hand halte, nun darf ich tanzen, tanzen, TANZEN. Menschen Freude bereiten, das will ich!“ Helga Hemala-Fischer hat diese Sätze am 28. Juli 1956 geschrieben. Damals hat sie ihren ersten Bühnenvertrag bekommen und hatte noch keinen Doppelnamen. Der Mann, dessen Namen sie später dem ihrigen hinzufügte, war aber bereits in ihr Leben getreten. Helga Hemala war gerade einmal 15 Jahre alt und ahnte noch nicht, dass die Liebe zu ihm und zur Bühne jeden ihrer Lebensabschnitte begleiten würde.

„Wo fang ich an? Wo fang ich nur an?“ Helga Hemala-Fischer schüttelt gedankenversunken den Kopf. Soll sie das wirklich machen? Über ihr Leben erzählen? Ist es überhaupt möglich, ein halbwegs vollständiges Bild davon zu zeichnen? Allein auf dem Tisch liegen unzählige Fotos, kleine und große, bunte und schwarz-weiße. Dazu seitenweise Zeitungskritiken, Theaterplakate, Briefe, Aufzeichnungen. Und das ist nur ein Bruchteil. Helga Hemala-Fischer hat über 30 Ordner mit Dokumenten und Briefen aus über 60 Jahren Bühnenleben angelegt. Sie spricht nur wenige Sätze, dann kommt ihr wieder ein Erinnerungsstück in den Sinn, das sie aus einem anderen Zimmer holt. Ihre Schritte sind leichtfüßig. Es wirkt ein bisschen so, als würde sie jeden Moment eine Pirouette vollziehen und zu einem Tanz ansetzen. Helga Hemala-Fischer hat ein Leben für die Bühne gelebt und sie tut es noch.

Sie war Tänzerin, Tanzsoubrette, Schauspielerin, Sängerin, Choreographin, Regisseuse und vieles mehr. Noch heute gibt sie an sechs Tagen die Woche Unterricht an ihrer Ballettschule in Eggenfelden. Als Ehefrau des mittlerweile verstorbenen Adi Fischer, erster Intendant des einzigen landkreiseigenen Theaters in Deutschland, hat Helga Hemala-Fischer das Theater an der Rott wesentlich mitgeprägt. Es war eine Station von vielen in einer Vita, die man als gelebten Mädchentraum beschreiben könnte.

Kindheit: Liedertexte im Schulheft gesammelt

Was Helga Hemala-Fischer über ihre Kindheit erzählt, ist eine Mischung einerseits aus Zuständen, die man sich heute nicht mehr vorstellen könnte, und andererseits bilderbuchähnlichen Schilderungen. Als Helga Hemala kam sie am 29. Oktober 1940 im schlesischen Bielitz zur Welt. Ihre Eltern Eduard Hemala und Margarete Hemala, geborene Pientka, hatten bereits eine dreieinhalbjährige Tochter namens Irmgard. Helga Hemala wurde in den Zweiten Weltkrieg hineingeboren. Harte Zeiten, jedoch: „Ich habe von den widrigen Umständen kaum etwas zu spüren bekommen.“

Helga Hemala wuchs auf mit der musischen Ader der Mutter und deren Leidenschaft fürs Theater und mit einem Vater, der als Kaufmann Wert auf solide Existenzgrundlagen legte, aber seinen Kindern auch Liebe zur Natur vermittelte. Insbesondere Letzteres hatte bleibenden Einfluss. Helga Hemala-Fischer, gefragt nach ihren schönsten Kindheitserinnerungen, schwärmt noch heute als Erstes von den Streifzügen mit dem Vater durch den Wald. Seien es die unbeschwerten Ausflüge ins Grüne gewesen oder die Wanderungen, um das Nötigste für den täglichen Alltag heranzuschaffen: Beeren, Pilze und säckeweise Tannenzapfen, liebevoll „Pockerl“ genannt, zum Heizen im Winter. Das Werden der Natur zu beobachten, hat Helga Hemala-Fischer bereits damals als Geschenk begriffen. Noch heute sieht sie die Bäume in ihrem Garten wie Fabelwesen, lässt sich inspirieren von der Bewegung der Blätter – die in ihren Augen alle tanzen.

Kindheit bedeutete aber auch Flüchtlingstransporte, die Enge von Baracken, die Begrenztheit der Mittel. An Bielitz hat sie nur spärliche Erinnerungen, sieht allerdings noch heute den Lastwagen vor ihrem geistigen Auge, mit dem die Familie aus Schlesien abtransportiert wurde.

Der Vater im Kriegsdienst, die Mutter mitten im Winter mit ihren zwei Töchtern auf der Flucht in eine ungewisse Zukunft. Zwei Koffer als einziges Gepäck. Über Wien führte sie ihr Weg nach Brückl in Kärnten und letztlich Sekirn am Wörthersee, wo die Hemalas schließlich für einige Jahre Heimat fanden.

Für Eduard Hemala, der nach dem Kriegsdienst zurück zu seiner Familie kehrte, stand die berufliche Orientierung an erster Stelle. War er vor dem Krieg in Bielitz Eigentümer einer Kartonagenfabrik und Buchbinderei, wurde er danach als Vertreter für Farben und Lacke zu einem Handelsreisenden.

Die kleine Helga wurde in Sekirns Nachbarort Reifnitz eingeschult. Es begann eine Zeit, in der die vom Vater vermittelte Liebe zur Natur weiter aufblühen konnte. Die Schüler durften ein Beet anlegen und sich eine Pflanze aussuchen. Helga wählte Astern, um die sie sich liebevoll kümmerte. Für den sonntäglichen Besuch der berühmten Kirche Maria Wörth fertigte Mutter Margarete, eine geschickte Hobbynäherin, für ihre Töchter Kleidchen aus weißem Leinen, bestickt mit buntem Kreuzstich.

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