Die Hexenriecher
von
ROMAN RAUSCH
Die Hexenriecher
von
ROMAN RAUSCH
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1. Auflage 2019
© 2019 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
Umschlag: Jens Vogelsang, Aachen
Foto Umschlag: Anneka/shutterstock
Innengestaltung: Crossmediabureau
E-Book-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net
ISBN
978-3-429-05396-3 (Print)
978-3-429-05062-7 (PDF)
978-3-429-06463-1 (ePub)
Ecclesia non sitit sanguinem.
Die Kirche dürstet nicht nach Blut.
Inhalt
Vorwort
Festung Marienberg zu Würzburg, 21. Juni
Erstes Buch: URTHEIL
In Inquisitions Sachen Mariam Renatam Sengerin de Mossau
Des Klosters zu Unterzell Praemonstratenser Ordens professam
Magies aliorumque Delictorum
Allem vor und Anbringen nach
In dreien Constitutis wiederhohlten und freiwillig eingestanden hat
Zwischenruf 1: Der Auftakt zum Hexenprozess
Böse Geister
Hexenriecher
Hexenopfer, die Erste
Hexenopfer, alle Weiteren
Die Anklagepunkte im Einzelnen
Die geistliche Kommission
Hexenhammer
Zwischen den Verhören
Zweiter Verhörtag am 21. Februar
Von veninoischen Freunden
Der neue Fürstbischof
Folgenschwere Entscheidungen
Zweites Buch: GUTACHTEN
Quaestiones a reverendissima
Jein !
Das weltliche Gericht
Der Gegenbericht
Querelle des hommes / Streit unter Männern, Teil
Die Zeugen
Querelle des hommes, Teil
Strafmaß und Art der Hinrichtung
Querelle des hommes, Teil
Das Urteil des weltlichen Gerichts
Drittes Buch: HINRICHTUNG
Der Zweck heiligt die Mittel
Der Kaiser hat brave Soldaten
Die Welt erzürnt sich
Flucht in den Löwenhof
Zwischenruf 2: Oswald Loschert, Ordensfunktionär und weißer Jesuit
Pater Surin, Schloth und Gotha
Marchtal
Weißer Jesuit
Das Böse ist immer und überall
Betrügerische Krankheitsbilder
Hexereikrieg
Schlussbetrachtung
Die Zeit danach
Nachwort
Anmerkungen
Bildnachweis
Vorwort
Festung Marienberg zu Würzburg, 21. Juni 1749
Ruf und Talent des Henkers von Kitzingen müssen anno 1749 hervorragend gewesen sein. Nicht der Konkurrent aus Würzburg erhielt den Auftrag, eine in der Bischofsstadt verurteilte Hexe mit dem Schwert zu richten, sondern er, der Auswärtige.
Laut Augenzeugenbericht hat er mit ausnehmender Kunstfertigkeit den Kopf der adeligen Ordensschwester Maria Renata Singer von Mossau abgeschlagen. Die Umstehenden jubelten vor Begeisterung.
Zur Predigt eines Jesuitenpaters wurde ihr Körper im angrenzenden Hexenbruch den Flammen übergeben und der Kopf zur allgemeinen Erbauung, aber auch zur Abschreckung auf einen Spieß gesteckt. Das Spektakel fand das Interesse einer unerwartet großen Menschenmenge – von Tausenden ist die Rede, was in Anbetracht der 15.000 Einwohner von Würzburg zu jener Zeit beträchtlich ist.
Am Himmel über dem Hexenbruch kreiste derweil ein Geier, ein Teufelstier, dessen Erscheinen auch den letzten Zweifler überzeugte, dass man mit der Hinrichtung der Hexe Recht getan hatte. Ohnehin hatte sie alle gegen sie erhobenen Vorwürfe auf Hexerei und Zauberei freiwillig gestanden und war durch ein ordentliches Gerichtsverfahren ihrer gerechten Strafe zugeführt worden …
Das Bild vom aufgespießten Kopf der Hexe und dem Geier zieht sich seitdem durch die Schilderungen jenes jungen Junitags, als die letzte fränkische Hexe verurteilt und vor den Toren Würzburgs hingerichtet wurde.
Abbildung 1: Hexenbruch zu Höchberg/Würzburg
Doch das ist nur ein Teil der Geschichte, der Legendenbildung. Der andere Teil ist kaum bekannt, von ihm soll hier die Rede sein.
Als der Kopf Maria Renatas am 21. Juni 1749 zu Boden fiel, löste er ein reichsweites, nicht für möglich gehaltenes Erdbeben der Entrüstung aus. Bis nach Wien und Rom drangen die Schockwellen. Von Kaiserin Maria Theresia heißt es, sie habe sich über den rohen, unrechtmäßigen Gewaltakt erschüttert gezeigt, vom Heiligen Stuhl soll es Proteste und Drohungen gehagelt haben.
Ein erbittert geführter Streit unter den Gelehrten aus dem In- und Ausland setzte daraufhin ein, er brachte den Fürstbischof von Würzburg, Carl Philipp von Greiffenclau, und den Abt von Kloster Oberzell, Oswald Loschert, in höchste Erklärungsnot. Als Hexereikrieg ging er in die Geschichtsschreibung ein.
Wie konnte es überhaupt dazu kommen, dass die verdiente Subpriorin des Frauenkonvents der Prämonstratenserinnen in Unterzell in Hexereiverdacht geriet? Über viele Jahre hatte sie ein unauffälliges, nahezu mustergültiges Leben in der Verwaltung und Führung des Klosters geführt, galt als gewissenhaft und streng in der Erziehung der Novizinnen und stand obendrein unter dem Schutz ihrer einflussreichen Ordensbrüder in Oberzell.
Anhand dreier Schlüsseldokumente – das Urteil der geistlichen Kommission, das Gutachten der theologischen Fakultät der Universität Würzburg und der Augenzeugenbericht eines Unbekannten von der Hinrichtung – werden die damaligen Ereignisse aufgegriffen und einer kritischen Spurensuche unterzogen. Sie sollen ein klareres Bild von Anklage, Prozess und Verurteilung der Maria Renata zeichnen als die durch Legenden und falschen Berichten überlieferten Versionen.
Aufgrund des verheerenden Bombenangriffs auf Würzburg im Zweiten Weltkrieg sind viele Originaldokumente zerstört oder verloren gegangen, sodass eine vollkommene Rekonstruktion des Falles und seiner Beteiligten nicht mehr möglich ist. Die erhaltenen Prozessakten lagern im Staatsarchiv Würzburg, sie sind umfangreich und werfen ein wenig schmeichelhaftes Licht auf diejenigen Personen, die hier als Hexenriecher 1bezeichnet werden. Dabei geht es nicht um deren nachträgliche Schmähung, sondern um die Charakterisierung ihres Denkens und Handelns.
Die nachfolgende Schilderung bezieht sich im Wesentlichen auf die Arbeiten von zwei Autoren und deren transkribierten Fassungen der Prozessunterlagen, zu einem kleinen Teil auf eigene Recherchen im Staatsarchiv Würzburg und bei Historikern, die zum Thema geforscht und veröffentlicht haben.
Bei den beiden Grundlagenwerken über den Prozess gegen Maria Renata Singer handelt es sich um:
Das verhexte Kloster von Anton Memminger (Ausgabe 1904) und der bisher noch unveröffentlichten Magisterarbeit von Claudia Sussman-Hanf Der Hexenprozess gegen Maria Renata Singer von Mossau in Würzburg (Universität Würzburg, 1990). Mitunter wird namentlich auf den jeweiligen Autor hingewiesen, wenn es sich um Informationen handelt, die nur bei einem Autor zu finden sind, oder wenn sich Erkenntnisse nicht mehr überprüfen lassen.
Wer sich auf die Logik und die Vorstellungswelten der Menschen im 18. Jahrhundert einlässt, wird an den Vorgängen in den Klöstern Unterzell (bei Würzburg) und Ilbenstadt (Niddatal, Hessen) als auch in der Universitäts- und Bischofsstadt vorerst nicht viel auszusetzen haben. Es war eine Zeit, die noch dem Teufelsglauben verhaftet schien und die sich aus unserer heutigen, aufgeklärten Sicht nur schwer beurteilen lässt.
Angesichts der großen (geistes-)wissenschaftlichen Leistungen jener Zeit und den gesellschaftspolitischen Entwicklungen im In- und Ausland stellt sich hin und wieder doch die Frage, ob selbst hochgebildete Geistliche, Doktoren, Professoren und Rektoren von Universitäten beim eigentlich anachronistischen Thema Hexerei ihres Verstandes verlustig gegangen sind, da sie nicht das Offensichtlichste erkannt haben (wollen). Es ist, als hätte der Teufelsglaube alles Wissen – gerade von den furchtbaren Hexenverfolgungen in Franken zwischen 1590 und 1631 – und Zweifel an der Wahrhaftigkeit der gegen Maria Renata erhobenen Vorwürfe ausgelöscht.
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