Vorbild und Vorurteil
Der Verlag Hier und Jetzt wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2016–2020 unterstützt.
Dieses Buch ist nach den aktuellen Rechtschreibregeln verfasst. Quellenzitate werden jedoch in originaler Schreibweise wiedergegeben. Hinzufügungen sind in [eckigen Klammern] eingeschlossen, Auslassungen mit […] gekennzeichnet.
Umschlagbild: Bettina Schelker, fotografiert von Matthias Willi
Porträtfotografie: Lilian Salathé Studler, Bern
Lektorat: Stephanie Mohler, Hier und Jetzt
Gestaltung und Satz: Simone Farner, Naima Schalcher, Zürich
ISBN Druckausgabe 978-3-03919-502-2
ISBN E-Book 978-3-03919-962-4
E-Book-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
© 2020 Hier und Jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden, Schweiz
www.hierundjetzt.ch
Auftakt von Sarah Akanji
Vorwort der Autorinnen
Über lesbische Heldinnen im Spitzensport, Marianne Meier
Katharina Sutter, Bob
Lara Dickenmann, Fussball
Christa Wittwer, Speerwurf
Sabina Hafner, Bob
Rosmarie Oldani, Handball
Tyna Fritschy, OL
Nathalie Schneitter, MTB Cross-Country
Monika Bühlmann, Turniertanz
Martina Aeschlimann, Ski Alpin
Evelyne Tschopp, Judo
Tatjana Haenni, Fussball
Eveline Lehner, Kickboxen
Emilie Siegenthaler, MTB Downhill
Maja Neuenschwander, Marathon
Ruth Meyer, Volleyball
Nora Häuptle, Fussball
Jasmin Hauck / Cecilia Wretemark, Tanz
Jacqueline Blatter, Handball
Ramona Bachmann, Fussball
Marianne Rossi, Triathlon
Barbara Ganz, Radsport
Tanya Ertürk, Unihockey
Renata Bucher, Cross-Triathlon
Bettina Schelker, Boxen
Isabel Jud/ Simona Meiler/ Carla Somaini, Snowboard
Nachwort von Patricia Purtschert
Autorinnen und Fotografin
Abbildungsverzeichnis
Dank
Sarah Akanji
Fussball sei ein Männersport, wurde mir als Kind immer gesagt. Obwohl sich mir nie ganz erschlossen hat, was den Sport «männlich» macht. Ich wusste schon damals, dass ich auf dem Fussballplatz unerwünscht war. Als eines der wenigen Fussball spielenden Mädchen kam ich früh mit Ausgrenzung und Diskriminierung in Kontakt. Man(n) habe keinen Platz für Mädchen und Frauen, die Fussball spielen wollen, hiess es. Für mehrere Hundert Jungs und Männer hingegen schienen die Fussballklubs keinen Aufwand zu scheuen.
Ich spielte jedoch zu gut, als dass man mich bei den Jungs hätte auf der Bank sitzen lassen können. Dies bekam ich mit harten Fouls zu spüren. Und für das später gegründete Juniorinnenteam spielte ich zu aggressiv. Ich passte in keine Kategorie. Das verunsicherte mich, und ich versuchte, so unauffällig wie möglich zu sein, was mir nicht gelang. Denn ich wollte ja nur den Sport ausüben, den ich so liebte.
Meine Vorbilder waren allesamt männlich: Zidane, Henry, Beckham. Thierry Henry und das französische Nationalteam begeisterten mich besonders, da in dieser Mannschaft Menschen mit unterschiedlicher Hautfarbe miteinander spielten, funktionierten und brillierten, was damals eine Seltenheit war. Die Diversität dieses Teams ermutigte mich im Glauben, dass der Fussball für alle da sei, egal, welche Hautfarbe oder welches Geschlecht. Erst viel später hatte ich mein erstes weibliches Sportidol: Marta. Ich wusste vorher von keiner Frau, die professionell Fussball spielte. Und ich wusste damals auch nicht, dass sie lesbisch ist.
Dass das Vorbildsein eine wichtige Aufgabe ist, hat mir einmal ein Mädchen gezeigt. Sie sagte mir, dass sie sich durch mein Auftreten stärker fühle und mehr an sich glaube. Wie nur kann eine Gesellschaft auf weibliche Vorbilder verzichten? Und wie kann man erwarten, dass der Frauensport ohne finanzielle Unterstützung populärer wird? Wenn sich die Strukturen in den Sportklubs nicht ändern, also wenn dem Frauensport nicht genügend Mittel zugesprochen werden, können die Sportlerinnen auch nicht besser und somit auch nicht bekannter werden.
Während im Männerfussball an veralteten Mustern und starren Idealen festgehalten wird, ist der Frauenfussball vorwärtsgewandt. Sexismus und Homophobie scheinen innerhalb des Frauenfussballs abwesend. Das Vorurteil, dass die Mehrheit der Fussballerinnen lesbisch sei, hat sich zu einer Stärke entwickelt: Die Toleranz und Offenheit gegenüber unterschiedlichen Sexualitäten führen zu Gemeinschaft, Kraft und Zusammenhalt innerhalb unseres Sports. Mit der wachsenden Popularität kann der Frauenfussball zu einem Motor für die Weiterentwicklung unserer Gesellschaft werden. Erfolgreiche, sichtbare, lesbische Sportlerinnen aus allen Sportarten spielen hier eine entscheidende Rolle – sie sind Pionierinnen und können gesellschaftlich etwas bewegen. Sie brechen mit starren Rollenbildern für Frauen und Männer, lassen uns die Heteronormativität hinterfragen und sind neben Vorbildern auch Quelle der Inspiration.
Sarah Akanji (*1993) spielte in der höchsten Schweizer Fussballliga und ist Spielerin und Mitbegründerin des ersten Frauenteams des FC Winterthur. Sie politisiert seit 2019 im Zürcher Kantonsrat.
Mehr Vorbilder, weniger Vorurteile
Die Autorinnen
Sind alle Fussballerinnen lesbisch? Nein, natürlich nicht. Es ist nur eines von tausend Vorurteilen. Aber was ist schlimm oder besonders daran, wenn eine Fussballerin Frauen liebt? Lesbische Spitzenathletinnen gibt es in allen Sportarten; auch dort, wo sie niemand vermutet. Doch ganz so selbstverständlich, wie man meinen könnte, ist diese Tatsache nach wie vor nicht. Dazu kommt, dass der jeweilige Umgang mit Homosexualität je nach Sport, aber auch Alter und Elternhaus der Frauen unterschiedlich ist. Das hat uns interessiert. Zu fünft haben wir uns auf Spurensuche begeben.
Unser erstes gemeinsames Treffen als Autorinnenquintett fand Anfang 2017 im Bahnhofbuffet Olten statt. Einige kannten sich bereits, andere lernten sich erst dort kennen. Doch die Idee, gemeinsam ein Buch über lesbische Vorbilder im Spitzensport zu schreiben, verband uns rasch. Aus einem Flämmchen wurde ein Feuer. Aus unserer Leidenschaft ein Projekt. Und wir wuchsen schnell zu einem Team zusammen.
Zu Beginn mussten wir die Sportlerinnen erst finden. Unsere grossen Netzwerke waren dabei sehr hilfreich. Aber nicht selten kam es zu diffizilen Anfragen per Mail oder Telefon, bei denen wir mit viel Fingerspitzengefühl erfragen mussten, ob das Gegenüber überhaupt der Zielgruppe angehört. Durch die Suche sind wir auf viele weitere spannende Athletinnen gestossen, sodass wir mehrere Bücher mit ihren Geschichten hätten füllen können.
Wir sind eine Gruppe von Journalistinnen, Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen, jede mit ergänzenden und unterschiedlichen Fähigkeiten. Gemeinsam arbeiteten wir an der Entstehung dieses Buches und waren oft übermütig, manchmal stark gefordert, meistens effizient und zwischendurch übermüdet. Wenn eine nicht mehr konnte, halfen die anderen aus. Jede konnte ihre individuellen Stärken einbringen und hat somit zu einer konstruktiven Arbeitsatmosphäre beigetragen. In unseren Sitzungen diskutierten wir intensiv über Inhalte. Gleichzeitig lachten wir viel und lernten uns auch persönlich immer besser kennen. Es entstanden Freundschaften.
Wir alle haben einen sportlichen Hintergrund. Uns allen haben weibliche Vorbilder im Sport gefehlt – auch lesbische Vorbilder. Mit diesem Porträtbuch soll es für kommende Generationen anders sein. Doch nicht nur junge Sportlerinnen sprechen wir mit diesem Projekt an, sondern alle, die sich für mehr als nur Normbiografien interessieren. Nur wenn lesbische Frauen im Sport wahrgenommen werden, können sie zu Vorbildern werden. Wenn dieses Buch nur schon einer Person Mut macht oder jemanden sensibilisiert, dann haben wir unser Ziel erreicht.
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