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Duct Tape – das silbergraue, wasserfeste Universalklebeband war jahrelang so etwas wie meine Lebensversicherung als Bobfahrerin. Es gehörte zu meiner Grundausrüstung. Damit ersetzte ich notfallmässig kaputte Reissverschlüsse und gerissene Schuhbändel. Mit dem Duct Tape klebten wir aber auch unsere Bobs zusammen. Denn oft fuhren wir mit den alten Schlitten der Männer, mit denen sie keine Rennen mehr bestreiten wollten. Das war zu Beginn der 1990er-Jahre. Frauenbob hatte zu dieser Zeit keine grosse Bedeutung. Wir waren Sportlerinnen zweiter Klasse und wurden von manchen Männern belächelt. Als Pionierinnen kämpften wir deswegen nicht nur um Medaillen und Titel, sondern auch für Anerkennung und Akzeptanz. Rückblickend mit Erfolg.
Im November 1992 sass ich das erste Mal in einem Bob. Das war im deutschen Winterberg während einer Trainingswoche. Die Frauenbobszene war damals klein und familiär. Am Start waren nur etwa acht Schlitten aus fünf verschiedenen Nationen. Alle unterstützten einander mit Wissen und halfen sich gegenseitig mit Werkzeugen aus. In den Anfangsjahren war Frauenbob amateurhaft und hatte nichts mit dem Spitzensportbetrieb der Männer gemein. Es gab für uns Frauen auch keinen Weltcup. Unsere Rennserie mit zwei bis vier Doppelrennen pro Saison hiess «Ladies Cup» und wurde von einzelnen Personen aus Goodwill organisiert. Nebst Pokalen gab es Naturalpreise wie Haushaltsgeräte oder Waschmittel. Der Verband interessierte sich nicht wirklich für uns. Aussagen wie «Bob ist nichts für Frauen» oder «Weiberbob» waren nicht selten zu hören. Trotz anfänglich schwieriger Rahmenbedingungen bin ich 15 Jahre lang auf oberstem Niveau Bob gefahren. In dieser Zeit habe ich vieles erlebt: Einzigartiges, Grossartiges, Aufwühlendes und Schwieriges. Auf alle Fälle war es aber die beste Lebensschule für mich.
Ich erinnere mich gut an ein Rennen in Calgary in der Saison 1993/94. Meine Pilotin Caroline Burdet und ich flogen mit einem Billigflug nach Kanada. Den Bob nahmen wir nicht mit. Dafür fehlte uns das Geld. Im Handgepäck hatten wir aber die eigenen Kufen. Rückblickend unvorstellbar. Heute wird der ganze Bob in eine Aluminiumbox verpackt und verfrachtet. Wir waren damals froh, hatten wir wenigstens unsere eigenen Kufen mit dabei. Vor Ort mieteten wir einen gebrauchten Männerschlitten. Der war zwar robust, aber etwas beschädigt. Mit Duct Tape flickten wir ihn und verbesserten die Fiberglass-Aerodynamik mit mehreren Rollen Klebeband. Es wundert mich nicht, dass es im Frauenbob zahlreiche Stürze gab, mehr als bei den Männern. Einerseits hatten wir schlechteres Material, andererseits wurden wir nicht professionell betreut. Oft waren wir auf uns alleine gestellt. Niemand sagte den Pilotinnen, wie sie die Kurven optimal fahren sollen. Nur manchmal hatten wir einen Trainer dabei, doch rückblickend muss ich sagen: Es waren nicht die Besten. Oft waren es diejenigen, die es bei den Männern nicht geschafft hatten.
Ich stürzte selten. Das hat damit zu tun, dass ich viele Jahre zu den besten Anschieberinnen der Schweiz gehörte. Ich durfte meine Pilotinnen auswählen und wählte logischerweise immer die talentiertesten. Dennoch hatte ich einmal einen schlimmen Sturz. Es geschah im selben Jahr 1993/94 in Calgary. Während der Fahrt im Eiskanal mit etwa 120 km/h klemmte auf einmal der Steuerkopf, und die Pilotin konnte den Schlitten nicht mehr steuern. Wir stürzten und donnerten ungebremst von der einen in die andere Kurve. Seitlich rutschte der Schlitten dann ins Ziel. Caroline Burdet hatte einen doppelten Schlüsselbeinbruch. Ich kam glimpflich davon und zerrte mir nur den Rückenmuskel.
Im Bob gehöre ich zu den Pionierinnen. Während meiner Karriere waren wir, meine Pilotinnen und ich, mehrmals die allerersten Frauen auf einer Bobbahn. So auch in Altenberg bei Dresden, einer Bobbahn in der damaligen DDR, ganz nah an der deutsch-tschechischen Grenze. Knapp fünf Jahre nach der Wende entschlossen wir uns, diese Bahn aufzusuchen. Suchen ist das richtige Wort, denn die Bobbahn lag versteckt in einem Waldgebiet. Zu DDR-Zeiten diente sie als geheimer Trainingsort für DDR-Athleten. Ohne einen genauen Plan zu haben, machten wir uns auf den Weg von der Schweiz nach Altenberg. Zwei Frauen, ein Auto, ein Bob auf einem Anhänger, ein Ziel: Als erstes Frauenteam der Welt wollten wir diese Bobbahn erobern. Und das taten wir dann auch.
Ende der 1990er-Jahre veränderte sich einiges im Frauenbob, denn 2002 in Salt Lake City sollten wir ins olympische Programm aufgenommen werden. Aus dem «Ladies Cup» wurde der Weltcup. Und im Jahr 2000 fand die erste Weltmeisterschaft statt. Austragungsort war Winterberg. Ein Fiasko. Nach dem ersten Lauf war unser Schweizer Team mit der Pilotin Françoise Burdet, der älteren Schwester von Caroline Burdet, und mir auf Platz zwei. Das deutsche Team war auf Platz sechs. Im zweiten Lauf, man startet in umgekehrter Reihenfolge, übernahmen die Deutschen die Führung. Was danach geschah, war unglaublich. Kein Team kam an die Zeit der Deutschen heran, auch nicht die favorisierten Amerikanerinnen. Bis heute vermuten wir, dass die Veranstalter nach dem zweiten Lauf der Deutschen die Kühlanlage abgestellt haben. Heute wäre das unmöglich, die Kühlung unterliegt dem Rennreglement. Aber eben, wir standen im Frauenbobsport wirklich noch am Anfang. Zwar haben die Amerikanerinnen und wir Schweizerinnen nach dem Rennen rekurriert, aber erfolglos. Das deutsche Bobteam gewann WM-Gold vor den USA. Wir holten an den ersten Weltmeisterschaften der Geschichte Bronze. Eine Ehre mit einem bitteren Beigeschmack, der ein Jahr später dann vergessen war.
2001 wurde ich Weltmeisterin. Es war ein «Hundertstelkrimi»: in den Hauptrollen die favorisierten Amerikanerinnen und wir Schweizerinnen. Bei minus 25 Grad in Calgary entschieden wir das Rennen ganz knapp für uns, was grosse Emotionen auslöste. Was wir mit dieser Goldmedaille erreicht hatten, begriff ich aber erst später, als wir zurück in die Schweiz kamen. Am Flughafen wurde ich mit Kuhglocken empfangen. Plötzlich interessierte sich die Schweizer Presse für uns, und zum allerersten Mal habe ich eine Prämie erhalten: 1500 Franken von der Schweizer Sporthilfe. Am schönsten aber war die Feier, die meine Familie in meinem Heimatdorf Beringen im Kanton Schaffhausen organisierte. Die Mehrzweckhalle war bis zum letzten Platz gefüllt, die Dorfmusik spielte, der Gemeindepräsident hielt eine Ansprache, und es wurde gefeiert. Mit mir. Wegen mir. Das war der schönste Moment meiner Karriere, denn zum ersten Mal erfuhr ich tiefe und weitgehende Anerkennung. Zumindest in meinem persönlichen Umfeld.
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