Gesandt
Gesandt sein heißt, einen Auftrag zu erfüllen, für andere ein Evangelium, d.h. eine frohe Botschaft, zu sein. Mag sein, dass wir uns als Gesandte, wenn auch nicht immer als sehr geschickte, erfahren; in jedem Fall sind wir füreinander Botschaft, gute oder manchmal auch schlechte. Wir sind es in allem: in unserer Ausstrahlung, unseren inneren Haltungen, unserm Reden und Tun und Verhalten. Missionarisch sein heißt, das, was einem Leben und Freude und Hoffnung schenkt, zu teilen, mitzuteilen. »Die Liebe besteht im Mitteilen von beiden Seiten« (EB 231), schreibt Ignatius.
Geerdet
Geerdet, das meint, dass alle »hohen Gedanken«, tiefen Einsichten, Erkenntnisse, Vorsätze, Projekte, außerordentlichen Tage wie etwa Exerzitien sich im Ernstfall des Lebens, d.h. im Alltag, bewähren müssen. »Und das Wort ist Fleisch geworden«, heißt es (Joh 1,14) und auch: »Was schaut ihr zum Himmel?« (Apg 1,11). – Er »ist von den Toten auferstanden und siehe, er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen« (Mt 28,7). Gott ist vor Ort. Er ist »in allem«, wie Ignatius schreibt: in allem Reden, Denken, Tun, Lassen, Atmen, Arbeiten, Ruhen und in allen Lebensphasen. »Dort« werdet ihr ihn finden. Dieses Sehnen und Suchen und Erfahren von Gegenwärtigkeit geschieht in der Bis-Zeit. So wie es in der Eucharistie heißt: »Geheimnis des Glaubens – deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.«
Voreinstellungen in einer »Dreiecksgeschichte«
»Wie wird es diesmal gehen?«, das fragen auch Menschen, die schon öfters auf dem Exerzitienweg waren. Wie wird es sein mit der »Dreiecksgeschichte« von mir, Gott und dem begleitenden Menschen? Die 20 Vorbemerkungen des Exerzitienbuches haben diese Fragen zum Inhalt: Die Haltung und das Verhalten der begleitenden Person soll zuhörend, freilassend, ermutigend, hinweisend, fragend, nicht ausforschend und der Individualität der Einzelnen entsprechend sein. Die Begegnung soll auf gleicher Augenhöhe geschehen und sie soll vor allem darauf vertrauen, dass Gottes Geist tragend und leitend ist.
Gott wird als der gesehen, von dem und auf den hin alles ist, der den suchend-übenden Menschen selber vorbereitet und begleitet und umarmt und Liebe schenkt und weckt (vgl. EB 15).
Großherzig und freigebig
»Da kommt nicht viel heraus …«, »das ist die große Chance für dich …«, »das schaffe ich kaum …«, »Vorsicht, Vorsicht!« Solche und eigentlich alle optimistischen, pessimistischen und sonstigen Voreinstellungen haben ihre Bedeutung für eine Begegnung, ein Projekt, ein Vorhaben. Man spricht dabei manchmal von »sich selbst erfüllenden Prophezeiungen«. Dies gilt für das alltägliche Leben und für Exerzitienzeiten ebenfalls. In der fünften Vorbemerkung im Exerzitienbuch spricht Ignatius das Thema Voreinstellungen an: »Für den, der die Übungen empfängt, ist es sehr nützlich, mit Großmut und Freigebigkeit gegenüber seinem Schöpfer und Herrn in sie einzutreten« (EB 5). Im spanischen Text heißt es »con grande animo« und mit »liberalidad«, also mit einem großen Geist und mit Freiherzigkeit darauf zuzugehen, nicht mit Kleingeisterei und Engherzigkeit.
Was kann dies alles bedeuten? Zunächst einmal, selber zu prüfen, wie man »so drauf« ist, welche inneren Voreinstellungen und Haltungen einen bewegen:
Bin ich hoffnungsgeladen oder auch mehr ängstlich? Sind es die üblichen Jahresexerzitien oder erwarte ich etwas Besonderes? Suche ich einen geistlichen Urlaub und vor allem Ruhe von der Alltagshektik oder etwas anderes? Bin ich bereit, mich überraschen zu lassen? Macht mir etwas Angst vor dem Geschehen der Tage? Meine ich, es müsse »unbedingt« etwas geschehen und entschieden werden? Denke ich etwas kindlich: Danach müsste ein Problem ganz und für immer gelöst sein?
Worauf hin richtet sich meine Sehnsucht, mein Wunsch für diese Tage? Fühle ich mich bereit, auch durch schwierige Momente wie Unsicherheit, Trockenheit, Ängste hindurchzugehen? Brauche ich jetzt Exerzitientage oder stünde für mich eher ein Kurs an für Kommunikation, Entscheidungsfindung, Verhaltenstraining oder irgendeine Weise von therapeutischer Hilfe oder auch eine echte Urlaubszeit? Was ist meine Voreinstellung gegenüber der geistlichen Begleitung und der anbietenden Institution? Fühle ich in mir eine Bereitschaft dazu, mich, meine Person, mein Leben nach dem Liebeswillen Gottes auszurichten?
Schweigen: Genug vom Zuviel
»Ob ich das aushalte?«, ist immer wieder die Frage von Menschen, die an Schweigeexerzitien teilnehmen. Fast alle erfahren aber dann Schweigen und Stille als ein wesentliches Element für das Gelingen der Tage und als Konfrontation mit sich selber und Begegnung mit Gottes Geist.
Was man so sehr wünscht
Ignatius setzt Stille und Schweigen als selbstverständlich voraus, gebraucht aber nicht oft das Wort Stille, sondern schreibt ganz nach seiner pragmatischen Art: Man wird »in den Exerzitien normalerweise umso mehr Nutzen ziehen, je mehr der Exerzitant sich von allen Freunden und Bekannten und von jeder irdischen Sorge absondert; etwa indem er aus dem Haus zieht, wo er wohnte, und ein anderes Haus oder Zimmer nimmt, um darin so geheim wie möglich zu wohnen, so dass es in seiner Hand liegt, jeden Tag zur Messe und zur Vesper zu gehen, ohne Furcht, dass seine Bekannten ihm ein Hindernis bereiten« (EB 20). Heute würde Ignatius sicher noch hinzufügen: zuvor möglichst alles zuhause gut ordnen, vereinbaren, dass das Handy nur für Unvorhersehbares und außerordentlich Wichtiges bereitliegt. Manche müssen dann in Exerzitien geradezu mit Entzugserscheinungen kämpfen, aber können dies auch als eine Einübung in Freiheitsgewinnung erfahren. Es kann die Erkenntnis bringen: Geräusch muss man machen, Stille ist. Wenn das Laute leiser wird, sagt die Stille: Ich bin schon da. Kannst du mich hören und das, was sich zu Gehör bringen will?
Als spirituelle Vorteile der »Absonderung« nennt Ignatius unter anderem: »Je mehr sich unsere Seele allein und abgesondert findet, um so geeigneter wird sie, sich ihrem Schöpfer und Herrn zu nähern und zu ihm zu kommen; und je mehr sie ihm so nahe kommt, desto mehr stellt sie sich darauf ein, Gnaden und Gaben von seiner göttlichen und höchsten Güte zu empfangen« (EB 20).
Alltäglich mit der Stille leben
Es gibt eine Fülle von Sprichwörtern, die auf verschiedene Weise auf Sinn und Wert von Schweigen und Stille auch im Alltag hinweisen: »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«; »Man muss nicht alles, was wahr ist, sagen, aber was man sagt, muss wahr sein.« Thomas von Aquin gibt eine heftige Deutung: »Die Unfähigkeit zu schweigen ist eine Tochter der Verzweiflung.« Ignatius weist darauf hin, bei Gesprächen solle man zuerst hören, nachdenken und sich einfühlen und dann kurz innehalten und sich fragen, ob es besser ist, zu antworten bzw. nachzufragen oder zu schweigen. Außerdem ist die Diskretion, die Fähigkeit ein Geheimnis zu bewahren, für ihn ein hohes Gut für die Kommunikation.
Jesus – das Wort aus dem Schweigen
»Und das Wort ist Fleisch geworden« – so beginnt das Evangelium des Johannes. Jesus verkündet die Botschaft Gottes mit »Vollmacht, nicht wie die Schriftgelehrten und Pharisäer«; und das »Volk ist voll Staunen«. Manchmal beendet Jesus eine Diskussion mit einem einzigen Satz: »Soll man dem Kaiser Steuern zahlen? … Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!« (Mt 22,21). Seine Gleichnisse sind gleichermaßen einfach wie wegweisend. Die Geschichte vom »barmherzigen Samariter« etwa ist geradezu zu einer Welt-Geschichte geworden.
Jesus ist mächtig im Wort und im Tun, ja, er wird als »das Wort Gottes« in Person gesehen. Und zugleich lebt Jesus auch aus dem Schweigen heraus und bringt zum Schweigen. Er kann sagen: Wenn ihr meine Frage nicht beantwortet, dann beantworte ich die eure auch nicht. Vor Pilatus und dem Volksgeschrei schweigt er, weil mit Worten nichts mehr zu sagen ist. Vor allem aber kommt sein ganzes Reden und Handeln aus der stillen Begegnung mit seinem Abba, seinem Vater. Immer wieder zieht er sich zurück, manchmal auf einen Berg, »er allein« (Joh 6,15); und wenn er sich zu Gott hin ausgesprochen hat, dann überlässt er alles schweigend seinem Abba und sein letztes Wort ist: »Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist« (Lk 23,46).
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