Willi Lambert
Ich – Du – Wir
Beziehung leben
Ignatianische Impulse
Herausgegeben von Stefan Kiechle SJ, Willi Lambert SJ und Stefan Hofmann SJ
Band 86
Ignatianische Impulsegründen in der Spiritualität des Ignatius von Loyola. Diese wird heute von vielen Menschen neu entdeckt.
Ignatianische Impulsegreifen aktuelle und existentielle Fragen wie auch umstrittene Themen auf. Weltoffen und konkret, lebensnah und nach vorne gerichtet, gut lesbar und persönlich anregend sprechen sie suchende Menschen an und helfen ihnen, das alltägliche Leben spirituell zu deuten und zu gestalten.
Ignatianische Impulsewerden begleitet durch den Jesuitenorden, der von Ignatius gegründet wurde. Ihre Themen orientieren sich an dem, was Jesuiten heute als ihre Leitlinien gewählt haben: Christlicher Glaube – soziale Gerechtigkeit – interreligiöser Dialog – moderne Kultur.
Willi Lambert
Ich – Du – Wir
Beziehung leben
echter
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
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© 2020 Echter Verlag GmbH, Würzburg
www.echter.de
E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
ISBN
978-3-429-05090-0
978-3-429-05042-9 (PDF)
978-3-429-06485-3 (ePub))
Inhalt
Vorwort
1. Wer lebt, kommuniziert
Leben in der Wir-Welt
Ich kommuniziere, also bin ich
In der Regel gibt es Regeln
2. Werden auf dem Weg
Ritterlich – noch eine Tugend?
Höflichkeit bei Hof und anderswo
Kosmische Kommunikation
Keine Ahnung von Demut, Liebe und Geduld
Im Anfang war der Brief
3. Exerzitien und Kommunikation
Exerzieren und Kommunizieren
Begleiten: Ich bin nur mit
Beten – aber wie?
Ohne Geräusch von Worten
Das Wunder der Versöhnung
Von Jesus kommunizieren lernen
4. Geistvoll leben
Vom Weg des Liebens
Aus Liebe zur Wirklichkeit
Danke – Bitte – Entschuldigung
Zu sich selber kommen
Ja und Nein – Wägen und Wagen
Indifferenz – Freiheit des Geistes
5. Leben in Gemeinschaft
Kommunität und Kommunikation
Architektur einer Gemeinschaft
Gemeinsam entscheiden
Zusammenspiel von Vorgesetzten und Mitarbeitern
Briefe aus Rom
Feedback: »Gib ihm Saures« oder »Ignatianischer Salat«
Bürokommunikation – der Schreibtisch
Bei Tisch – das Niveau war niedrig, aber angenehm
6. Aus der Mitte leben
Dialog – der neue Weg der Kirche
Kirchenkampf statt Kirchenkrampf
Wovon die Liebe lebt – vom Kommunizieren
Trinitarisch kommunizieren: Ich – Du – Wir
Anmerkungen
Vorwort
Worum es geht
»Ist das nicht der, welcher Jesus verraten hat?«, so fragt eine junge Dame, als wir auf einer Zugfahrt auf Ignatius von Loyola zu sprechen kommen. Ich bemerke dazu, dass sie damit wohl Judas meine. Ach ja, richtig, das sei der Judas gewesen. Wer etwas besser geschichts- und kirchenkundig ist, wird wohl sagen, Ignatius sei ein Heiliger, er habe den Jesuitenorden gegründet, er sei ein Förderer der Exerzitienbewegung. Dass er ein wahrer Meister der Kommunikation gewesen ist, das kam auch mir selber erst nach vielen Jahren zu Bewusstsein. Die Kultur des Kommunizierens ist eine Frage des Lebens und des Überlebens. Und wer etwas Sinnvolles dazu zu sagen hat, ist willkommen. Einer davon ist Ignatius von Loyola (1491–1556). Es sollen dabei nicht nur Regeln zitiert werden, sondern der »Sitz im Leben« bei Ignatius, aber auch in unserer Jetzt-Zeit und unserer Wir-Welt soll verortet werden. Sie ist eine Welt, die von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit gezeichnet ist, von Lüge, Hass und Gewalttätigkeit, globaler Gleichgültigkeit (Papst Franziskus), aber auch von oft unbekannter Mitsorge, Kampf für Gerechtigkeit, Versuchen zur Versöhnung.
Der vorliegende Text ist eine Mischung aus vielen Verweisen auf Erlebnisse, Einsichten und hilfreichen Hinweisen von Ignatius. Er ist durchmischt mit eigenen persönlichen Erfahrungen auch in unserer jesuitischen Gemeinschaft. Es fließen aber auch Erkenntnisse aus Seminaren, Arbeitsblättern, Besinnungsfragen aus vielen Gesprächen in Exerzitien, Begegnungen im Alltagskontext und fachlicher Lektüre mit ein.
Lesemöglichkeiten
Natürlich bleibt jedem die Weise des Lesens überlassen, aber es kann hilfreich sein, immer wieder einmal eine Besinnungspause einzulegen und allein oder mit anderen das Buch oder Abschnitte daraus zu lesen und ins Gespräch zu kommen. Ignatius würde sicher hinzufügen: Wenn du etwas entdeckst, was du dir angewöhnen oder abgewöhnen möchtest, dann bleib ein paar Wochen einübend dran; ohne geht es nicht. »Gewohnheiten sind die Muskeln der Seele« (Arnold Gehlen).
Die meisten zitierten Textstellen sind aus dem Pilgerbericht (PB), dem Exerzitienbuch (EB), dem geistlichen Tagebuch (GT), und sie werden unabhängig von verschiedenen Ausgaben nach den jeweiligen Nummern zitiert. Die Texte aus »Briefe und Unterweisungen« (BU) und verschiedene andere Texte aus den Gründungstexten der Gesellschaft Jesu (GGJ) sind der Werkausgabe von Peter Knauer entnommen und nach den jeweiligen Seitenzahlen zitiert.
1. Wer lebt, kommuniziert
Fürs Leben demonstrieren
11. August – an diesem Tag möchte ich mit der Einführung für »Leben in der Wir-Welt« beginnen. Es ist 6.45 Uhr. Ich wache auf und sehe an einem Kleiderbügel ein Hemd, mein Hemd, mit der Aufschrift: »Friede und Versöhnung statt Lüge, Hass und Zerstörung«. Ich habe mir das Hemd vor einigen Monaten machen lassen und am Tag der Europawahl zum ersten Mal angezogen und bin damit zur Wahlurne gelaufen. Ich bin von Natur aus kein ausgesprochener Straßen-Demonstrierer; am auffälligsten war diesbezüglich meine Teilnahme an der Fronleichnamsprozession in meiner Heimatstadt Ravensburg. Aber in den letzten Jahren wuchs in mir der Satz »Es reicht jetzt«. Die Welt, die Zustände und die Menschen unserer Welt sind in einer Weise in unseren Medien präsent, dass es jedes Mal schmerzt. Über Kriege, Gewalt, Hungersnöte wurde immer schon berichtet. Aber dass die Worte »Lüge« bzw. »fake-news« und Hass und Aufruf zu Gewalttaten – »ein Galgen ist noch frei«, »ab ins Gas«, »Ausländer raus« usw. – fast täglich genannt werden, das ist uns näher und erschreckender auf den Leib gerückt als zuvor; nähergekommen durch das Schicksal der Flüchtlinge und durch unsere unbedachte Rücksichtslosigkeit, mit der wir mit unserer Umwelt umgehen und sehenden Auges den Ast absägen, auf dem wir sitzen.
»Wir haben es nicht gewusst« wird nicht in den Geschichtsbüchern kommender Zeiten stehen: Im Jahr 2019 war die Erinnerung an 100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg in den Medien präsent; ebenso die 80 Jahre seit Beginn des Zweiten Weltkrieges mit über 50 Millionen Toten und dem anschließenden Ruf »Nie wieder Krieg!«. Dann auch die Feier »70 Jahre Grundgesetz« der Bundesrepublik Deutschland: »Einigkeit und Recht und Freiheit sind des Glückes Unterpfand«. Auch die Losung »Die Würde des Menschen ist unantastbar« wird oft zitiert, aber auch gefragt: Ist sie wirklich unantastbar? Sie wird nicht nur angetastet, sondern mit Füßen getreten; freilich, oft wird für sie auch unter Einsatz des Lebens gearbeitet und gekämpft.
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