Ferner enthält die vorliegende Studie keine Evaluierung der rechtlichen Normen, mit denen die einzelnen Staaten Handlungen wie Euthanasie, (ärztlich) assistierten Suizid oder das Sterben zulassende (medizinische) Vollzüge legalisiert oder verboten haben. Diese staatlichen Gesetze werden nur in dem Maß berücksichtigt, wie sie die Gewissensbildung der Gläubigen, die um entsprechende Handlungen bitten und sich dafür entscheiden, beeinflussen können. Darin ist eine zweite Eingrenzung der Materie zu sehen.
Die Frage nach der Feier der kirchlichen Exequien nach Herbeiführung des Todes wurde bewusst von der Frage nach der Feier der Kranken- und Sterbesakramente abgegrenzt, da im Fall der Sakramentenspendung zunächst geklärt werden muss, ob die Intention, eine schwere Sünde zu begehen, denselben schwer sündhaften Charakter besitzt, wie die bewusst gewollte Handlung selbst. Erst wenn dies geklärt wäre, muss sich der Kirchenrechtler und Rechtsanwender die Frage stellen, ob die Krankensalbung, das Viatikum – das eigentliche Sterbesakrament der katholischen Kirche – und das Bußsakrament bei geäußertem Wunsch nach Euthanasie und assistiertem Suizid gespendet oder verweigert werden können, dürfen oder müssen. Diese dritte Eingrenzung wird erst in der Conclusio wieder aufgegriffen.
Die letzte und damit vierte Eingrenzung ist in der Reduzierung des Untersuchungsgegenstandes zu sehen. In der Studie wird nicht explizit auf den (ärztlich) assistierten Suizid eingegangen, da dieser eine Mischform von Tötung auf Verlangen und Suizid darstellt. Einerseits bedarf es für diese Art der Herbeiführung des Todes ähnlich der Euthanasieverrichtung einer längeren Planung, sodass mit Blick auf die Freiheitsfrage ein ähnlicher Kriterienkatalog zur Eruierung der Zurechenbarkeit nötig ist, andererseits bleibt der Suizid nach Bereitstellung der Medikamente z. B. durch den Arzt auch ohne Einwirken von außen und ohne Zeugen eine vom Verstorbenen selbst vollzogene Handlung.
1 http://www.kath.net/news/35938(Zugriff: 14.07.2015).
2Unter dem Begriff Seelsorger werden in der vorliegenden Studie sowohl Frauen als auch Männer verstanden, die qua Kirchenamt, bischöflicher Beauftragung oder Empfang des Weihesakramentes mit der Ausübung von Seelsorge beauftragt sind. Der Begriff Priester wird dann verwendet, wenn seelsorgliche Tätigkeiten thematisiert werden, die den Empfang der Priesterweihe voraussetzen (z. B. die Begräbnismesse). Die weibliche Form ist nicht inkludiert. Gleiches gilt für das Kirchenamt des Pfarrers oder Ortsbischofs . Die Begriffe verstorbener Gläubiger oder getaufter Verstorbener werden stellvertretend für weibliche wie männliche katholisch getaufte Verstorbene verwendet.
3Als Beispiel für solche Lebenssituationen, die die Kirche damals als „unheil“ betrachtete und in denen das Ringen der Seelsorger um das pastoral angemessene Handeln sichtbar wurde, benannte Kardinal Schönborn die unverheiratet Zusammenlebenden, die wiederverheirateten Geschiedenen und die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft Lebenden. [Vgl. ebd.]
4Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die aktuelle Debatte in Kanada und in der Schweiz verwiesen. Im Kontext von Bestrebungen der kanadischen Regierung, ärztlich assistierten Suizid zu legalisieren, äußerte sich der Erzbischof von Ottawa Terence Prendergast dass „Personen, die Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen, […] keine Sterbesakramente gespendet werden“ [ http://www.kath.net/news/54228(Zugriff: 31.05.2017).] dürfen. Zur Debatte in Kanada siehe http://www.tagesanzeiger.ch/panorama/vermischtes/Kanada-legalisiert-Sterbehilfe/story/22754358(Zugriff: 08.03.2017); http://www.theglobeandmail.com/news/national/canadas-largest-catholicarchdiocese-mobilizing-against-assisted-dying-law/article29045004/(Zugriff: 08.06.2017); https://www.catholicculture.org/news/headlines/index.cfm?storyid=27616(Zugriff: 08.06.2017). Siehe dazu auch die Aussagen des Bischofs von Chur in der Schweiz Vitus Huonder , Humanes Sterben aus der Sicht des Glaubens. Wort zum Tag der Menschenrechte 10. Dezember 2016 (Wort des Bischofs XIII), in: http://www.bistum-chur.ch/wp-content/uploads/2016/12/Tag-der-Menschenrechte-2016-def-160817.pdf(Zugriff: 20.04.2017).
5Die Tatsache, dass politische Debatten über besondere Sterbehilfegesetze nach dem europäischen Raum jetzt auch vermehrt im amerikanischen Kontext anzutreffen sind, zeigt die globale Entwicklung der Fragestellung nach einem selbstbestimmten Sterben. [Vgl. http://colombiareports.com/colombia-regulates-euthanasia-in-spite-of-church-objections/(Zugriff: 13.07.2015); http://panampost.com/sabrina-martin/2015/04/23/colombian-physicians-get-the-final-go-ahead-for-euthanasia/(Zugriff: 13.07.2015).] Dass die Thematik aber auch in die verschiedenen Gesellschaftsschichten vorgedrungen ist und dort analysiert und debattiert wird, belegen vor allem die populärwissenschaftlichen Publikationen zum Thema Sterben und Tod , deren Anzahl allein in Deutschland in den vergangenen Jahren signifikant gestiegen ist. [Vgl. in Auswahl: R. Spaemann/G. Hohendorf u.a . (Hg.), Vom guten Sterben. Warum es keinen assistierten Suizid geben darf. Mit einem Vorwort von Manfred Lütz, Freiburg/Br. 2015; R. Beckmann/C. Kaminski u.a . (Hg.), Es gibt kein gutes Töten. Acht Plädoyers gegen Sterbehilfe (Edition Sonderwege), Leipzig 2015; M. Stöhr , Selbstbestimmt Leben – Selbstbestimmt Sterben. Plädoyer für eine Legalisierung der Sterbehilfe, Aachen 2015; G. D. Borasio , Selbst bestimmt sterben. Was es bedeutet. Was uns daran hindert. Wie wir es erreichen können, München 2014; U.-C. Arnold , Letzte Hilfe. Ein Plädoyer für das selbstbestimmte Sterben, Reinbek 2014; G. v. Loenen , Das ist doch kein Leben mehr! Warum aktive Sterbehilfe zu Fremdbestimmung führt, Frankfurt/Main 2014; G. D. Borasio , Über das Sterben. Was wir wissen, was wir tun können, wie wir uns darauf einstellen, München 102012; M. de Ridder , Wie wollen wir sterben? Ein ärztliches Plädoyer für eine Sterbekultur in Zeiten der Hochleistungsmedizin, München 2011.]
6Vgl. Die deutschen Bischöfe , Unsere Sorge um die Toten und die Hinterbliebenen. Bestattungskultur und Begleitung von Trauernden aus christlicher Sicht (22.11.1994) (DB 53), Bonn 42000, 13.
7Vgl. G. Göckenjan , Sterben in unserer Gesellschaft – Ideale und Wirklichkeiten, in: APuZ 4 (2008) 7-14, 9-10.
8Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio spricht von einem „Allmachtsgefühl in der Medizin“ [ Borasio , Über das Sterben, 27.].
9 M. Frieß , Sterbehilfe. Zur theologischen Akzeptanz von assistiertem Suizid und aktiver Sterbehilfe, Stuttgart 2010, 7.
10 D. Fenner , Suizid – Krankheitssymptom oder Signatur der Freiheit? Eine medizinische Untersuchung (Angewandte Ethik 8), München 2008, 8.
11Vgl. dazu M. Zimmermann-Acklin , Euthanasie. Eine theologisch-ethische Untersuchung (SThE 79), Freiburg/Schweiz 22002, 72. Eine entsprechende Diskussion innerhalb der Ärzteschaft lässt sich auch aufgrund der medialen Verbreitung verfolgen. [Vgl. http://www.tagesspiegel.de/wissen/ethikrat-aerztewollen-klarheit-bei-sterbehilfe/7189376.html(Zugriff: 09.03.2016).] Die Gefahr der Unklarheit bzw. Unschärfe rechtlicher Bestimmungen liegt darin, dass Ärzte in ihrem Wirken dem Wunsch des Patienten nach z. B. Behandlungsabbruch oder -verzicht aufgrund von Angst, eine Straftat zu begehen, nicht nachkommen und somit das Recht auf Selbstbestimmung versehentlich missachten.
12Wohl aber ist es Aufgabe des Moraltheologen, auf Gefahren von Missbrauch hinzuweisen, entsprechende Tendenzen zu problematisieren und aufzuzeigen, was passiert, wenn beispielsweise „die aktive Sterbehilfe aus dem unmittelbaren Zusammenhang mit dem erleichterten Sterbeprozess heraustritt (nach juristischer Definition ist nur hier ihr eigentlicher Ort) und zur therapeutischen Option bei allen möglichen schweren Lasten durch physische und psychische Leiden innerhalb und außerhalb des eigentlichen Sterbeprozesses mutiert.“ [J. Römelt , Menschenwürdiges Sterben. Vom menschlichen Umgang mit dem verlangsamten Tod, in: HerKorr 58 (2004) 524-529, 526-527.]
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