Die Beschlüsse dieser Regionalsynoden werden im Sinne der Communio anderen wichtigen Kirchen in einem Synodalschreibenmitgeteilt. In der Regel erwartet man dann, dass auch die angeschriebenen Kirchen mit einem Antwortbrief zustimmen, vor allem wenn es um verurteilte Häretiker geht, die auch andernorts Anhang haben, oder wenn Fragen synodal geklärt wurden, die man auch in anderen Kirchen diskutiert. In Glaubensfragen sind diese Regionalsynoden davon überzeugt, vorbehaltlos für die ganze Kirche entscheiden zu können. Sind sie sich doch sicher, auf dem Boden der apostolischen Überlieferung zu stehen und in der Kraft des Heiligen Geistes zu urteilen. Wenn sie an andere Kirchen schreiben, dann verbinden sie damit also nicht eine Bitte um „Bestätigung“. Vielmehr verfassen sie ihre Synodalschreiben in der Gewissheit, dass die übrigen Kirchen ihnen zustimmen müssen, dass aber durch deren Beitritt deutlicher hervortritt, dass auf den entsprechenden Synoden die ganze, d.h. die katholische Kirche entschieden hat.
Ein gutes Beispiel für dieses Bewusstsein bietet die 268 abgehaltene Regionalsynode von Antiochien, die Paul von Samosata, den Bischof von Antiochien, als Häretiker verurteilt, absetzt und an seiner Stelle einen neuen Bischof bestellt. 64Den Gläubigen wird daraufhin geboten, jegliche Gemeinschaft mit Paul zu meiden und ihn als einen Menschen zu betrachten, der „aus der katholischen Kirche“ ausgeschlossen ist. Die antiochenischen Synodalen messen ihrem Urteilsspruch also katholische, d.h. universalkirchliche Bedeutung bei. Zur Verdeutlichung ihrer Überzeugung senden sie aber Briefe an die Bischöfe von Rom und Alexandrien mit der Bitte, ihrem Urteil beizutreten.
Hier treten also bereits Rom, Alexandrien und Antiochien als die drei wichtigsten „Schaltstellen“ der katholischen Communio in Erscheinung. Des Weiteren macht sich im Bewusstsein der Regionalsynode von Antiochien bemerkbar, dass die Synodalen ohne Vorbehalt für die ganze Kirche entscheiden. Wie sie durch ihren Synodalbrief zum Ausdruck bringen, halten sie es aber für wichtig, dass die beiden bedeutenden Sitze von Rom und Alexandrien ihrem Spruch „beitreten“; denn dadurch wird noch deutlicher, dass die ganze, die katholische Kirche hinter diesem Urteil steht. Gleichzeitig manifestiert sich in dem tatsächlich erfolgten Beitritt Roms und Alexandriens, was Rezeption von Konzilienbedeutet. Freilich kann es auch vorkommen, dass der Rezeptionsprozess scheitert und Synoden anderer Regionen in wichtigen Fragen anders entscheiden. Dies ist z.B. im Osterfeststreit und im Ketzertaufstreit der Fall. Hier wird die Frage im 3. Jahrhundert gesamtkirchlich unentschieden bleiben.
Das Synodenwesen bildet aber auch ein wichtiges Gegengewicht gegen eine allzu autokratische Amtsführung eines Einzelbischofs. Nachdem sich nämlich gegen Ende des 2. Jahrhunderts der Monepiskopat und damit die hohe Autorität des Einzelbischofs durchgesetzt hat, 65ist ein solches Korrektiv durchaus notwendig; denn eine höhere Instanz, bei der man gegen einen Bischof Beschwerde führen kann, hat es bisher nicht gegeben. Mit der Einführung des Synodenwesens können nun auch Presbyter, Diakone und Laien an die Synode appellieren und gegen ihren Bischof klagen. Dieser kann dann, wie der Fall des Paul von Samosata zeigt, von der Synode zur Verantwortung gezogen und im äußersten Fall sogar abgesetzt werden.
Worin wurzelt nun die Autorität der Regionalsynoden? Es ist einerseits die Autorität der einzelnen Synodalen, die als Inhaber des Bischofsamts in apostolischer Sukzession stehen und so für die unversehrte Weitergabe der apostolischen Tradition und damit auch für die vertikale Einheit mit dem Ursprung bürgen. Indem sie andererseits auf der Synode die Glaubensgemeinschaft mit den anderen Ortskirchen und damit letztlich mit der Catholica suchen, verwirklichen sie auch die horizontale Einheit mit der Kirche . Denn mit diesem Ziel stellen die Bischofssynoden seit dem Ende des 2. Jahrhunderts in strittigen Fragen die „Übereinstimmung aller Kirchen“ fest. Auf den Regionalsynoden verbindet sich also das vertikale Element der apostolischen Tradition und Sukzession mit dem horizontalen Element der synodal praktiziertenκοινωνία oder Communio mit allen Kirchen .Von maßgeblicher Bedeutung ist schließlich, dass sich auf den Regionalsynoden unter den bischöflichen Synodalen das Bewusstsein einer Autorität ausbildet, die ohne Vorbehalte für die ganze Kirche spricht, darum aber den Kontakt mit den übrigen Ortskirchen und insbesondere mit den kirchlichen „Schaltstellen“ der katholischen Communio sucht.
DASSMANN (wie S. 12) 175-181.
FIEDROWICZ, Michael, Theologie der Kirchenväter. Grundlagen frühchristlicher Glaubensreflexion, Freiburg Basel Wien 2007, 65-72 (apostolische Sukzession).
GESSEL, Wilhelm, Zentrale Themen der Alten Kirchengeschichte. Zum Umgang mit der Tradition der Kirche, Donauwörth 1992, 53-60.
SCHATZ, Klaus, Allgemeine Konzilien – Brennpunkte der Kirchengeschichte, Paderborn München Wien Zürich 1997, 21-26.
58Zu den Hauptkirchen und ihren Bischöfen vgl. insbesondere Kapitel 5.0.
59Zum Osterfeststreit vgl. eingehender Kapitel 5.3.1.
60Zur Entstehung und Entwicklung des römischen Primatsanspruchs und der Reichspatriarchate bis zum Konzil von Chalzedon (451) vgl. ausführlich Kapitel 5.
61Zum Osterfeststreit vgl. Kapitel 5.3.1.
62Zum Ketzertaufstreit vgl. Kapitel 5.3.3.
63Zum Bußstreit vgl. Kapitel 5.3.2.
64Zur Synode von Antiochien und zu dem damit zusammenhängenden Zusammenspiel der Hauptkirchen Antiochien, Rom und Alexandrien vgl. Kapitel 5.3.4.
65Zur Durchsetzung des Monepiskopats Ende des 2. Jh.s vgl. insbesondere Kapitel 2.4.
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