Fahmy Aboulenein - Die Pharma-Falle

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Ein Arzt bekommt von einem Pharmariesen Geld für einen lobenden Artikel über ein neues Medikament und er braucht ihn nicht einmal selbst zu schreiben. Die PR-Leute des Pharmariesen schreiben den Text in seinem Namen gleich selbst. Das ist verdeckte Korruption und doch nur ein kleines von vielen Beispielen dafür, wie die Pharmaindustrie unsere Ärzte teils subtil und teils ganz offen manipuliert. Dr. Fahmy Aboulenein, Neurologe und MS-Spezialist, hat genug davon. Im Bewusstsein der Folgen, die das für ihn haben kann, wagt er den Schritt an die Öffentlichkeit und durchleuchtet die verfilzten Strukturen zwischen Pharmaindustrie und Ärzteschaft, deren Opfer ahnungslose Patienten sind.

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Dr Fahmy Aboulenein Die PharmaFalle Alle Rechte vorbehalten 2016 edition - фото 1

Dr. Fahmy Aboulenein: Die Pharma-Falle

Alle Rechte vorbehalten

© 2016 edition a, Wien

www.edition-a.at

Cover: JaeHee Lee

Gestaltung: Hidsch

Lektorat: Anatol Vitouch

Korrektorat: Elena Höbarth

ISBN 978-3-99001-173-7

Die in diesem Buch beschriebenen Begebenheiten

haben tatsächlich stattgefunden. Zum Schutz

der Privatsphäre handelnder Personen wurden

Namen, geografische Angaben und die Chronologie

der Abläufe teilweise geändert.

Inhalt

Ein heikles Kuvert

Der wahre Skandal

Die Pharmareferenten

DIE MEDIZINISCHE INFORMATIONSGESELLSCHAFT

ENTSPANNTE KOMMUNIKATOREN

WERBEBOTSCHAFTER IM KRANKENHAUS

STAUBSAUGERVERTRETER MIT MEDIKAMENTENKOFFERN

DAS DECKMÄNTELCHEN FORTBILDUNG

DIE LEGALE KORRUPTION

PER DU MIT DER ANDEREN SEITE

NETT ABER ÜBERFLÜSSIG

DIE SCHMEICHEL-FALLE

SYSTEMBEDINGTE SKRUPELLOSIGKEIT

Die Kongresse

AKADEMISCHER STÄDTETOURISMUS

HAUPTSACHE RAHMENPROGRAMM

STILLER DATENFLUSS

EINE KARIKATUR VON WISSENSCHAFTLICHKEIT

DIE BÜHNENVERSION DER HOCHGLANZBROSCHÜREN

SYSTEMATISCHE UNTERWANDERUNG

VEREINBARE UNVEREINBARKEIT

DAS SPIEL MIT DER WERTSCHÄTZUNG

BESSER AUSSPANNEN ALS KRITISIEREN

Die wissenschaftlichen Publikationen

DIE FREIWILLIGE ZENSUR

TOTALE ABHÄNGIGKEIT

Die wissenschaftliche Objektivität

KREATIVES STUDIENDESIGN

UNWISSENSCHAFTLICH ERWIESEN

WIRKUNGSLOSE MEDIKAMENTE

INSTRUMENT DER MANIPULATION

DIE RELATIVEN STUDIENERGEBNISSE

Die Medikamentenpreise

UNFREIER MARKT

DIE VERKAUFTEN PATIENTEN

ZIELGRUPPE PATIENTEN

Die Medikamentenflut

KAPUTT MACHENDE PHARMAZIE

KONZERNE SCHAFFEN PATIENTEN

SINNLOS UND TEUER BRINGT GEWINNE

PATIENTEN IN DER PHARMA-FALLE

Was sich ändern muss

In Dankbarkeit meinem ehemaligen

Chef, Lehrer und Mentor, der mich

stets zu einer kritischen Sichtweise

und vor allem zu gesunder Selbstkritik

ermuntert hat.

Die PharmaFalle - изображение 2

EIN HEIKLE$ KUVERT

Auf dem Weg durch die Stadt nahm ich die Einladung aus meiner Jackentasche. Die Sitzung war für 18 Uhr angesetzt. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass ich bereits zu spät dran war. Ich war wohl doch nicht rechtzeitig vom Spital losgegangen. Die Ambulanz für entzündliche Erkrankungen des Nervensystems war heute wie an so vielen Tagen übervoll gewesen.

Ich musste mich beeilen. Jetzt hatte es noch zu regnen angefangen und ich hatte keinen Regenschirm dabei.

Dennoch war ich guter Dinge, denn ich war neugierig auf das vor mir liegende Treffen. Ich war zum ersten Mal zu einer Expertensitzung eines großen Pharmakonzerns eingeladen. Wir, das heißt die geladenen Ärzte und ausgewiesene Experten in der Behandlung von Multiple Sklerose-Patienten, sollten im Rahmen dieser Veranstaltung über das von dem Konzern vertriebene Medikament diskutieren, unsere Erfahrungen und unsere Expertise einbringen.

Ziemlich nass vom Regen erreichte ich das Fünfsternehotel in der Wiener Innenstadt, dessen Adresse auf der Einladung stand. Im prächtigen Foyer ging es geschäftig zu. »Sie werden bereits erwartet. Hier entlang, bitte«, sagte eine der Empfangsdamen, nachdem ich ihr meine Einladung gezeigt hatte. Ich sah ein großes Schild vor dem glamourösen Stiegenaufgang, auf dem der Name des Konzerns und die Ankündigung der Veranstaltung stand: »advisory board – Expertengremium, im großen Konferenzsaal im 1. Stock«.

Die goldgerahmten Gemälde und Spiegel und das ebenfalls goldene Schild mit der Aufschrift »Konferenzsaal« neben einer doppelflügeligen Tür sowie das noble Ambiente gaben mir zu denken. Vielleicht hätte ich doch einen Anzug anziehen und eine Krawatte umbinden sollen, dachte ich.

Vor der Tür stand ein bulliger Mann, der meine Einladung sehen wollte. Wortlos überprüfte er sie. »Guten Abend«, sagte er danach und wies mir den Weg durch die große Doppelflügeltüre.

Drinnen waren auf kleinen Stehtischen Imbisse und Getränke vorbereitet. Meine Kollegen waren bereits da und allesamt sehr formell gekleidet. Ich fühlte mich in meiner Lederjacke und meinen Jeans zwar nicht unwohl, aber irgendwie fehl am Platz. Ursprünglich hatte es geheißen, dass ausgewählte Experten ihres Fachs eingeladen werden, in einem kleinen, informellen Rahmen über Nutzen und Risiko des bereits sehr lang etablierten Medikaments zu sprechen. Der Konzern würde nur den Rahmen schaffen, so dass wir aus ganz Österreich hier in Wien zusammentreffen könnten. Bei so einem Austausch und Diskussion sollte die Etikette zweitrangig sein, so hatte ich gedacht.

Ich begrüßte die Kollegen, die zum Teil lange Anreisen in Kauf genommen hatten, und sah mich nach Dr. Elisabeth Hardt um, die ebenfalls auf der Gästeliste gestanden war, konnte sie aber nicht entdecken. Die neurologische Szene in Österreich ist klein und überschaubar. Es gibt nur wenige Experten, die auch als Meinungsbildner fungieren. Sie war eine davon. Von den zehn geladenen Experten waren nur zwei Frauen. Zwei Kollegen waren als Sitzungsleiter der unabhängigen Expertenrunde nominiert.

Währenddessen trat ein drahtiger Mann mit einer großen Hornbrille in die Mitte des Raumes. Er redete mit einer eindringlichen und tiefen Stimme, die ich ihm nicht zugetraut hätte. »Frau Dr. Hardt hat sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen lassen«, sagte er. »Meine Damen und Herren, wir sind damit vollzählig. Bitte folgen Sie mir.«

Er führte uns in den Konferenzsaal mit einem länglichen Besprechungstisch. Auf jedem Platz gab es ein Namensschild und Unterlagen. Auf den Unterlagen lag jeweils ein weißer, großformatiger Umschlag, in dem ich noch weitere Informationen zur Expertensitzung vermutete. Die meisten Kollegen steckten aber ihren Umschlag ungeöffnet in ihre Taschen, manche riskierten einen kurzen Blick, wobei ihre Augen strahlten und sich in ihrem Gesicht ein leichtes Lächeln breit machte. Ich war mir nun plötzlich sicher, dass in den Umschlägen Honorarnoten sein mussten, und rührte meinen Umschlag nicht an. Genau in diesem Moment trat einer der anwesenden und mir schon seit Jahren bekannten Pharmareferenten an mich heran und fragte mich, ob ich nicht zumindest nachsehen wollte, bevor ich ablehnte, das Geld zu nehmen.

Ich sagte ihm, dass ich dabei bliebe, kein Geld von irgendeiner Firma zu nehmen, und letzten Endes der Einladung auch nur unter der Bedingung gefolgt war, kein Geld für meinen Aufwand zu bekommen. Er hakte nach: »Schauen Sie doch, die anderen nehmen es ja auch. Es ist doch nur legitim, dass wir Ihre Zeit, Ihre Kosten und auch für Ihren geschätzten Beitrag hier bezahlen dürfen. Wollen Sie nicht zumindest nachsehen, was Sie sich entgehen lassen?«

Ich dankte ihm nochmals und übergab ihm das Kuvert, woraufhin er meinte: »Es sind ja ohnehin nur 1.500 Euro. Es wäre das Mindeste für Ihre Teilnahme an der Sitzung. Sie brauchen nur mehr Ihre Kontonummer einzutragen, die Honorarnote zu unterschreiben und abzuschicken. Es wäre alles rechtens. Nach der Steuer bleibt ohnehin nicht mehr viel übrig. Es ist nur ein kleines Dankeschön, nicht mehr.«

Ich bedankte mich und lehnte nochmals eindringlich ab: »Nein, wirklich nicht, dies war nicht vereinbart. Ich sagte Ihnen ja, dass ich nur hier teilnehme, wenn ich meine Unabhängigkeit behalten darf. Und wenn ich Geld annehme, verliere ich meine Unabhängigkeit.«

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