Insbesondere als neuer Anbieter und potenzieller Kooperationspartner muss man sich mit Kompetenzen und Produkten sichtbar machen, um von anderen Marktteilnehmern beachtet zu werden. Qualität allein reicht dafür nicht, es sei denn, es gelingt, irgendwie als »Geheimtipp« gehandelt zu werden. Doch müssen die meisten Newcomer normalerweise die Erfahrung machen, dass es mit einem weiteren Prospekt, einer weiteren Website oder Aussendung nicht getan ist. Was mit viel Sorgfalt und Hingabe produziert wird, bleibt ohne Resonanz.
Versuche, sich dem Markt genehm zu machen, indem großzügig Kompetenzen behauptet, Leistungen und Wirkungen versprochen sowie alle gängigen attraktiven Schlüsselworte benutzt werden, finden meist auch nicht mehr Beachtung. Was macht es dann aus, dass man Resonanz findet? In welchen Zeiträumen und bei wem, mit welcher Nachhaltigkeit kann man Reaktionen erwarten? Auf diese Fragen gibt es keine allgemeingültigen Antworten, weil jeder Markt, jedes Milieu hier seine eigenen Gesetze hat. Marktkompetenz – und etwas allgemeiner – Feldkompetenz ist hier gefragt.
Dennoch kann man Prinzipien nennen, die hilfreich sind, Aufmerksamkeit zu erlangen. Es muss gelingen, aus der Masse herauszuragen, am besten durch glaubwürdige Originalität. Irgendetwas muss durch die vorgezeigten Oberflä-chen hindurch rüberkommen, was bei anderen verfängt und in Erinnerung bleibt. Man muss anderen einfallen, wenn im entscheidenden Moment über mögliche Partner oder Mitwirkende gesprochen wird.
Das hierfür Entscheidende liegt auf einer emotionalen Ebene. Entweder gelingt es, Suchbewegungen und Sehnsüchte anzusprechen oder man konnte durch die Oberfläche hindurch Intuitionen über glaubwürdige besondere Profile und Kompetenzen wecken. Dazu kommt, dass die Empfehlenden die Erwartung haben, dass auch sie ihren Nutzen von der Empfehlung haben werden. Es reicht auch nicht unbedingt, einen Empfehlenden persönlich zu beeindrucken. Oft muss man diese Darstellungen zur Verfügung stellen, mit denen er andere überzeugen kann. So kann der überzeugte Personalentwickler im eigenen Unternehmen auf frostige Reaktionen stoßen, wenn er zu viel auf seine persönliche Begeisterung baut und nicht genügend auf angemessene Präsentation bei Entscheidern und Betroffenen achtet. Ein Problem ist, dass man selten differenziertes und aufrichtiges Feedback in diesen Dimensionen bekommt. Umso wichtiger ist eine gute Weiterbildung und sind professionelle Gemeinschaften, die eine achtungsvolle und offene Dialogkultur pflegen. Sie schließen solche Spiegelungen ein. Qualität ist dabei nicht ohne Weiteres dadurch herstellbar, dass solche Punkte auf die Agenda aufgenommen werden, sondern sie hängt vom Gesamtniveau der gepflegten Professions- und Lernkultur ab.
4.8.6 Sensibilität und Robustheit
Zur professionellen Kompetenz gehört zwischenmenschliche Sensibilität. Dies meint Aufmerksamkeit für eine Reihe von Dimensionen des Gegenübers. Der andere will sich als Persönlichkeit gewürdigt sehen und kann sehr verärgert werden, wenn er sich nur als Funktionsträger und Mittel zum Zweck gesehen fühlt. Gleichzeitig darf die Zuwendung nicht als Bestechungsversuch erlebt werden, um zu gewinnen, ohne dass fachliche Ansprüche oder die Würde des Amts beachtet werden. Menschen sind immer hungrig danach, als jemand gesehen zu werden, der sie selbst zu sein versuchen. Partner, die dies spiegeln und Zuversicht wecken, dass es mit ihnen zusammen in diese Richtung gehen kann, sind interessant. Schönrederei, Selbstgefälligkeit und Schmeichelei oder illusionäre Vorstellungen und unsolide Versprechungen helfen bei seriösen Partnern nicht, denn irgendeine Instanz in ihnen weiß, was stimmig ist und was nicht.
Es ist also wichtig, auf die Welt der Partner und Kunden feinsinnig und entgegenkommend zu reagieren. Damit man dabei aber nicht wie ein Grashalm im Wind und ohne Kontur erlebt wird, braucht man ein solides Selbstverständnis und eine gewisse Robustheit. Dies gilt sowohl für das Aushalten belastender Situationen nach innen wie auch das kraftvolle Auftreten nach außen. Es kommt schon vor, dass Auftraggeber oder Partner sich aus Unsicherheit oder Machtgewohnheit zu einem Stärkegebaren (Schmid 2004a, Kap. 1) aufschwingen. Dies kann leicht Angst und inneren Bewährungsdruck auslösen und an Sensibilität und Kraft zehren. Deshalb ist es auch wichtig, dass man lernt, für sich zu sorgen, d. h. sich seine Ängste einzugestehen und sie konstruktiv zu kontrollieren. Nach außen ist wichtig, einerseits durch kraftvolle Antworten Eindruck zu machen, andererseits nach Resonanz darauf dann differenziertere Töne anzuschlagen und sensiblere Seiten im Gegenüber anzusprechen. Beides allein hätte weniger Aussichten auf Erfolg.
Man braucht für die unternehmerischen Aspekte der eigenen Tätigkeit nicht nur eine relativ stabile Gesundheit, die man zu pflegen lernen muss, sondern eine gewisse Robustheit. d. h. die Fähigkeit, Enttäuschungen und Niederlagen zu ertragen, ohne überzureagieren. Auf der anderen Seite sollte man sich nicht von Begeisterungen wegschwemmen lassen, sondern mit den Füßen auf dem Boden bleiben und bei der Verwirklichung von Visionen durchhalten. Das heißt, Professionelle sollten sachlich stabil und in Beziehungen zuverlässig und fair bleiben können, auch wenn Belastungen zu ertragen sind oder man enttäuscht worden ist.
Abb. 1: Nachtkerzen
4.8.7 Weltläufigkeit und Bodenständigkeit
Eine weitere Dimension soll noch als Dualität beschrieben werden: Weltläufigkeit und Bodenständigkeit.
Da unsere Welt immer flexibler und internationaler wird, werden heute von Professionellen Fremdsprachen, Reisekompetenz, häufige Umgebungswechsel, eine Toleranz für Verzicht auf vertraute Umgebungen und ein bewegliches Auftreten in multikulturellen Umgebungen erwartet. Dementsprechend werden solche Kompetenzen erworben und dem Selbstbild hinzugefügt. Wie viel davon stimmig ist und welche Belastungen dadurch empfunden werden, kommt vielleicht zu selten zum Vorschein. Vielleicht ist das auch ein würdigt Lernprozess, der erst über Generationen tiefer greifend gelingt.
Wenn es um Vertrauen geht, spielen Informationen oder Intuitionen über den anderen eine Rolle, die eher in klassischeren, familiäreren, anfassbaren Dimensionen beschrieben sind. Sie sind hier bei aller Modernität unter dem Begriff »Bodenständigkeit« zusammengefasst. Viele wollen ein Gefühl dafür haben, wie es wäre, den anderen als Hausgenossen, als Sportkamerad, als Partner in einer gemeinsamen Unternehmung oder als Freund zu haben. Sie suchen einzuschätzen, wie er sich zu seiner Herkunft, zu seinen bisherigen Weggefährten, zu seinen Nachfolgern oder zu seinem gegenwärtigen Lebens-milieu stellt, ganz nach dem Motto: »Sage mir, wo du dich beheimatest und für wen du wichtig sein willst und ich sage dir, wer du bist (für mich sein kannst)!« All das ist vielleicht ein indirekter Versuch, einzuschätzen, was man für sich selbst und die gemeinsame Sache vom anderen zu erwarten hat.
Doch auch für einen selbst kann die Rückbindung an die eigene Herkunft, die Verbundenheit mit dem Lebensumfeld, die Würdigung von allem, was dazu beigetragen hat, was man geworden ist, eine wesentliche Grundlage für professionelle Identität sein. Es ist, als würde die eigene Persönlichkeit von einer Hülle umgeben, die sie stabilisiert und aus dem Hintergrund nährt. Wer würdigt, woher er kommt und wohin er gehört, hat die substanzielle Freiheit, sich in die Zukunft zu bewegen. In vielen Fällen lohnt es, sich mit seinen Wurzeln zu beschäftigen, gerade wenn man sich unterwegs verliert oder ein besonders gutes Fundament für hoch und weit strebende Äste braucht.
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