Gleichgültig womit Sie anfangen, erwerben Sie sich Ressourcen für die Situation «An einer Berufsfachschule im dualen Berufsbildungssystem unterrichten» (C2 Erfahrungen und Ressourcen) . Nutzen Sie diese beim Unterrichten und machen Sie damit die ersten Erfahrungen, werden Sie mit der Zeit in der Lage sein, sie situationsgerecht zu gebrauchen.
Vor dem Problem, dass man Theorie ohne Praxis und auch Praxis ohne Theorie nicht verstehen kann, stehen natürlich auch die Lernenden in ihrer Ausbildung. In diesem Buch geht es im Wesentlichen darum, wie man ihnen helfen kann, damit umzugehen. Entsprechend ist vieles, was hier dargestellt wird, nicht nur auf die Situation «Wie sagt es die Lehrperson den Lernenden?», sondern auch auf die Situation «Wie sagt es der Autor den Lesenden?» anwendbar. Das Buch ist daher ein didaktischer Doppeldecker. Ich versuche mich an dieselben Vorgehensweisen der Wissensvermittlung zu halten, die hier propagiert werden – zumindest so weit das in der Einbahnkommunikation von mir als Autor zu Ihnen als Leserin oder Leser möglich ist. Wo immer das geschieht, habe ich versucht, das deutlich zu machen.
Hintergrund all dessen, was hier dargestellt wird, ist das schweizerische Berufsbildungssystem. Für diejenigen, die damit nicht so vertraut sind, findet sich am Ende des Buches ein Glossar, wo ausgewählte Begriffe und Besonderheiten dieses Systems erläutert werden (D2 Das schweizerische Berufsbildungssystem) .
TEIL A
Teil A steht unter dem Motto: «Unterricht ist ein komplexes Geschehen. Und genau deswegen brauchen wir Rezepte. Einfache Probleme lassen sich auch ohne Rezepte lösen.» (Grell & Grell 1996, S.48)[1]
Hier werden verschiedene Unterrichtsrezepte vorgeschlagen, mit deren Hilfe man jeweils eine der folgenden drei Zielsetzungen erreichen kann:
• Den Lernenden helfen, zur Bewältigung bestimmter Situationen eine neues Vorgehen zu erwerben (Rezepte A1, A4und A5).
• Mit den Lernenden ihr bisheriges Vorgehen in bestimmten Situationen reflektieren (Rezepte A2und A6).
• Den Lernenden helfen, Vorkommnisse in ihrem Umfeld zu verstehen und einzuordnen (Rezept A3).
Hintergrund zur Frage, warum gerade diese drei Zielsetzungen im Fokus stehen:
C7 Schnelles Denken, langsames Denken .
Die Unterrichtsrezepte A1und A2sind voneinander unabhängig. Sie können sie sich in beliebiger Reihenfolge anschauen beziehungsweise erarbeiten. Die anderen vier Unterrichtsrezepte bauen auf diesen beiden Grundrezepten auf. Darüber hinaus gibt es noch drei Hilfsrezepte ( A7bis A9). Innerhalb der Unterrichtsrezepte finden Sie an geeigneter Stelle Hinweise darauf.
Erstes Grundrezept: «Die acht Schritte»
Im Alltag werden Berufsleute mit unterschiedlichsten Situationen konfrontiert, wie «ein Brot backen», «ein Kundengespräch führen», «eine Klientin mobilisieren», «ein Gerüst aufstellen», «einen Computer als Server einrichten» etc. Die Lernenden müssen lernen, die Anforderungen, die sich aus den jeweiligen Situationen ergeben, professionell zu bewältigen.
Für die Bewältigung mancher dieser Situationen gibt es bewährte Verfahren, die in den Grundzügen an der Schule vermittelt und auch geübt werden können – beispielsweise wie man ermittelt, wie viel Mehl man für eine bestimmte Anzahl Brote braucht oder welche Schritte und Tests man am besten beim Einrichten eines Servers einhält (Weitere Beispiele: B1, B2 und B3) .
Um Lernenden zu helfen, solch bewährte Verfahren zu erwerben, ist das Unterrichtsrezept Handeln vorbereiten entstanden.
Leseanleitung: Möchten Sie sich einfach informieren, wie dieses Rezept aufgebaut ist, dann lesen Sie hier direkt weiter. Möchten Sie aber angeleitet werden, wie Sie sich dieses didaktische Rezept am besten zu eigen machen, dann gehen Sie zu A9 Leseanleitung zu Teil A .
A1.2 Handeln vorbereiten kurz gefasst
Das Rezept umfasst acht Schritte. Jeder davon ist für sich allein genommen nicht besonders spektakulär. In ihrer Gesamtheit haben sie sich aber als äusserst wirksam erwiesen.
Im Zentrum stehen:
• Eine bestimmte Situation– wie «ein Brot backen» oder «einen Computer als Server einrichten» – deren Bewältigung die Lernenden am Ende ihrer Ausbildung beherrschen müssen (Hintergrund: C1 Subjektive Erfahrungsbereiche) .
• Ein bewährtes Vorgehen, um mit den Anforderungen dieser Situation fertigzuwerden.
Schritt 1: Warten, bis die Lernenden schon entsprechende Erfahrungen gemacht haben
Der erste «Schritt» ist eigentlich kein Schritt, sondern eine Regel, die die notwendigen Voraussetzungen für das Folgende sicherstellt: mit der Behandlung einer bestimmten Situation zuwarten, bis möglichst viele der Lernenden schon Erfahrungen mit dieser Situation gesammelt haben.
Schritt 2: Erfahrungen schildern lassen
Im ersten eigentlichen Schritt des Ablaufs geht es darum, die entsprechende Situation im schulischen Unterricht lebendig werden zu lassen. Dazu beschreibt man kurz die Situation, die besprochen werden soll (z.B. «Es geht heute um das Backen eines Brotes aufgrund eines Rezepts.»), und lässt dann die Lernenden von ihren Erfahrungen erzählen.
Schritt 3: Mittelschwere Aufgabe stellen und die Lernenden in Gruppen erarbeiten lassen, wie sie diese mit ihrem bereits vorhandenen Wissen angehen würden
Als Nächstes stellt man den Lernenden ohne weitere Instruktion eine entsprechende Aufgabe und lässt diese in Gruppen lösen (z.B. «Hier ist ein Brotrezept. Besprecht, wie ihr vorgehen würdet, um 20kg dieser Brotsorte zu backen!»).
Schritt 4: Die Lösungen der Lernenden gemeinsam kritisch besprechen
Die einzelnen Gruppen stellen reihum ihre Lösungen vor. Diese werden verglichen und die jeweiligen Stärken und Schwächen diskutiert. Fragen, die sich daraus ergeben, werden notiert.
Schritt 5: Vorgehen einführen, Benutzung an realistischem Beispiel modellhaft vormachen
Beim fünften Schritt steht die Lehrperson am deutlichsten im Zentrum. Sie führt an einem Beispiel modellhaft vor, wie ein professionelles Vorgehen in der Situation aussieht (z.B. indem sie ausgehend von einem Rezept für einen Butterzopf die benötigten Zutaten für 30kg fertigen Zopf berechnet). Im Idealfall erkennen und erleben die Lernenden diese Vorführung als Antwort auf all die Fragen und Unsicherheiten, die sich in den vorangegangenen Schritten angesammelt haben.
Schritt 6: Die Lernenden eigene Beispiele erfinden lassen, bis sie sich sicher fühlen
Anschliessend spielen die Lernenden mit möglichst vielen Beispielen selbst durch, was sie am Modell beobachten konnten. Dazu lässt man sie selbst Aufgaben erfinden, die sie untereinander austauschen und dann bearbeiten (z.B. für andere Brotsorten und andere Brotmengen).
Schritt 7: Die Lernenden Spickzettel für die Arbeit im Betrieb erarbeiten lassen
Mit diesem Schritt wird der Übergang zurück in den beruflichen Alltag eingeleitet. Die Lernenden erhalten den Auftrag, persönliche Spickzettel zu schreiben, die sie während der Arbeit auf sich tragen und konsultieren könnten (z.B. «Zuerst Teigmenge ermitteln, dann … nicht vergessen: 100 % gleich Mehlmenge!»).
Schritt 8: Die Anwendung im Betrieb diskutieren
Als letzter, aber zentraler Schritt geht es darum, das, was in der Schule funktioniert, auf die Bearbeitung realer Situationen im Betrieb zu übertragen. Die Lernenden werden ermutigt, das besprochene und geübte Vorgehen im Betrieb auszuprobieren. Ein paar Wochen später wird die Situation wieder aufgenommen, und die Erfahrungen der Lernenden werden besprochen.
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