Der menschliche Energiehaushalt ist eine sehr komplexe und differenzierte Einheit. Daher kann ich nur raten: Lerne deine Schwächen kennen und lade sie ein, Teil deiner neuen Ganzheit zu werden. Als Teil eines größeren Ganzen erhalten deine Schwachstellen die Kraft, sich zu entwickeln.
Wenn die sexuelle Energie ungekonnt manipuliert wird, kann sie in Organe, Energiezentren oder gar ins Gehirn dringen und negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Überhitzungserscheinungen wie innere Unruhe und Schlaflosigkeit und anderes können zu einem energetischen oder emotionalen Ungleichgewicht führen. Über einen längeren Zeitraum hinweg können solche Disharmonien sogar psychische oder körperliche Krankheiten bewirken und große Probleme auf der Persönlichkeitsebene verursachen. Dass Menschen im Umgang mit ihrer sexuellen Entwicklung nicht auf diese Alarmzeichen hingewiesen und sensibilisiert werden, bedeutet nicht, dass es sie nicht gibt. Die Umwandlung und Heilung der Sexualkraft sollte von verschiedenen Körper- und Energieübungen, emotionaler Heilung und vor allem von Meditation, einer entsprechenden Ernährung und einem angemessenen Lebensstil begleitet werden, damit der Körper ganzheitlich und gründlich auf das höhere Energieniveau vorbereitet wird.
5. Fundament einer erfüllten Sexualität
Kleine und große Wunder
Es ist immer wieder erstaunlich zu erfahren, was Frauen und Männer sich von ihrer Sexualität erhoffen. Die Erwartungen an sexuelle Beziehungen übertreffen alle anderen Lebensbereiche haushoch, obwohl die tatsächlich gelebten sexuellen Momente einen relativ kleinen Teil des Lebens ausmachen. Rechne selbst einmal aus, wie viele Minuten pro Monat du sexuell aktiv bist und wie viele davon du tatsächlich als orgastisches Highlight erlebst. Vergleiche damit einmal die Zeit, die du für deinen Haushalt beanspruchst oder zum Kochen und Essen, zum Fernsehen oder Lesen, zum Arbeiten oder Schlafen.
Selten begibt sich jemand in eine Beratungsstelle oder Therapie, weil Putzen und Bügeln einen Konflikt auslösen oder als frustrierend empfunden werden. Obwohl diese Lebensbereiche den Umfang eines »normalen« Sexlebens weit überschreiten. Die Sehnsucht nach Erfüllung beim Putzen hat nicht den gleichen Stellenwert wie die Sehnsucht nach Erfüllung in der Sexualität (obwohl Reinigung im Zusammenhang mit Sex eine sehr wichtige Funktion ausübt, wie du noch sehen wirst).
Was unter sexueller Erfüllung verstanden wird, macht oft den Anschein, dass die Hoffnung auf sexuelle Erfüllung gleichbedeutend ist mit einer Sehnsucht nach Erlösung, die eher einen spirituellen Charakter hat. Vielleicht ist es eine tiefe Sehnsucht nach der heiligen inneren Hochzeit?
Sex ist vielseitig und kann große und kleine Wunder vollbringen. Deshalb ist er so beliebt. Als Kuschelsex übernimmt er beispielsweise die Funktion eines Trostpflästerchens, um eigene Wunden und Schwächen nicht zu spüren. Sex kann das Leben abenteuerlich und lebendig machen und ermöglicht es uns, den monotonen Alltag etwas abwechslungsreicher zu gestalten. Sex macht Spaß, verleiht Selbstvertrauen und Selbstbestätigung. Sex ist geil, erotisch, sinnlich und verbindet Menschen miteinander. Sex kann Intimität schaffen, Sex ist ein schöner Zeitvertreib und auch ein beliebtes Mittel zum Stressabbau. Im Fernsehen hörte ich eine sogenannte Tantralehrerin einmal sagen, sie habe fast täglich Sex, um sich zu fühlen. Im Stil von: Ich habe Sex, also bin ich. Viele Menschen sind sexuell sehr bescheiden und geben sich mit solch kleinen Wundern zufrieden.
Die kleinen Wunder sind allen Menschen zugänglich, die großen Wunder zu erfahren, erfordert persönlichen Einsatz. Erst müssen im Inneren die Voraussetzungen geschaffen werden, damit etwas Größeres geschehen kann. Das erfordert den Mut, die persönlichen Unsicherheiten, Schwächen und Begrenzungen zu erkennen und sich weiterzuentwickeln. Solange unsere Sexualität von unbewussten Anteilen gesteuert und Sex lediglich unbewusst eingesetzt wird, um kleine Wunder zu erleben, können die großen Wunder nicht geschehen.
Was ist normal?
Im Zusammenhang mit sexueller Erfüllung taucht immer wieder die Frage auf, was eigentlich normal sei. Erstaunlich viele Menschen – Frauen wie Männer – kommen zu mir in die Sexualberatung, weil sie sich darüber informieren möchten, ob ihre Sexualität beziehungsweise ihre Gefühle und Neigungen der Norm entsprechen.
Ja, normal ist, was der Norm entspricht – und das ist nicht unbedingt erstrebenswert. Die Sexualität der meisten Menschen ist unbewusst und fremdbestimmt. Das entspricht der Norm. Die Norm ist die sicherste Liebestöterin überhaupt, sie killt Lebendigkeit, Individualität und Kreativität. Diese aber verleihen der Sexualität gerade ihre Würze. Was allgemein als normal betrachtet wird, können du oder ich durchaus als gestört empfinden.
Die sexuelle Norm wird vom kollektiven Bewusstsein geprägt, und dieses ist von den moralischen Grundsätzen der Religion sowie der Überbetonung des männlichen Prinzips beeinflusst. Heute wird die Norm zudem stark von den Medien und der Werbung manipuliert. Es ist unsere Aufgabe, die Sexualität aus den Klauen des Kollektivs und der sogenannten Normen zu befreien.
Die Erfüllung
Doch bleiben wir noch etwas bei der Norm. Ihr zufolge gilt der Orgasmus, am besten noch der von beiden Partnern gemeinsam erlebte, als die sexuelle Erfüllung – ebenso wie der Samenerguss als Höhepunkt des männlichen Orgasmus gilt. Und irgendwie stimmt das ja auch. Der eigentliche Sinn und Zweck der Sexualität ist die Fortpflanzung, und mit dem Samenerguss ist die Mission der Arterhaltung für eine bestimmte Zeit erfüllt. Wie aber kann eine Sexualität, die entleert, erfüllend sein? Ein Zustand der Erfüllung ist gekennzeichnet durch innere Fülle und Wohlgefühl: Wie aber kann man einen erfüllten Zustand erreichen, der durch Stimulation eingeleitet wird und in einer Entleerung von Lebenssäften gipfelt? Absichtlich spreche ich hier nicht von sexueller Befriedigung, sondern von sexueller Erfüllung. Befriedigung und Erfüllung haben unterschiedliche Qualitäten. Sexuelle Erfüllung wird durch weibliche Qualitäten geprägt und wirkt nachhaltig nährend und heilend. Unter Befriedigung versteht man eher eine lustvolle und kurzfristige Spannungsentladung. Der sexuelle Hunger wird gestillt. Die interessante Frage lautet nun, ob es tatsächlich eine sexuelle Erfüllung gibt? Und wenn ja, wie ist sie? Beginnen wir mit den eigenen Empfindungen und Vorstellungen. Nimm dein Tagebuch und setz dich mit folgenden Fragen auseinander:
TAGEBUCH
Sexuelle Erfüllung
Ich möchte dich bitten, diese Fragen auf dich wirken zu lassen und in Ruhe zu beantworten. Nur so kannst du dir eine eigene Meinung zu diesem Thema bilden.
♥Was bedeutet für dich sexuelle Erfüllung?
♥Wie erfüllend ist deine Sexualität? (Nimm dir für die Auseinandersetzung mit dieser Frage genug Zeit.)
♥Erinnere dich an eine Situation, in der du Erfüllung erfahren hast. Der Moment kann etwas mit Sexualität zu tun haben, muss aber nicht.
Erfüllung einladen
Sexuelle Erfüllung wird nicht allein durch die Gunst der kleinen Liebeskerlchen Amor und Eros verursacht. Wir selbst können viel dazu beitragen, unsere Chancen auf ein Erfüllungserlebnis zu erhöhen, indem wir ein einladendes Klima schaffen. In die Sexualberatung kommen häufig beruflich erfolgreiche Menschen, die ihre Sexualität »verbessern« wollen. Viele dieser Menschen haben gemein, dass sie sehr viel ihrer Energie und Zeit in die Karriere gesteckt haben, weshalb sie in ihrem Beruf auch erfolgreich sind. Ihre Sexualität hingegen erleben sie als unbefriedigend. Wie könnte das auch anders sein, sie wurde weder gefördert noch entwickelt. In der Sexualität gilt wie auch auf anderen Gebieten: Von nichts kommt nichts. Je mehr Zeit und Energie wir in die Entwicklung der Sexualität investieren, desto mehr wird möglich. Die weibliche Sexualität steht und fällt mit den weiblichen Qualitäten einer Frau. Engagierte extrovertierte Frauen müssen lernen, ihre weiblichen Anteile zu nähren und zu stärken, um gute Voraussetzungen für eine nährend erfüllende Sexualität zu schaffen.
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