EHP – Edition Humanistische Psychologie
Hg. Anna und Milan Sreckovic
Hans Trüb (1889–1949), Arzt und psychoanalytischer Psychotherapeut, verheiratet mit Susanne (›Susi‹) Wolff; nach dem Medizinstudium in Zürich und der Bekanntschaft mit C. G. Jung Tätigkeit als Assistenzarzt an der Klinik von Eugen Bleuler (Psychiatrische Universitätsklinik Zürich Burghölzli), wo Jung ihn informell betreute; Lehranalyse bei Jung; seit 1922 kritische Auseinandersetzung mit der analytischen Psychologie Jungs mit dem Fokus auf die relationalen Wirkfaktoren der Psychotherapie und auf eine erweiterte Definition des Begriffs des Selbst, da seiner Meinung nach die klassische Psychoanalyse und die analytische Psychologie die zur Heilung seelischen Leids erforderliche Beziehungsperspektive nicht ausreichend berücksichtigten und nicht gebührend unterstützten; seit Mitte der 1920er-Jahre Freundschaft mit Martin Buber; entwickelte unter dem Einfluss von Buber seinen anthropologisch-dialogischen Ansatz; Autor mehrerer Veröffentlichungen (seit 1917), u. a. Aus einem Winkel meines Sprechzimmers, Psychosynthese als seelisch-geistiger Heilungsprozeß, Vom Selbst zur Welt; sein hier vorgelegtes letztes Buch wurde erst posthum von seinen Freunden Ernst Michel und Arie Sborowitz zu Ende geführt und 1951 herausgegeben.
© 2015 EHP – Verlag Andreas Kohlhage, Bergisch Gladbach
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Für diese Neuausgabe wurde das Original vorsichtig der Neuen Deutschen Rechtschreibung angepasst und offensichtliche Druck- und Rechtschreibfehler der ersten Auflage verbessert, ohne weitere Eingriffe in den Originaltext vorzunehmen.
Verlag und Herausgeber danken der Familie von Hans Trüb für die Möglichkeit, diesen Text in einer angemessenen Weise neu herauszubringen.
Das Original erschien zuerst posthum u. d. T.: Heilung aus der Begegnung. Eine Auseinandersetzung mit der Psychologie C. G. Jungs. Mit einem Geleitwort von Martin Buber. Aus dem Nachlass herausgegeben von Ernst Michel und Arie Sborowitz. Stuttgart 1951‹
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.deabrufbar.
Umschlagentwurf: Gerd Struwe, Uwe Giese
– unter Verwendung eines Bildes (Ausschnitt) von Dorothee Cyran-Daboul: »Lara« –
Satz: MarktTransparenz Uwe Giese, Berlin
Gedruckt in der EU
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ISBN 978-3-89797-091-5 (print)
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Geleitwort zur ersten Ausgabe von 1951 von Martin Buber
1. Tiefenpsychologie und Psychotherapie
Historische Einführung
Der tiefenpsychologische Heilungsbegriff in anthropologischer Beleuchtung
Zur Phänomenologie und Problematik der funktionellen Subjektspaltung
Jungs Einigungsversuch durch introversive Individuation
Die Forscherpersönlichkeit C. G. Jungs
2. Psychologie und Anthropologie in der therapeutischen Situation
Zur theoretischen Einführung
Die Komplementarität von dialektischer und dialogischer Haltung
Das Zusammenspiel der beiden Positionen
Der transzendentale Seinsgrund im Menschen und seine Verdunkelung
Jungs psychologischer Vorstoß in die archetypische Welt der Seele
Der Zirkelschluss im therapeutischen Realisierungsprozess bei C. G. Jung
Der anthropologische Durchbruchsversuch vom Selbst zur Welt
Jungs Methode der Selbstsuche und ihre Aneignung für die freie psychotherapeutische Praxis
3. Anthropologische Psychotherapie in der Praxis
Die personale Begegnung von Arzt und Patient
Die erste Sprechstunde
Fragmente aus dem Abschnitt »Die letzte Sprechstunde«
Gedanken zum psychotherapeutischen Problem
Nachwort zu ersten Ausgabe von 1951 von Arie Sborowitz
Selbst und Welt – Bemerkungen zur Neuauflage von Milan Sreckovic
Anmerkungen & Literatur
So offenbar ist die Größe des Menschen,
dass er sie selbst aus seiner Niedrigkeit gewinnt.
[…]
Denn wer fühlte sich unglücklich,
nicht König zu sein, als nur ein entthronter König?
[…]
Trotz des Anblick all unseres Elends, das uns anpackt und würgt,
haben wir ein unaustilgbar sicheres Gefühl für das, was uns emporhebt.
(Blaise Pascal)
Geleitwort zu ersten Ausgabe 1951
von Martin Buber
Wenn der Träger eines »geistigen Berufs« mitten in seiner Tätigkeit Mal um Mal innehalten muss, weil er der Paradoxie gewahr wird, die er betreibt (jeder dieser Berufe steht auf paradoxem Grund), ist schon etwas Erhebliches geschehen. Bedeutend wird dieses Geschehen aber erst, wenn er sich nicht damit begnügt, solche flüchtigen Erschütterungen einer wohlgefügten Welt in die Register des Gedächtnisses aufzunehmen, sondern sich immer wieder, entweder sogleich nach der Vollendung der so unterbrochenen Tätigkeit oder eine Weile danach, in einem angestrengten und unbefangenen Besinnen mit der aktuellen Problematik, auf die er hingewiesen worden ist, befasst. Und wenn er sich ihr stellt und mit ihr und mit dem Einsatz der lebenden und leidenden Person zu immer größerer Klärung jener Paradoxie vordringt. So wird und wächst ein geistiges Schicksal mit seiner eigentümlichen, zögernden, tastenden, tastend ringenden, schwerfällig überwindenden, überwindend erliegenden, erliegend erleuchteten Produktivität. Solcherart ist Hans Trübs Schicksal gewesen.
Aber der besondere Beruf, um den es hier geht, ist unter allen der paradoxeste, ja er ragt in seiner Paradoxie aus der Sphäre der geistigen Berufe nicht minder hervor als dieses geordnete geistige Treiben insgesamt aus der Gesamtheit der professionellen Wirksamkeit. Gewiss, auch der Anwalt, der Lehrer, der Priester und nicht minder der Arzt des Leibes – jeder von ihnen bekommt, sofern ihm ein echtes Gewissen seines Berufs zuteil geworden ist, zu spüren, was es heißt, sich mit den Nöten und Bangnissen des Menschen und mit der Befriedigung seiner Bedürfnisse zu befassen. Aber dieser hier, der »Psychotherapeut«, dem es aufgetragen ist, Warter und Heiler kranker Seelen zu sein, begegnet jeweils der nackten Abgründigkeit des Menschen, seiner abgründigen Labilität, der schlimmen Zugabe, die bei der Erwerbung jenes der Natur unbekannten Prozesses mit in den Kauf genommen werden musste, den man im spezifischen Sinne als Psychik bezeichnen darf. 1Und zwar begegnet er ihr nicht wie der Priester mit heiligem Gnadengut oder doch heiligem Wortgut ausgerüstet, sondern als bloße Person, über nichts anderes verfügend als über die Tradition seiner Wissenschaft und die Theorie seiner Schule. Es ist verständlich genug, dass er den ihn antretenden Abgrund zu objektivieren und den tobenden Nichts-als-Prozess in ein einigermaßen handhabbares Ding umzuwandeln bestrebt ist. Dabei leistet ihm der von den Schulen mannigfaltig ausgearbeitete Begriff eines Unbewussten wesentliche Hilfe. Der Wirklichkeitsbereich dieses viel genannten Begriffs ist meinem Verständnis nach unterhalb der Aufspaltung menschlicher Existenz in körperliche und seelische Phänomene gelagert.
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