Dr. Mario Herger
Future
Angst
Copyright 2021:
© Börsenmedien AG, Kulmbach
Gestaltung Cover: Daniela Freitag
Gestaltung und Satz: Daniela Dittrich
Herstellung: Daniela Freitag
Vorlektorat: Karla Seedorf
Korrektorat: Diane Kieselbach
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86470-771-1
eISBN 978-3-86470-772-8
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Für Gabriel, Darian und Sebastian.
And for May Kou.
1.„Alexa hört ja immer zu!“ KAPITEL 1 „Alexa hört ja immer zu!“ Wenn Sie einen Moment in der Geschichte wählen müssten, um geboren zu werden, und Sie wüssten nicht im Voraus, wer Sie sein würden – Sie wüssten nicht, ob Sie in eine wohlhabende oder arme Familie, in welchem Land oder ob Sie als Mann oder Frau geboren würden –, wenn Sie blind wählen müssten, in welchem Moment Sie geboren werden möchten, würden Sie jetzt wählen. Barack Obama, 2016
Wie schön wäre Technik ohne Menschen
Sind wir zu dekadent geworden?
2.Present Angst – Status quo
Die Zunge des Spechts
Das Funktionsdilemma
Ein Land voller Moralunternehmer
Erwähnungsumkehr
Die digitale Malaise
Dinglichkeit der Dinge
Verklagt die Innovatoren!
3.Past Angst – Goldmine der Absurditäten
Soziale Phasenverschiebungen
Die gute alte Zeit
Innovationen der Vergangenheit und damalige Reaktionen
Zombie-Ideen und Bullshit
Digitaler Cargo-Kult
Wirtschaftswachstum und Effizienzsteigerungen
Die Giraffe des Kaisers von China
Der Mann, der China liebte
Schlussfolgerungen
4.Past Chance – Wir konnten es einst!
Vom Mittelalter ins Maschinenzeitalter
Die Entstehung der Wissenschaften
China und der Islam: Paradigmen einer Stagnation
Die Geschichte von der bedeutendsten Erfindung der Menschheitsgeschichte
5.Present Angst – Die Gründe und Auswirkungen
Mindset
Institutionen
Megatrends
Profiteure
Signalwirkung
6.Future Chances – Zukunftsmaßnahmen
Mindset
Institutionen
Personen
Rahmenbedingungen
Technologiebewertung
7.Past the Future
Realismus
Moonshots oder Die Linderung des menschlichen Leids
Der drohende Bevölkerungskollaps
8.Design the Future
Endnoten
KAPITEL 1
„Alexa hört ja immer zu!“
Wenn Sie einen Moment in der Geschichte wählen müssten, um geboren zu werden, und Sie wüssten nicht im Voraus, wer Sie sein würden – Sie wüssten nicht, ob Sie in eine wohlhabende oder arme Familie, in welchem Land oder ob Sie als Mann oder Frau geboren würden –, wenn Sie blind wählen müssten, in welchem Moment Sie geboren werden möchten, würden Sie jetzt wählen.
Barack Obama, 2016
Ein Journalist eines deutschsprachigen Wirtschaftsmagazins fährt in meinem Auto mit. Er berichtet über digitale Trends und ist auf Erkundungstour im Silicon Valley. Als wir auf einer der Hauptverkehrsachsen einem der knapp 800 selbstfahrenden Autos, die hier getestet werden, begegnen, zücken wir beide unsere Smartphones, um es zu filmen. Irgendwie drücke ich im Eifer den falschen Knopf meines iPhone X, während ich als Fahrer auf den Verkehr achten muss, und merke erst im Nachhinein, dass ich kein Video aufgenommen habe. Mein Beifahrer allerdings schon – mit seinem iPhone 6. Das Video, das er mir nachher dankenswerterweise zusendet, ist von der Auflösung her so schlecht, dass ich es für meinen Blog nicht verwenden kann. Es ist Sommer 2018, zu diesem Zeitpunkt gibt es das iPhone X schon seit einem Jahr. Warum besitzt er, der über neueste Technologien berichtet, ein altes iPhone? In Autojahren entspricht das einem 30 Jahre alten Auto, das er nicht als Oldtimerliebhaber fährt, sondern mit der Einstellung: „Wozu brauche ich das neueste Zeugs?“
Im Herbst 2018 blättere ich durch die aktuelle Ausgabe von t3n , einem Magazin für Digitalos und Technologie-Enthusiasten. In einem Artikel werden prominente digitale Pioniere gefragt, was sie bei ihren Dienstreisen in ihren Rucksack packen. Der digitale Vorreiter eines großen deutschen Konzerns zählt auf: Laptop, Powerbank, Buch und – ich glaube, mich verlesen zu haben – sein iPhone 6. Wieder jemand, der ein digitaler Innovationsvorreiter in seinem Unternehmen sein sollte und alte digitale Werkzeuge verwendet.
Im März 2020 wurden meine Timelines auf den sozialen Medien mit Meldungen überflutet, in denen meine Kontakte von den Video- und Onlinekonferenzen mit ihren Mitarbeitern und Geschäftspartnern berichteten. Aufgrund der weltweiten Ausgangssperren durch den Coronavirus Covid-19 musste jedes Unternehmen die Mitarbeiter ins Homeoffice schicken und zur Weiterführung des Geschäftsbetriebs Online-Tools einsetzen. Aufmunternde Worte waren die Regel wie auch Tipps, wie diese Werkzeuge von Zoom, Skype, Google Hangouts, Microsoft Teams oder WebEx am besten zu verwenden wären. Ich war etwas baff. Spätestens seit meinem Umzug in die USA im Jahr 2001 gehörten solche virtuellen Konferenzen für mich zum Alltag. In meiner Zeit bei SAP war das die einzige Möglichkeit gewesen, mich mit meinen Kollegen in Deutschland, Israel, China und Indien auszutauschen und auf dem laufenden Projektstand zu bleiben. Zwei- bis dreimal täglich über Jahre hinweg wählte ich mich in solche Onlinekonferenzen ein und habe dabei alles miterlebt: von Verbindungsschwierigkeiten, irrtümlich der Videokonferenz beitretenden Kollegen bis zum kläffenden Hund in der Leitung.
Mir ist schon klar, dass ich mich damals als Mitarbeiter einer großen IT-Firma und dann noch speziell im kalifornischen Silicon Valley in einer technologischen Fortschrittsblase befand. Dennoch überraschte mich, wie sehr diese mindestens 20 Jahre alten Technologien für viele bei uns neuartige Technologie darstellten. Und da stellt sich mir die Frage, was in den letzten Jahren bei all den Konferenzen zu digitaler Transformation denn eigentlich diskutiert worden war? Ich war der Meinung gewesen, wir seien am Beginn, Technologien wie künstliche Intelligenz, Roboter, Chatbots, TensorFlow oder Blockchain auszuprobieren. Dann kristallisiert sich allerding heraus, dass ein simples Onlinevideokonferenzwerkzeug wie Zoom die Unternehmen und Mitarbeiter vor ungeahnte Herausforderungen stellt.
Wer glaubt, wir seien technisch bereits bestens gewappnet, den möchte ich darauf hinweisen, dass in derselben Krise Ärzte und Kliniken Informationen per Fax versandten und Schüler Hausaufgaben auf Papier ausgedruckt von der Schule abholen mussten.
Szenenwechsel:Las Vegas, Nevada. Am Vorabend der CES treffen sich drei Dutzend IT-Berater zu Vorträgen und zum Gedankenaustausch bei einem Dinner. Auf meine Frage, wer einen Sprachassistenten besitzt, bleiben alle Hände unten, dafür ertönt sofort aus dem Hintergrund der Vorwurf: „Alexa hört ja immer zu!“
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