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Von Tamrin, dem Kaufmann
Nun war da ein verständiger Mann, der Chef der Kaufleute, namens Tamrin, der pflegte Kamele zu beladen und hatte an die 73 Schiffe. Damals aber war der König Salomo willens den Tempel Gottes zu bauen und schickte zu allen Kaufleuten, nach Osten und Westen, Norden und Süden. Es sollten die Kaufleute kommen und bei ihm Gold und Silber erhalten, und er solle dafür das erhalten was er zum Werke bedürfe. Da erzählte man ihm von jenem reichen äthiopischen Kaufmann, und er sandte zu ihm, er solle ihm das bringen, dessen er bedürfe: Aus dem Lande Arabien rötliches Gold und unverwesliches schwarzes Holz und Sapphir. Da ging jener Kaufmann namens Tamrin, der Kaufmann der Königin von Äthiopien, zu Salomon, und der empfing von ihm alles, was er begehrte, und gab auch dem Kaufmann, was dieser wünschte, indem er von seiner Habe noch etwas zulegte. Der Kaufmann aber war sehr verständig, und so gewahrte er die Weisheit Salomons und verwunderte sich und merkte auf, um die Antworten genau zu verstehen, die er gab, und ebenso auch sein Urteil, die Beredsamkeit seines Mundes, die Süßigkeit seiner Rede und seine Art zu gehen und zu sitzen, aufzustehen und zu handeln, seine Liebe, seine Einrichtungen, seine Tafel und sein Gesetz. Befehle erteilte Salomon mit Nachgiebigkeit und Milde. Wenn sich welche vergangen hatten, begnadigte er sie, denn er hatte sein Haus mit Weisheit und Gottesfurcht bestellt. die Törichten wies er mit Milde zurecht und den Mägden lies er Milde angedeihen, er öffnete seinen Mund in Gleichnissen, seine Rede war süßer als reiner Honig, sein ganzes Tun war wünschenswert und sein ganzes Aussehen angenehm. Denn die Weisheit ist beliebt bei den Einsichtigen und verachtet bei den Toren. Als nun jener Kaufmann dies alles sah, da erstaunte er und verwunderte sich sehr. Denn denen, die ihn zu sehen pflegten, war Salomon durchaus willkommen und war ihr Lehrmeister. Und die, die zu ihm gekommen waren, die wollten nicht wieder fortgehen und von ihm weichen wegen seiner Weisheit und Schönheit, die Süßigkeit seiner Rede war wie Wasser für den Durstenden, wie Brot für den Hungernden, wie Arznei für den Kranken, wie Kleidung für den Nackten und wie ein Vater für die Waisen. Er urteilte gerecht und war unparteiisch, er hatte Ruhm und Reichtum, den ihm Gott in reichem Maas hatte zu Teil werden lassen. Er besaß Gold und Silber, Edelsteine und kostbare Kleider und große und kleine Tiere ohne Zahl. In den Tagen des Königs Salomo war das Gold wie Erz und das Silber wie Blei, und Erz, Blei und Eisen waren zahlreich wie Rohrgewächs und die Stoppeln des Feldes, und auch Zedernholz gab es viel. So dass an Ruhm und Reichtum, an Weisheit und Gnade, die Gott ihm verliehen hatte, niemand unter den Früheren ihm gleichkam und niemand unter den Späteren ihm gleichkommen wird.
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Wie der Kaufmann nach Äthiopien zurückkehrt
Sodann wünschte Tamrin der Kaufmann in sein Land zurückzukehren. Er ging zu Salomon, huldigte ihm, grüßte ihn und sprach zu ihm: Heil deiner Größe! Entlass mich, sodass ich in mein Land zu meiner Herrin zurückkehre denn ich habe lange verweilt beim Anblick deiner Herrlichkeit und Weisheit und bei den vielen Leckerbissen, die du mir gnädig gewährtest. Jetzt aber will ich zu meiner Herrin gehen. Ich wünschte freilich bei dir zu bleiben als einer deiner niedrigsten Knechte. Denn selig sind die welche deine Stimme hören und deinem Befehl gehorchen. Ja, ich wünschte hier zu bleiben und mich nicht von dir zu trennen, gleichwohl aber entlass mich zu meiner Herrin, wegen des Auftrags, den ich übernommen habe, damit ich ihr das Eigentum übergebe. Denn ich bin ihr Diener. Da betrat Salomon sein Haus und gab ihm alle für das Land Äthiopien erwünschten Kostbarkeiten und entsandte ihn in Frieden. Jener huldigte ihm, ging hinaus, reiste fort und kam zu seiner Herrin und übergab ihr alle die Gegenstände die er mitbrachte. Er erzählte ihr, wie er nach dem Lande Juda, nach Jerusalem, zum König Salomon gekommen sei, und alles, was er gehört und gesehen hatte, erzählte er ihr: Wie jener Rechts- Verhandlungen führte, wie er lauter redete und in allem, was er untersuchte, gerechte Gebote erteilte, wie er milde Antworten gab und kein Falsch an ihm war, wie er beaufsichtige die Arbeiter, die zu je 700 Holz-Lasten schleppten, und über die 800 Steinhauer, wie er sich bei allen Kaufleuten und Verkäufern erkundigte zum Zwecke des Kunstwerks der Weisheit und wegen der Ausführung, wie er nahm und doppelt wiedergab. Und von all seinem Kunstwerk und seiner Arbeit. Täglich erzählte er ihr von aller Weisheit Salomons: Wie er Rechtsverhandlungen führte und wie er das Rechte tat, wie er die Tafel einrichtete und wie er Gelage veranstaltete, wie er die Weisheit lehrte und wie er seinen Dienern und allen Angestellten mit Vorbedacht Befehle erteilte und sie auf sein Wort gingen, ohne dass einer den andern betrog oder das Eigentum seines Nächsten schädigte oder dass in seinen Tagen ein Räuber oder Dieb gewesen wäre. Denn er erkannte in Weisheit die, die sich vergangen hatten, er bestrafte sie und flößte ihnen Furcht ein, und sie taten dann ein Verbrechen nie zum zweiten Mal, sondern lebten in Frieden und Furcht vor dem König. Alles dies erzählte er ihr und erwähnte täglich, was er beim König gesehen hatte, und berichtete es ihr. Sie aber verwunderte sich über das, was sie von dem Kaufmanne, ihrem Diener, hörte, und gedachte in ihrem Herzen zu jenem zu gehen, sie weinte vor lauter Sehnsucht über das, was er ihr erzählte, und wünschte gar sehr zu jenem zu reisen. Also fasste den Gedanken einer Reise zu ihm, hielt es aber aber für zu weit und zu beschwerlich.Immer wieder fragte sie, und immer wieder erzählte er ihr, da verlangte sie danach und wollte gern reisen, um seine Weisheit zu hören und sein Antlitz zu sehn, ihn zu begrüßen und seiner Herrschaft zu huldigen, Sie lenkte ihren Sinn darauf, zu ihm zu reisen, denn Gott hatte ihr Herz auf die Reise gelenkt und sie danach verlangen lassen. Darauf begann sie, ihr Haus zu bestellen, ihren Knechten Befehle zu erteilen, ihre Mägde zu ermahnen und ihr Besitztum in Stand zu setzen. Sie suchte aus, was nötig zur Reise war und zum Begrüßungsgeschenk für den König, zur Spende für ihre Räte und zur Belohnung ihrer Mägde. Sie lies Kamele zusammenbringen und Maultiere, Pferde und Esel, Schiffe und Flösse, Ranzen und Reisetaschen und Trinkgefäße und Sänften. So bereitete sie sich zur Reise vor und gebot allen ihren untergebenen Würdenträgern dass sie bis in 6 Monaten reisebereit sein sollten und Reisetaschen mitnehmen und ihre Häuser bestellen sollten. Denn das Land, wohin sie zögen, sei weit entfernt.
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Wie sie sich selbst zur Reise vorbereitet
Sie sprach zu ihnen: Höret, ihr Meinigen, meine Stimme und vernehmet meine Rede: Ich begehre Weisheit, und mein Herz sucht nach Erkenntnis, denn ich bin getroffen von der Liebe zur Weisheit und wurde gezogen von den Seilen der Erkenntnis. Denn die Weisheit ist besser als Schätze von Gold und Silber, die Weisheit ist besser als alles, was auf Erden erschaffen ist. Mit was unter dem Himmel soll man die Weisheit vergleichen? Sie ist süßer als Honig und erfreulicher als Wein, sie ist leuchtender als die Sonne und begehrenswerter als kostbare Edelsteine, sie macht fetter als Öl, satter als süße Leckerbissen und ruhmreicher als Unmengen von Gold und Silber. Sie ist eine Freudenspenderin fürs Herz, eine Lichtquelle für die Augen, Beflüglerin für die Füße, Panzer für die Brust, Helm für das Haupt, Kette für den Hals, Gürtel für die Lenden, Verkünderin für die Ohren, Unterweiserin für das Herz, Lehre für die Kenntnisreichen, Trösterin für die Klugen, Ruhmspenderin für die Suchenden. Ein Reich kann nicht bestehen ohne die Weisheit, und Reichtum kann nicht erhalten werden ohne die Weisheit. Wohin der Fuß tritt, steht er nicht fest ohne die Weisheit, und was die Zunge spricht, findet keinen Gefallen ohne die Weisheit. Die Weisheit ist besser als alle Schätze: Wer Gold und Silber anhäuft, hat keinen Nutzen ohne die Weisheit, wer aber Weisheit sammelt, dem kann sie niemand aus seinem Herzen rauben. Was die Toren sammeln, verzehren die Weisen um der Schlechtigkeit der Gottlosen willen werden die Gerechten gepriesen, und um der Fehler der Toren willen werden die Weisen geschätzt. Die Weisheit ist hoch und reich. Ich will sie lieben wie eine Mutter, und sie wird mich umfangen wie ihr Kind, ich will der Spur der Weisheit folgen, und sie wird mich ewiglich bewahren, ich will die Weisheit suchen, und sie wird fortan mir gehören, ich werde ihrer Spur folgen und von ihr nicht verstoßen werden, ich will mich auf sie stützen, und sie wird mir eine Mauer von sein, ich will meine Zuflucht zu ihr nehmen, und sie wird mir Kraft und Stärke sein, ich will mich an ihr erfreuen, und sie wird mir eine Große Gnade sein. Denn es geziemt sich, dass wir der Spur der Weisheit folgen und unsere Sohle die Schwelle der Türe der Weisheit betrete. Lasst uns sie suchen und wir werden sie finden, lasst uns sie lieben, und sie wird nicht von uns weichen, lasst uns sie verfolgen und wir werden sie finden, lasst uns sie erbitten, und wir werden sie erhalten, lasst uns ihr unser Herz zuwenden, dass wir sie niemals vergessen. Denn wenn man sich ihrer erinnert, so erinnert auch sie sich. Bei den Toren aber sollst du der Weisheit nicht gedenken, denn diese ehren sie nicht, und die Weisheit liebt auch sie nicht. Die Ehrung der Weisheit besteht in der Ehrung des Weisen und die Liebe zur Weisheit in der Liebe zum Weisen. Liebe den Weisen und weiche nicht von ihm. Durch seinen Anblick wirst du weise werden, höre auf das Auftun seines Mundes, dass du werdest wie er, blicke auf seinen Fußtritt, dass du da bleibest wo er hingetreten ist, und entferne dich nicht von ihm, damit du die Reste seiner Weisheit erhältst! Ich habe ihn schon vom Hörensagen liebgewonnen, ehe ich ihn gesehen habe. Denn der ganze Bericht von seiner Geschichte war mir ein Herzensgenuss wie das Wasser dem Lechzenden. Da antworteten ihre Würdenträger und Diener und Mägde und Räte und sprachen zu ihr: 0 Herrin, die Weisheit fehlt dir zwar nicht, denn durch deine Weisheit kommt es, dass du die Weisheit liebst, wenn du aber ziehst so wollen wir mit dir ziehen und wenn du bleibst, so wollen wir bei dir bleiben. Unser Tod sei mit deinem Tod und unser Leben mit deinem Leben! Da bereitete sie sich zur Reise mit viel Herrlichkeit und Prunk und großer Zurüstung und Vorbereitung. Denn nach dem Willen Gottes sehnte sich ihr Herz nach Jerusalem zu ziehen, um die Weisheit Salomons zu hören, denn sie hatte davon gehört und verlangte danach. Da bereitete sie sich zur Reise. Es wurden 797 Kamele beladen, und zahllose Maultiere und Esel wurden beladen. So reiste sie ab und machte sich auf den Weg, während ihr Herz auf Gott vertraute.
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