»Wenn du so geschwollen redest, willst du was von mir. Wenn du bisher was von mir wolltest und ich es getan habe, habe ich meistens fürchterlich eine aufs Maul gekriegt oder Ähnliches. Und das, wo du genau weißt, dass es für einen wie mich keine Ersatzteile mehr gibt. Aber was soll’s, fang an.«
Jetzt grinste der Auer Max und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne: »Der Schiermeier Alfons. Was klingelt da bei dir?«
Der Chili trank seinen Jackie D. aus, schenkte sich nach und hielt die Flasche fragend über den Tisch. Der Auer winkte ab und Chili füllte sich nach: »Der Schiermeier war vor einiger Zeit hier. Das war, warte mal …« Er schaute nach oben, schnippte dann mit den Fingern und meinte: »Vorige Woche Montag. So gegen zwei Uhr in der Früh. Er hatte drei Kerle von einem Imker-Verein dabei, denen wollte er ein Grundstück abluchsen.«
»Imker, was? Da kannste mal sehen. Immer diese Imker.«
»Lass mich ausreden. Der eine, so ein mehläugiger dicker Schmierlappen, sagte zu meinem Mädel da draußen: ›Jetzt machst uns schnell einmal vier doppelte Biena-Coladas, Schnucki‹, und die blonde Torte kommt doch glatt zu mir rein und fragt, was ein Biena-Colada ist. Ob das was mit Bienen zu tun hat, ob da Honig reinkommt. Und ich sag: kein Honig, sondern ganze Bienen. Die Imker essen keinen Honig, die kauen die Bienen. Und Blondie staunt mich an und sagt: ›Ihhhh, echt jetzt?‹, und dann noch: ›Aber Chef, wir haben doch gar keine Bienen hier.‹ Max, mein Alter, mit so einem Personal musst du heutzutage arbeiten. Auf jeden Fall, der Schiermeier fängt mich bei einem Gang durch den Laden ab und meint, ich soll die drei schlappen Willis an der Bar richtig abfüllen, Preis spielt keine Rolle. Was hast du mit dem zu tun? Sind denen ein paar Bienen entflogen?«
Der Chili lehnte sich lächelnd in seinem Stuhl zurück: »Und der junge Schiermeier, der Josef, der hat hier Hausverbot. Der hat so ziemlich überall in Rosenheim abends Hausverbot, glaube ich.«
»Genau um den geht’s. Um den Josef. Der ist abgetaucht, nach Salzburg wahrscheinlich. Ich suche ihn und bringe ihn hierher zurück. Das ist der erste Punkt auf dem Zettel.«
»Ein Zettel sogar. Das klingt nicht gut. Was ist der zweite Punkt?«
»Der Schiermeier wird erpresst. Weißt du davon was? Ich meine, was sagen die Buschtrommeln?«
Chili schüttelte den Kopf und trank: »Ahhh, das macht wohlig. Nein, davon weiß ich nix. Ist das der zweite Punkt?«
»Nicht ganz. Ich vermute, ich weiß, wer dahintersteckt. Das ist möglicherweise eine Jamaikaner-Gang, die Gras und so Zeugs vertickt.«
Jetzt verdrehte der Chili die Augen: »Gras? Mary Jane, Weed, schwarzer Afghane, so was? Das ist doch Kinderkram. Das Zeug kriegst du hier tagsüber von jedem zweiten Teenie, wenn’s sein muss.«
»Nein, nein. Die machen schon noch andere Dinger. Zünden hier und dort gerne mal eine Schiermeier-Wohnung an. Und manchmal liegen da auch noch verbrannte Menschen drin.«
»Aber doch nicht der Josef. Der ist blöd wie Weißbrot.« Der Chili kniff die Augen zusammen: »Sag nichts. Der Josef erpresst seinen Bruder Alfons. Die Jamaikaner machen die Drecksarbeit. Was ist mit den Leichen. Du hast in der Mehrzahl gesprochen.«
Auer zuckte mit den Schultern: »Jetzt trinke ich doch noch einen. Lass die Flasche rüberwachsen. Danke.« Er schenkte sich ein. »Da waren zwei junge Frauen in einer Wohnung in der Kastenau. Dunkelhäutige junge Frauen. Die waren aber wahrscheinlich schon vorher tot. Jemand hat gesehen, wie ein paar Rastas nachts große Gegenstände in die leere Villa geschleppt haben. Und kurz drauf war Sankt-Petrus-Feuer angesagt.«
»Jetzt will der Alfons den Josef in die Finger kriegen. Keine Polizei, das war bei den Schiermeiers schon immer so. Woher weißt du, dass der Josef in Salzburg ist?«
»Ich weiß es nicht, aber der Alfons meinte, dort würde er ein paar Zocker kennen, die ihn verstecken. Wo würdest du dich in Salzburg bei Zockern verstecken?«
»Hat er genug Geld dabei?«
»Vielleicht, kann sein. Also?«
Der Chili ließ zärtlich seinen weizenblonden Pferdeschwanz zwischen die Finger gleiten und drehte ihn zu einem Röllchen auf: »Im Stadtteil Itzling, in der Goethesiedlung, da sind Großfamilien, Zockergangs, Spielsalons. Schlimmes Gesindel, das sich da rumtreibt. Die würden aber einem wie mir oder dem Josef auf dem Klo die Gurgel durchschneiden und die Leichen fleddern. Da also eher nicht. Rund um den Hauptbahnhof, in der Elisabethstraße. Oder in der Ignaz-Harrer-Straße, da trauen sich die von der Firma Greif und Fang abends auch nicht mehr hin.«
Chili schaukelte mit geschlossenen Augen auf seinem Stuhl, dann setzte er die Füße auf den Boden und sagte: »Ich hab’s. Wenn der wo ist, dann in der Bessarabierstraße in Lehen oder Liefering. Die Straße geht durch beide Stadtteile. Da hat’s Zockerbuden, die sind im zweiten Untergeschoss unter den Kellern. Da spielen die Profis. Warte, ich rufe den Inkasso-Heinzi an. Der hat in ganz Salzburg seine Connections.«
Dann schüttelte er traurig den Kopf: »Wobei, wenn ich mir das so überlege … Das letzte Mal, als du mit dem Inkasso zu tun hattest, hat es ihm eine Kugel in den Haxen eingebracht. Und grade der Heinzi ist doch so was von nachtragend, selbst bei solchen Kleinigkeiten.«
»Ruf ihn an. Sag ihm, ich brauche einen Termin bei ihm. Und seine Garantie, dass ich lebendig aus Salzburg wieder rauskomme. Frag ihn, was er für eine Konsultation verlangt. Ich biete Zehntausend in bar für eine Audienz. Wenn ich in Salzburg Muskeln brauche, miete ich die von ihm. Er selber hat nichts mit der Sache zu tun. Wenn ich fertig bin, verschwinde ich sofort wieder.«
Chili hob einen Zeigefinger: »Das mit dem Loch im Haxen verzeiht der dir nie.«
»Man kann verzeihen, ohne zu vergeben, sag ihm das, wenn das Thema von dem perforierten Haxen aufkommt. Was ist jetzt? Hilfst du mir, oder ja? Und außerdem, das Loch im Bein hat ihm zwar der Danny verpasst, aber der Heinzi hat uns so was von provoziert und er ist direkt auf den Danny losgestürmt.«
»Schnee von gestern.«
»Sag ich ja. Also, würdest du bitte …?«
Der Chili zog sein Handy aus einer der Schubladen, scrollte sich durch die Nummernliste und drückte dann seufzend auf einen Knopf: »Bitte. Du willst es so. Dein nachfolgendes Leben verkürzt sich möglicherweise nach diesem Anruf um etliche Jahrzehnte.«
Der Auer wollte auch noch was sagen, aber der Chili hatte das Smartphone schon am Ohr und hob warnend einen Finger: »Ja? Hallo? Heinz? Dein Freund Chili aus Rosenheim spricht. Bei was störe ich dich grade?«
Dann stellte er das Telefon auf »laut« und legte es auf die Schreibtischplatte zwischen ihnen. Beide beugten sich vor, um die Stimme aus dem iPhone besser zu verstehen: »I bin grad beim zweiten Frühstück. Is’ ja erst kurz vor aans in da Nocht. Wos wuisst, Chilimann?« Kurze Pause, schlürfende Geräusche, dann wieder Heinzis Stimme: »A so eine Auster is’ ein richtiges Gschiss zum Essen. Warum soi des eine Delikatess’ sei? Do iss i liaba a Eitrige mit am Schoafn und zwa Bugel. Und a 16er-Blech dazua. Wo wüüst?«
Kurz für alle Nicht-Austrianer: Eine »Eitrige« ist nicht das, was du jetzt möglicherweise erschauernd denkst, sondern eine Bratwurst mit Käsestücken drin. Ein 16er-Blech ist eine Dose Ottakringer Bier und ein Bugel ist eine Semmel. Dazu muss ich sagen: Der Heinzi kommt ursprünglich aus Wien. Dort haben sie ihm aber ein paarmal den Körper perforiert sowie ein Auge ausgestochen, also hat es ihn nach Salzburg verschlagen. Was im Prinzip aber genauso ungesund sein kann, weil in Salzburg die Messer genauso tief fliegen wie in der Landeshauptstadt.
»Wie hast du denn mit meinen Leberkäs-Porno-DVDs verdient, mein Lieber?«
»Wennsd du ›mein Lieber‹ zu mir sagst, dann kriag i glei so einen Phantomschmerz im Haxn. Wos wüüst? I muass weidaessen.«
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