Heinz von Wilk
Leberkäs-Porno
Kriminalroman
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alle Rechte vorbehalten
2. Auflage 2020
Lektorat: Claudia Senghaas
Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Kanea / shutterstock.com
und © rdnzl / fotolia.com
Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 978-3-8392-6026-5
Für Liv
Ich erzähl dir jetzt eine Geschichte, und die ist richtig gut. Es ist zwar eine Geschichte, die man sich hier hinter vorgehaltener Hand zuflüstert, und ob sie sich genau so zugetragen hat, weiß ich jetzt auch nicht mehr. Für besonders Prüde ist das hier aber sowieso eher nichts. Denn es geht um die Entstehung und die Folgen einer neuen Geschäftsidee. Hardcorepornos auf einer Alm, in den Bergen hinter Rosenheim. Leberkäs-Pornos.
Dieses Buch ist bevölkert von einem schillernden Figurenensemble: Kriminellen Nachtklubbesitzern, Prostituierten. Von Polizisten im und außer Dienst, Zuhältern, adligen Heiratsschwindlern und schrägen Nachtschwärmern. Sie alle trudeln durch diese Welt aus Sex und Crime im Alpenland.
Der Auer Max war mal eine richtig fette Nummer bei der Sitte in München. KHK Auer, also, wenn der dienstlich in einem Puff aufgetaucht ist, dann ist es am Hintereingang zugegangen wie bei einem Almabtrieb. Aber wen sich der Max greifen wollte, den hat er auch erwischt. So oder so.
Gut, ab und zu hat er auch schon mal ein Glas oder mehr mit den Mädels getrunken. Und in eine rassige Ungarin war er mal richtig verliebt. Die wollte sogar weg vom Strich, wegen ihm, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Auf jeden Fall, am Morgen nach seinem 40sten, den er im »Red Horse« in Schwabing bis zum Abwinken gefeiert hat, ist es passiert. Der Auer, schwer verkatert, kriegt auf dem Weg nach unten aus der Küche einen Streit mit. Er setzt sich auf die Treppe und hält sich den Brummschädel.
Jetzt, laute Männerstimmen, dazwischen die Stimme einer Frau. Die schrie: »Wenn der nicht bald bezahlt, geh ich zu seinem Vater. Da muss ich nicht einmal weit gehen, weil, der ist ja auch Stammkunde bei mir und meiner Pitschko!«
Darauf ein Mann, tief und kehlig: »Anusch, Golubovi, bleib ruhig, meine Schöne. Ich mach das mit Mann. Ist guter Mann. Hat nur viel Stress in Job. Weißt ja, Politik ist böser Job.« Das Wort »Job« klang bei dem Kerl wie »Jooob«.
Eine andere, dünne und weinerliche Männerstimme: »Ich zahl ja. Gib mir nur noch eine Woche, Igor. Und du, Anusch, du kriegst was extra. Eine schöne Uhr oder einen Ring, ein Kleid, was du willst, okay?«
Der Auer Max schlurft hinter die Bartheke, schiebt ein paar Flaschen zur Seite und schaut durch die Klappe in die Küche. Da steht der Münchner Stadtrat Himmlinger in voller Pracht. Neben ihm die rote Anusch, und vor ihm der Igor, dem das »Red Horse« gehört. Igor sagt: »Kolleg, jebem ti majku, du bist bei 40.000. Für Schnee und Mädels und so. Langsam muss was wachsen rüber, verstehst?«
Der Stadtrat fährt sich durch die lichten grauen Haare, schaut sich um und sieht das verquollene Gesicht vom Auer Max in der Durchreiche. Die zwei schauen sich in die Augen. Das war’s. Falsche Zeit, falscher Ort.
Einen Tag später haben sie den Spind vom Max aufgrund eines anonymen Hinweises durchsucht. Und da schau her: Sie fanden 7.000 Euro, eine Rolex und ein Plastiktütchen mit weißem Pulver drin.
Nicht dass du jetzt glaubst, die haben einen Riesenwirbel gemacht. Nein, man hat ihm den vorzeitigen Ruhestand bei halben Bezügen vorgeschlagen. Oder eben halt doch eine hochnotpeinliche Ermittlung, in Farbe und Stereo. Ganz wie du das haben willst, Auer, haben sie zu ihm gesagt.
Und so kam’s, dass der Auer Max eine Woche später in Rosenheim am Küchentisch seiner Tante Friedlinde saß und einen Schweinsbraten mit Knödel nebst einem kalten Hefeweizen vor sich stehen hatte.
Jetzt muss ich das noch kurz erklären: Der Auer ist ja ein Junggeselle und hat seine kleine Dienstwohnung in München ruckzuck geräumt. Und weil sie ihm seinen dunkelblauen Audi auch gleich unter dem Hintern wegkonfisziert haben, ist er mit dem Zug nach Rosenheim zu seiner nächsten Verwandten, besagter Tante, gefahren.
Die Friedlinde, 68, groß, schlank, mit einer gewissen Resterotik, ist eine Witwe, die von ihrem Otti, der Herr hab’ ihn selig, drei Wohnhäuser in der Rathausstraße geerbt hat. Sie selber wohnt in einer 184-qm-Dachterrassenwohnung in der Münchener Straße. Auch geerbt. Jetzt wirst du fragen, ja, womit hat der selige Otti denn so viel Geld verdient? Ich sag mal so: Der Bernrieder Ottfried hat zwar offiziell einen kleinen Malerbetrieb gehabt, für die Steuer und den guten Ruf. Inoffiziell war er aber ein Meister der kreativen Geldbeschaffung. An zwei Rosenheimer Spielhöllen war er beteiligt, und in Österreich drüben, gleich hinter Sachrang, da hat er Hinterzimmer-Pokerrunden organisiert. Und Schlimmeres. Warum ich das erzähle? Na ja, das gehört alles irgendwie schon zu der Geschichte. So, und jetzt pass auf, es geht los:
»Nimm doch noch einen Knödel, Bub. Du schaust ja schlimm aus. Hat es in ganz München nix G’scheites zum Essen gegeben? Und warum warst du nie bei deiner alten kranken Tante Friedl? Hmh? Ich hab dich so oft angerufen, dass du mich besuchen sollst. Aber der Herr hat ja nie Zeit. Sogar vor zwei Jahren, bei der Urnenfeier vom Otti, da warst du genau einundeinhalb Stunden auf dem Friedhof!«
Auer dachte sich, die ist immer noch ein Kiemenatmer. Die schnauft nicht ein einziges Mal und redet doch in einer Tour. »Du bist nicht krank, Tante, und alt auch nicht. Optisch jedenfalls nicht. Du schaust keinen Tag älter aus wie damals auf dem Friedhof. Ehrlich jetzt.«
Friedl strich dem Auer mit der Hand über das dunkelbraune, lockige Haar: »Iss trotzdem noch was, Bub. Und sag nicht immer Tante zu mir. Da komm ich mir so … mottenkugeltantig vor, verstehst? Sag bitte Friedl, ja?«
Sie ging zur Kommode, streichelte die große, in grauen Marmor gefasste Sanduhr und drehte sie um. Lautlos und langsam rieselte eine graue, körnige Staubmasse durch die Engstelle: »Mach nur langsam, Otti, es pressiert nicht. Weit kannst ja eh nicht mehr laufen, gell?«
Der Max verschluckte sich fast an seinem Knödel. Mit der Gabel zeigte er zur Kommode: »Friedl, sag jetzt nicht, das da drin ist der Otti. Nein, oder?«
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