Heinz von Wilk
Drei Zimmer, Küche, Sarg
Kriminalroman
Personen und Handlung sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen
sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
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Herstellung: Julia Franze
E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Fotos von: © Kanea / shutterstock.com; Butch / stock.adobe.com; Eric Isselée / stock.adobe.com; 218860 / Pixabay.com
ISBN 978-3-8392-6880-3
Es ist eine dieser Geschichten, von denen du bestimmt in der Zeitung gelesen hast. Jedenfalls einen Teil davon. Denn das eine steht in der Zeitung, das andere erzählt man sich hinter vorgehaltenen Händen. Ob diese Geschichte nun tatsächlich so war oder auch nicht, weiß ich nicht. Aber die Toten bleiben tot, und die Lebenden wissen, warum sie nicht drüber sprechen wollen.
Das Leben ist hart.
Das Sterben aber auch.
»›Begrabe alle deine Träume, solange du das noch kannst.‹ Das hat meine Mutter immer zu mir gesagt. Schon als ich ein Kind war. Sie war so eine gescheite Frau, die Mama.« Betrübt schüttelte der Schiermeier sein graues Haupt und fuhr sich über die Augen.
»Echt jetzt?« Max Auer hob sein leeres Bierglas über den Kopf, und die hübsche Bedienung, die am Stehpult neben dem Eingang zum »Stockhammer« stand, hob fragend einen Finger, und dann zwei. Der Auer überlegte kurz, dann streckte er zwei Finger in die Luft und deutete auf den Schiermeier, der ihm gegenübersaß.
»Echt, ja. Aber meine Mutter hat sowieso immer das Gegenteil von dem gesagt, was sie gemeint hat. Papa hat sie deswegen vergöttert. Dabei hat sie ihm geschworen, dass sie keine Kinder von ihm kriegen wird. Nie. Und heiraten, so einen wie ihn? Nie. Er hat sie mal gefragt, ob es bei ihr auch Liebe auf den ersten Blick war wie bei ihm. So, Zack, wie ein Blitzeinschlag. Und sie hat ohne zu überlegen gesagt, nein, bei ihr ging es schneller.«
»Du bist also ein Einzelkind, so was wie ein Betriebsunfall?«
»Nein, wir sind neun. Ich habe noch einen Bruder und sieben Schwestern.« Der Schiermeier trank sein Bier aus, rülpste, was die Gäste am Nebentisch veranlasste, empört rüberzuschauen. Der Schiermeier Alfons winkte ihnen aber nur freundlich zu und drehte sich dann wieder zum Auer: »Touristen. Die vertragen keine bayerische Folklore. Außer sie kommt von Hansi Hinterseer.«
»Der ist ein Österreicher, kein Bayer.«
»Na und? Bist du ein Rassist?«
Die Bedienung stellte zwei frisch gezapfte Helle vor die beiden und nahm die leeren Gläser vom Tisch. Der Biergarten war gut besucht, über den Max-Josefs-Platz flanierten Menschen, Kinder und dazwischen tummelten sich ein paar Hunde, die die gerufenen Befehle ihrer Besitzer als meist unverbindliche Empfehlungen abtaten.
Es war Altweibersommer geworden, ohne dass wir alle das bemerkt hatten. Der Himmel war strahlend bayerisch blau und weiß, wie es sich gehörte, die Blätter der Bäume und Topfpflanzen auf dem großen Platz schimmerten golden und rot und ein paar Tauben stritten sich auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Sankt-Nepomuk-Brunnen um ein Stück von einer Breze.
Ich bin gerne hier auf dem Platz, muss ich sagen. Man sitzt an einem der Tische und alle möglichen Leute kommen an dir vorbei. Mir hat mal einer gesagt: »Wenn du in Rosenheim jemanden Bestimmten treffen willst, kauf dir im Biergarten vor dem Stockhammer eine Halbe Bier, lehne dich auf deinem Stuhl zurück und warte. Irgendwann kommt der oder die Richtige an dir vorbei.«
Da ist was dran. Rosenheim hat ja was Italienisches, mit den schönen und vielfältigen alten Haus-Fassaden, den vielen Palmen und Bäumen rings um den Platz mit den Wirtshäusern und Cafés. Der Auer Max redete jetzt schon fast eine Stunde mit dem Schiermeier. Der hatte ihn nachmittags um fünf angerufen, es gäbe da ein Problem. Oder zwei, genau genommen. Ob der Max denn ein bissel Zeit hätte. Das wäre alles ziemlich diffizil, also nichts für am Telefon und so, du weißt schon. Und für den Auer würde es sich finanziell sehr lohnen, wenn man in der Sache zusammenkäme.
Der Schiermeier Alfons, das muss ich jetzt auch noch schnell erklären, der ist einer von diesen Baulöwen, wo keiner so genau weiß, wie der zu seinem ganzen Geld und seinem Einfluss bei den örtlichen Politbonzen gekommen ist. Egal, wer grade am Regieren ist, meistens sind es in diesen Breitengraden ja eh die Schwarzen, da hat der Schiermeier seine Leute im Rathaus sitzen.
Und bei jeder großen Ausschreibung, nimm jetzt bloß mal die Riesenbauten hinter dem Bahnhof oder von mir aus die schon ewig geplante Stadt-Seilbahn oder die Verbreiterung der Innstraße, da ist der Schiermeier immer vorne mit dabei. Irgendwie weiß er immer ganz genau, was die Mitbewerber für Gebote abgegeben haben.
Deswegen kriegt er den Zuschlag. Gut, wenn dann gebaut wird, dann ist es meistens so, dass sich die Bausumme fast verdoppelt. Aber das macht keinem was aus. Am wenigsten den Politikern, wenn das Frauchen vom Osterhasen wieder einmal einen neuen Porsche bekommt oder die SCHIERMEIER-HOLDING für gewisse Politiker einen Golf-Ausflug nach Singapur finanziert. Dort, in weiter Ferne, da kriegen die Fachbegriffe »18 Löcher« und »Happy Ending« gleich einen ganz anderen Klang, ja was glaubst du denn?
Das ist so, wie wenn ein italienischer Ehemann auf die Frage, wie die letzte Nacht war, zungenschnalzend sagt: »Ahhh, uno notte con Buco!« Das heißt übersetzt: »Eine Nacht mit Sahne!« Auch dann, wenn es gar keinen Kaffee oder kein Eis gegeben hat.
Aber zurück zur Geschichte: Ich meine, du kennst ja den Auer. Ein zwangspensionierter Spitzenmann von der Münchner Sitte. So einer wird immer neugierig, wenn er solche Andeutungen hört. Einmal Polizist, immer Polizist. Und außerdem: Pecunia non olet. Selbst dann nicht, wenn es von einem wie dem Schiermeier kommt.
Der fläzte seine Einmeterachtzig schräg zum Tisch, damit der Bauch etwas mehr Platz hatte: »Meine Frau meint, ich werde langsam zu dick. Aber ich glaube, ich bin lediglich zu klein für mein Gewicht. Was meinst denn du dazu, Max?«
»Ich meine, du solltest mir endlich erzählen, um was es geht.«
Der Schiermeier schob sein Glas zur Seite, beugte sich vor und sagte halblaut: »Er hat es wieder mal vermasselt. Und ich soll es wieder mal entmasseln.«
»Wer?«
»Der Josef. Mein Bruder. Kennst du ihn?«
»Nein.«
»Da hast du nichts versäumt. Pass auf: Er war anfangs mit in meiner Firma. Das musste ich der Mama auf dem Totenbett versprechen, dass ich mich um den Trottel kümmere. Der Kerl hat zwei linke Hände, zum Malochen zu gescheit und zum Studieren ist er zu blöd. Kurz gesagt: Vor ein paar Jahren habe ich ihn ausbezahlt. Seitdem tut er nur noch das, was er am besten kann: rumweibern, saufen, haschen.«
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