Robert von Lucius
DREI BALTISCHE WEGE
Litauen, Lettland, Estland –
zerrieben und auferstanden
mitteldeutscher verlag
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.deabrufbar.
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Für Beiträge aus der F.A.Z.:
© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt.
Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.
Fotografien:
© Dirk Bleyer (drei eingefügte Bildtafelteile, Umschlag)
© Robert von Lucius (im Textteil integrierte Bilder)
2., aktualisierte Nachauflage, 2012
© mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale)
www.mitteldeutscherverlag.de
Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale)
1. digitale Auflag: Zeilenwert GmbH 2013
ISBN 9783954621576
Cover
Titel Robert von Lucius DREI BALTISCHE WEGE Litauen, Lettland, Estland – zerrieben und auferstanden mitteldeutscher verlag
Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Freigrenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Für Beiträge aus der F.A.Z.: © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv. Fotografien: © Dirk Bleyer (drei eingefügte Bildtafelteile, Umschlag) © Robert von Lucius (im Textteil integrierte Bilder) 2., aktualisierte Nachauflage, 2012 © mdv Mitteldeutscher Verlag GmbH, Halle (Saale) www.mitteldeutscherverlag.de Gesamtherstellung: Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale) 1. digitale Auflag: Zeilenwert GmbH 2013 ISBN 9783954621576
Kern, Schnittstelle, Brücke
Litauen
Großfürsten und Breitband
Vilnius – wie eine mehrmals überschriebene Handschrift
Großfürstenpalast – unten authentisch, oben Symbol
Klaipeda (Memel) – Stadt, Land, Meer
Kaunas – Von Teufeln und Engeln
Litauens Geburtsurkunde
Doppelbödige Schwermut in der Literatur
Litauischer Jazz – zündende Intensität
Lettland
Die fetten Jahre sind vorbei
Riga: Stolz, schön und zerbrechlich
Schloss des Lichts: Die Nationalbibliothek
Kaspar Hauser lebt: Das Goethe-Institut als Türöffner
Ohne Klagelieder: Leben in Riga
Kurland: Idylle im einstigen Sperrgebiet
Letzte Laute des Livischen
Münchhausiaden – der Lügenbaron in Livland
Zwei, drei, vier Oligarchen
Estland
Ein halbnordisches Erfolgsland
Zwei Gesellschaften: Jugendkult und E-Wahlen
Tallinn – Suche nach dem Weg zur See
Tartu/Dorpat – Studentenkorporationen als Keimzelle
Jeder Hundertste ist infiziert
Lennart Meri: Eine Renaissancegestalt als Gründungsvater
Vertrieben, deportiert, ermordet
Meisterwerke der Kunst
Musik als „größter Exportartikel“
Deutsche Wurzeln
Bürgerstolz
Lambsdorffs Heimkehr
Buch und Butter: Flucht in die westfälische Provinz
Mauritiuskopf am Revers: Die Schwarzenhäupter
Jüdische Spuren
Vilnius – Jerusalem des Nordens
Streit um Synagogen
Karäer
Langsame Heimkehr: Mark Rothko
Blutsonntag: Jüdische Massengräber
Künstler im Widerstand gegen Hammer und Sichel
Sängerfeste und die Singende Revolution
Niemals aufgeben – Jaan Kross
Welche Sünde? – Oper als Zeichen
Noch kein Grün – Vizma Belsevica
Ente, antisowjetisch – Rock in Litauen
Lasten der Vergangenheit
Symbole und Geschichtsdeutungen
Lettland – wachsendes Selbstbewusstsein
Litauen – Energie als Waffe
Estland – Grenzen und Cyberterrorismus
Die Nachbarn
Achse der Freiheit: Von Weißrussland bis Georgien
Forum Neuer Demokratien
Der Weg nach Brüssel
Blick nach Washington
Bildteil
Quellenverzeichnis
Ebenfalls erhältlich
Kern, Schnittstelle, Brücke
Die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen sind historisch und kulturell ein uralter Teil Kerneuropas und waren doch lange abgeschnürt. Wie kaum ein anderes Gebiet Mitteleuropas liegt das Baltikum an der Schnittstelle zwischen West und Ost, diente als Brücke für Handel und Kultur, wurde aber auch zwischen den Großmächten zerrieben. Dennoch bewahrte es seine innere Eigenständigkeit, der die äußere Unabhängigkeit in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts spät und kurz folgte. Nach fünf Jahrzehnten der Besetzung – kurz durch das Deutsche Reich, länger durch die Sowjetunion – sind Lettland, Litauen und Estland seit 1991 wieder frei und unabhängig.
Wer heute erstmals nach Tallinn (Reval), Riga oder Vilnius (Wilna) kommt, wird es kaum glauben können: Vor zwei Jahrzehnten standen dort russische Panzer – Estland, Lettland und Litauen waren Sowjetrepubliken. Heute steht ein Designer-Laden mit den bekannten westlichen Modemarken neben dem anderen. Im Jahr 2011 war Tallinn Kulturhauptstadt Europas, zwei Jahre zuvor führte Vilnius diesen Titel. Die drei Länder erzielten in den ersten fünf Jahren nach ihrem Beitritt zur Europäischen Union und zur Nato 2004 mit jeweils zwischen neun und zehn Prozent das höchste Wirtschaftswachstum innerhalb der EU und beklagten sich über bürokratische Regelungen aus Brüssel, die den freien Markt behindern. Ihre einfachen Steuerregeln fanden Anhänger und Neider in Westeuropa. Alle drei Länder begannen als Agrarstaaten. Sie wurden rasch Dienstleistungsgesellschaften – Estland für die Informationstechnologie, Lettland und Litauen für Energie und Transport. In kaum einem anderen Land der EU spielen Computer, Internet und Mobilfunk eine solch herausragende Rolle wie in Estland. Als erstes Land der Welt konnten die Bürger dort vom heimischen Computer aus über das Internet wählen statt in der Wahlkabine. Dann kam die Krise, ebenso wie zuvor der Aufschwung, stärker als anderswo. Die Esten waren die Ersten in der Region, die sie überwanden – beschleunigt durch den Anstoß, den die Euro-Einführung zum Jahresbeginn 2011 ihnen gab.
Wirtschaftlich haben sich die drei Nachbarn der Marktwirtschaft zugewandt, auch wenn es Rückschläge gibt und viele Veränderungen nur schleppend vorankommen. Dies gilt für die Privatisierung, die ausufernde Korruption oder den Versuch, eine überalterte und träge Bürokratie und Justiz auszuwechseln mit neuem Denken, neuen Regeln und neuen Menschen. Überall sind junge Gesichter zu sehen, Menschen, die erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion studierten. Minister, Abteilungsleiter, Generaldirektoren, Marinebefehlshaber: Viele sind um die dreißig Jahre alt, kaum jemand ist über 40. Sie sehen sich als „Generation der Gewinner“. Anpassungsfähigkeit, rasches Handeln und hartes Arbeiten sind gefragt. So ist es kein Wunder, dass Estland zum Modell wurde (und gerne damit kokettiert), das in der Welt des Webs ideenreicher und weiter ist als die meisten „alten“ Länder der EU. Für die Boutiquen haben vorerst nur Besucher aus Russland Zeit. Diese aber geben dann so viel Geld aus, dass sich auch diese, meist leeren Luxusläden lohnen. Zumindest zum Feiern kommen junge Litauer, Letten und Esten selbst während der Woche. Restaurants und Diskos sind auch noch am frühen Morgen voll mit übermütigen „Jungen“.
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