Heinz Mosmann
Der Parzival Wolframs von Eschenbach
Erkenntnis und imaginative Gestaltung
des Gralsmysteriums
Verlag Freies Geistesleben
Für Linda
Zur Einführung
Vom fliegenden Gleichnis
Gachmuret – Leben im Zweifel
Dem Höchsten dienen
Belakane – die Magie der Sinne
Blutsbande und Rittertum
Zahlensymbolik: Polaritäten in Potenz
Diamant und Bocksblut
Herzeloyde – die Durchlichtung des Gemüts
Soltane – Quarantäne und Entwicklungsraum
Sigune
Schuld und Trauer
Stimme des Gewissens
Pietà – der Logos der Seele
Der Rote Ritter
Ein eigennütziger Fischer
Das Lachen Kunnewares
Die Bluttat
Gurnemanz
Der väterliche Lehrmeister
Die Ritterlehre
Zeitbildung und Individualität
Condwîr âmûrs
Munsalvaesche und der Gral
Vom geistigen Wortsinn
Der Ritt zur Gralsburg
Lanze und Schwert
Annäherung an latente Fragen
Geistesnahrung
Die Jungfrau
Artusritterschaft und Gralswirken
Drachenkampf
ûf dem snê – drî bluotes zäher rôt
Auf dem Gipfel
Kunde vom Gral – Auflösung der Artusrunde
Gawan – der Weg in die Seelenwelt
Obie und Obilot – Polaritäten der Seele
Antikonie – der Schild des Verstandes
Kingrimursel und Liddamus – Qualitäten des Denkens
Der Seelenweg zum Gral
Trevrizent – Erwachen am anderen Menschen
Ankunft
Grenzerfahrungen
Geisteszeugen
Herzenswärme und Geisteslicht – vom Herzdenken
Vom Wesen des Grals
Die Hüter des Grals
Wandlung
Anfortas
Die offene Wunde
Gralsimpulse
Schicksalswirren und Erkenntniswille
Geistverwandtschaft
Orgeluse – Schönheit im Banne Klinschors
Gegenbilder
Die Stolze
Die erlösende Kraft des Vertrauens
Der gute Wille
Die Eroberung von Schastelmarveile
Gawans Fragen
Der schöne Schein
Mitten hinein
Die Phantasie und die geheime Seele der Dinge
Selbstüberwindung – die Imagination des Löwen
Menschliches Interesse und soziale Gestaltung
Orgeluses Erlösung
Im Innern des Turms
Der Weg in Orgeluses Herz
Hochmut in Person
Einhorn und Karfunkel
Schwalbe und die Musik
Anfortas’ Sturz
Gawans Erhöhung
Gawan als Vermittler und Diplomat
Die Rettung der Freude
Itonjes geheime Liebe
Festlichkeiten und Lebensfreude
Klinschor
Arnives Freude und Leid
Kompositionen für Joflanze
Gawans Motive
Die Inszenierung
Darbietung und Zusammenführung
Die Blindheit der Hoffart
Exkurs: Erkenntnisinteresse und Gewalt
«ich hân mich selben überstriten»
Kommunizierende Lebenswege
Gramoflanz – Brücken der Liebe
Der Kampf gegen den Hochmut
Die Wandlungskraft der Liebe
Die Kunst des Verzeihens
Die «rehte ê»
Erkenntnis als Kommunion
Der Weg zum Gral
Aufbruch
Parzivâl vant hôhen funt
Das Schriftstück Gottes
Begegnung zweier Welten
Berufungen
Geistesgaben
Die Wandlungsmacht des Grals
Anfortas’ Leid und Erlösung
Trevrizent und die unentschiedenen Geister
Die Familie als Gralsgemeinschaft
Sigune – Tod und Auferstehung der Seele
Der Sinn der Erde
Die große Gralsfeier
Taufe und Wandlung
Die Zukunft der Gralsgemeinschaft
Vom Geist des Fragens
Sælde
Ausgewählte Literatur
Im Literaturunterricht der Waldorfschule finden wir wohl keinen Lehrplanstoff, dem eine so grundlegende Bedeutung beigemessen wird wie dem Parzival -Epos Wolframs von Eschenbach, ausgenommen vielleicht Goethes Faust . Lässt sich Letzteres immerhin damit begründen, dass Goethe in seinem Werk die existenziellen Grundfragen und Probleme des neuzeitlichen Menschen thematisiert, so wird man bei Wolframs Parzival zunächst durchaus verständliche Zweifel hegen, ob ein dermaßen monumentales Werk aus dem Mittelalter heutigen Jugendlichen zugemutet werden sollte. Allein die Bewältigung des Lesestoffs – die in den Schulen meistens benutzte Übertragung von Wilhelm Stapel umfasst etwa 440 Seiten – scheint ein unüberwindliches Hindernis für den Zugang zu diesem Werk zu sein. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dem mittelhochdeutschen Originaltext gerecht zu werden, und schließlich handelt es sich um einen Text, der außerordentlich komplex ist und sich dem Lesen keineswegs auf den ersten Blick erschließt. Beim mündlichen Vortrag, für den die Verse ursprünglich gedichtet wurden, mag für ein gebildetes Publikum vieles aus der Situation heraus verständlich gewesen sein, was dem heutigen Leser Kopfzerbrechen bereitet. Hierzu zählen häufig wechselnde Perspektiven, eine «hakenschlagende» Erzähltechnik – die Wolfram im Prolog mit der Hasenjagd vergleicht – und eine oft als «dunkel» erlebte Rätselsprache, die bis in die feinsten Nuancen hinein die Aufmerksamkeit des Lesers fordert. Zudem ein Gewirr von Namen und Personenbeziehungen – man kann rund 290 Personennamen zählen, die zum größten Teil in einem Geflecht verwandtschaftlicher Beziehungen miteinander verbunden sind –, eine ebenso verwirrende Namengebung, deren Bedeutung sich teilweise aufdrängt, teilweise entzieht, sowie eine schwer zugängliche Natur- und Zahlensymbolik – alles das führt Lehrer und Schüler häufig an die Grenzen ihrer Verständnismöglichkeiten.
Daher wurde in letzter Zeit verstärkt versucht, neue Zugänge zur Parzivalthematik zu finden, beispielsweise durch in den Unterricht integrierte Bühnenprojekte oder vom eigentlichen Text mehr oder weniger losgelöste Gesprächs- und Erfahrungsarbeit. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange es die Textarbeit begleitet und nicht ersetzt. Wer einmal eine Unterrichtsepoche erlebt hat, in der es gelungen ist, die jungen Menschen für die Geheimnisse zu erwärmen, die uns in diesen «Aventüren» angetragen werden, wird den Wert einer gründlichen Texterschließung im Literaturunterricht zu schätzen wissen. Daher wurde dieses Buch, das unter anderem auf dreißig Jahren Unterrichtserfahrung beruht, vor allem im Hinblick auf den Unterricht in der Waldorfschule geschrieben. Abgesehen von gelegentlich eingestreuten didaktischen Hinweisen sollte die Arbeit aber keineswegs nur für Unterrichtende von Interesse sein und geht auch an vielen Stellen über das hinaus, was für die unmittelbare Unterrichtsarbeit von praktischem Nutzen ist.
Die Erarbeitung literarischer Texte gehörte schon immer zu den unverzichtbaren menschenbildenden Unterrichtstätigkeiten und ist heute so wichtig wie nie zuvor. Wann und wo sonst hätten die Jugendlichen in der schnelllebigen Medien- und Informationsgesellschaft die Ruhe und die Gelegenheit zu einer gemeinsamen geistigen Vertiefung, zu Gesprächen über Grundfragen des Lebens, über das Wesen des Menschen und den Sinn des Daseins? In einer Zeit, in der die Menschen immer mehr an instinktiver Lebenssicherheit und traditioneller Sinngebung verlieren, entsteht die Gefahr, dass die seelische Emanzipation und Individualisierung mangels geistiger Orientierung in neue Zwänge und Unfreiheiten führt.
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