Die Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.) als Repräsentationen des Ritterromans werden auch von Britta Olrik Fredriksen (1999) als Teil einer Darstellung der dänischen Buchkultur im ausgehenden Mittelalter kurz diskutiert. Genauso wie bei Glauser und bei Dahlerup wird hier das Augenmerk zusätzlich auf andere Texte gelenkt, die mit den Eufemiaviser sowohl gattungsmäßig als auch ideologisch und thematisch eng verbunden sind. Diese Perspektive lässt die Eufemiaviser als Produkt einer breiteren, für ein aristokratisch gesinntes Publikum gedachten Textproduktion erkennen. Hier finden auch andere Handschriften Beachtung, die zusammen mit K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) die gesamte höfische Literatur in Dänemark im Spätmittelalter aufbewahren: Codex Holmiensis K 4 (im Folgenden: K 4), der eine fragmentarische Version des mitteldänischen Ivan løveridder Ivan løveridder (dän.) enthält, und Codex Holmiensis Vu 82Codex Holmiensis Vu 82 (Stockholm, Kungliga biblioteket) (im Folgenden: Vu 82), in dem Karl Magnus Karl Magnus (schwed.) ’ Krønike Karl Magnus’ Krønike (dän.) (Chronik Karls des Großen) überliefert ist.
In der neueren Forschung, die sich im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelt hat, stehen die Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.) vor allem als einzelne Werke im Vordergrund. So veröffentlichte Sigurd Kværndrup 2014 die dänische Übersetzung des altschwedischen Herr Ivan Ivan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren (Herr Ivan Löwenritter, welcher ebenfalls auf Chrétiens Yvain Yvain ou le Chevalier au lion zurückgeht) zusammen mit einer eingehenden Diskussion ihrer Rezeption in Schweden. Der letzte Teil des Bandes enthält einige Denkanstöße zum historischen und ideologischen Zusammenhang, in dem die dänischen Übersetzungen entstanden sein könnten. Von besonderem Interesse ist Kværndrups Theorie, wonach die Übersetzung der gesamten Eufemiaviser im Auftrag der dänischen Königin Margrethe I. durchgeführt worden sei.
Anna Katharina Richter (2018) hat sich mit der Überlieferung der Historie von Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.) in Dänemark zwischen Spätmittelalter und früher Neuzeit beschäftigt. In ihrem Artikel untersucht sie einige Besonderheiten der gedruckten Überlieferung des dänischen Flores , die als Ausdruck der Retextualisierung im Übergang zum Druck verstanden werden. Massimiliano Bampi (2019) hat zum einen die Handschriftentransmission des Ivan løveridder Ivan løveridder (dän.) und dessen Verhältnis zum altschwedischen Herr Ivan Ivan lejonriddaren (schwed.) lejonriddaren untersucht und zum anderen einige preliminäre Überlegungen zum intertextuellen Dialog innerhalb der Sammelhandschriften K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) und K 4 angestellt. Zu diesen beiden Handschriften hat auch Regina Jucknies (2015) in einer Studie gearbeitet, die sich mit dem Verständnishorizont des Publikums von K 47 beschäftigt. Am Beispiel der in den Texten figurierenden Edelsteine lassen sich interessante Verbindungen zwischen der enzyklopädisch-medizinischen Tradition und der höfischen Romane aufzeigen, wie sie gemeinsam in K 4 überliefert sind.
Einen wesentlichen Beitrag zur weiteren Beschäftigung mit den Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.) leistet ohne Zweifel die Publikation der diplomatischen Editionen der in K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket) aufgezeichneten Texte, die im Rahmen des Projekts Studér middelalder på nettet digital zugänglich sind ( https://dsl.dk/projekter/studer-middelalder-pa-nettet). Die sorgfältig edierten, vollständig lemmatisierten Texte werden von einer ausführlichen Beschreibung sowohl der Handschriften ( https://tekstnet.dk/manuscripts) als auch der einzelnen Werke begleitet, die sich als nützliches Instrument für die wissenschaftliche, philologisch fundierte Arbeit an den einzelnen Texten erweist.
Da die Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.) nicht als isoliertes Phänomen, sondern stets im Kontext der spätmittelalterlichen (kontinentaleuropäischen und skandinavischen) höfischen Literatur und Kultur betrachtet werden müssen, sind in den Kontext der Tagung sowie in den vorliegenden Sammelband auch weitere narrative Texte miteinbezogen, wie beispielsweise die dänische Karl Magnus Karl Magnus (schwed.) ’ Krønike Karl Magnus’ Krønike (dän.) bzw. ihre zeitlich früher entstandene altschwedische Variante Karl Magnus oder ein bisher kaum beachtetes Manuskript von Persenober Persenober oc Constantianobis oc Konstantianobis in der Arnamagnäanischen Sammlung in Kopenhagen, welches zur europaweiten Transmission der Erzählung von Partonopeus de Blois Partonopeus de Blois gehört.
Im Mittelpunkt der Tagung sowie auch des vorliegenden Bandes standen bzw. stehen unterschiedliche Herangehensweisen an die dänischen Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.), wobei sich die Mehrzahl der Vorträge Fragen der textuellen Überlieferung widmete; vornehmlich wurden Aspekte wie Variation und produktive Veränderungen der Eufemiaviser in ihrer zeittiefen Überlieferungsgeschichte diskutiert. Eine wichtige Rolle spielen dabei die unterschiedlichen, komplexen Interferenzen von Manuskriptkultur und frühem Buchdruck – so ist beispielsweise eine der drei Eufemiaviser (nur) in Dänemark auch im Druck, sogar bis ins 18. Jahrhundert, überliefert, die anderen beiden existierten jedoch nur in handschriftlicher Form. In der schwedischen Tradierung bestehen aufschlussreiche Überlieferungsverbünde in (adligen) Sammelhandschriften, aber kein Fortleben der Texte in Form von gedruckten Fassungen. Darüber hinaus bieten sprachhistorische Aspekte der Versromane und die Nutzung von Datenbanken zur Erforschung der Sprache im renaissancezeitlichen Dänemark verschiedene theoretische Ansätze und neue Verknüpfungsmöglichkeiten. Sie verweisen nicht zuletzt auf die Bedeutung der Mehrsprachigkeit im vormodernen Skandinavien, wo Latein, Hoch- und Niederdeutsch selbstverständlich neben Schwedisch und Dänisch gebraucht wurden. Die Diskussionen im Laufe der Tagung ließen schließlich auch die in den Eufemiaviser inszenierten Erscheinungsformen und Funktionen des Cultural Memory deutlich werden. Dies ist insbesondere für die dänische Literatur dieser Zeit von Interesse, da es hier insgesamt nur sehr wenige schriftliche Zeugnisse einer höfischen Literatur gibt.
Auch übersetzungswissenschaftliche Perspektiven auf die Eufemiaviser Eufemiaviser (dän.) nehmen eine wesentliche Rolle in diesem Band ein. Für die vorliegende Publikation entfielen zwei auf der Tagung gehaltene Vorträge, doch dafür konnte ein Beitrag zur Transmission der Karl Magnus Karl Magnus (schwed.) ’ Krønike Karl Magnus’ Krønike (dän.) im Kontext der nordischen Karlsepik gewonnen werden, welcher das Textkorpus sinnvoll ergänzt, handelt es sich doch hierbei um eine etwa zeitgleich entstandene Adaption eines kontinentaleuropäischen Erzählstoffes in Skandinavien.
Eine Einführung in die Handschrift K 4Codex Holmiensis K 4 (Stockholm, Kungliga biblioteket)7Codex Holmiensis K 47 (Stockholm, Kungliga biblioteket), die den zentralen Mittelpunkt der Tagung und die Schnittstelle der gesamten Diskussion präsentierte, bietet der Beitrag von Jürg Glauser, welcher zunächst den Überlieferungsverbund der sechs Verserzählungen vorstellt und das Manuskript als einen ‚Schnittpunkt der Diskurse‘ in mehrfacher Hinsicht beschreibt, nämlich, wie er selbst formuliert, thematisch, stilistisch, metrisch, literatur-, genre-, medien-, transmissions- und erinnerungshistorisch. Glauser betont auch den internationalen Hintergrund der Texte und die Tatsache, dass die Romane mit dem Knittelvers noch in der Zeit um 1500 bewusst ein älteres metrisches Konzept aufgreifen. Neben der Erläuterung der materiellen Besonderheiten der Handschrift geht Glauser darauf ein, wie rhetorische Strategien und narratologische Termini in Paratexten der Handschrift – etwa Prologen oder Epilogen – verwendet werden und auf diese Weise das Geschriebene und Erzählte metafiktional reflektieren. Auch in dieser Hinsicht stehen die Texte in K 47 in Beziehung zueinander. Glauser rundet seine Ausführungen mit einem Ausblick auf die frühneuzeitliche gedruckte Überlieferung von drei der sechs Versromane ab ( Flores og Blanseflor Flores og Blanseflor (dän.), Dværgekongen Laurin Dværgekongen Laurin , Persenober og Konstantianobis Persenober oc Constantianobis ). Dass das gedruckte Buch ebenso wie die Handschrift von Unfestigkeit geprägt ist, bildet einen weiteren Aspekt der frühneuzeitlichen Weiterführung dieser spätmittelalterlichen Erzählungen.
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