Weitere sieben Jahre sollten vergehen, ehe die Regierung der Vereinigten Staaten gemeinsam mit den meisten anderen fiel. Sieben Jahre, in denen Monster durch manche Städte tollten, wohingegen sich die Menschen in anderen weiterhin täglich zur Arbeit quälten. Sieben Jahre dankbare Beschäftigung für Nachrichtensprecher. Während jener Phase wurden sogar Spielfilme gedreht. Zum überwiegenden Teil handelte es sich dabei um schrille, überzeichnete Reißer zum Heben der Gemüter, praktisch die Stooges auf LSD . Eines der weltgrößten Studios verlagerte sich auf die Produktion und den Vertrieb von Pornografie. Dokumentationen entstanden selbstverständlich auch, mit Wissenschaftlern und Weisen, die vorgaben, den Albtraum beenden zu können, wenn die Menschen doch nur auf sie hören würden. Das tat allerdings niemand, zumal sie ja sowieso logen.
Die letzte Präsidentenwahl in Amerika ging über die Bühne, kurz bevor ein paar Little Ones in Washington einfielen, im Grunde genommen der Sargnagel für die Regierung. Tatsächlich kristallisierte sich noch ein neues Oberhaupt heraus, ein Kerl namens McAvoy, wobei die Wahlbeteiligung selbst für US-Verhältnisse wirklich armselig ausfiel. Der Mann war verrückt, genauso wie der Großteil seiner Befürworter. Zum Glück wurde er nie vereidigt, obwohl: Verdammt, wenn er das Land wollte, könnte er es jetzt gern haben.
Ungefähr zur gleichen Zeit trat der Höllengänger aus dem Michigansee auf einen großen Teil von Chicago und blieb dort einfach stehen. Die wüsten Stürme und Beben, die jede seiner Zuckungen begleitet hatten, hörten dementsprechend auf. Seitdem bewegte sich der Gigant nicht mehr. Sein Kopf ragte immer noch über die Wolken hinaus, und der Körper war gerade aufgerichtet, aber er rührte sich nicht. Wie er es überhaupt geschafft hatte, sich voranzuschleppen, geschweige denn, wie er so senkrecht stehen konnte, war nach wie vor ein Rätsel, physikalisch so unmöglich wie die Wirbelwinde zuvor. Soweit das jetzt überhaupt noch etwas ausmachte, könnte es nur durch Zauberhand möglich gewesen sein. Die zivilisierte Welt war nicht mehr, und die Little Ones setzten ihre Jagd nach Restposten fort.
Dreieinhalb Jahre später schraubte Frank nun den Deckel der Kindertrinkflasche wieder zu und hängte sie an eine Gürtelschlaufe seiner Jeans. Dann stand er auf und dehnte seine Arme im Versuch, die unsäglichen Gelenkschmerzen loszuwerden, dies verschlimmerte das Ganze aber eigentlich nur. Er seufzte. »Sind wir schon zu einem Schluss gekommen?«
»Mir persönlich gefällt die Golfküste besser als der Westen«, sagte Quebra.
»Warum nicht Florida? Es ist noch da«, warf Chia ein und schnippte mit den Fingern. »Wie wäre es mit den Keys? Stellt euch bloß vor, wir könnten ein Boot und dann eine Insel finden.«
»Ich bin mir sicher, den gleichen Gedanken hatten auch viele andere Leute«, entgegnete Autumn. »Wir haben damals auch mit der Idee gespielt.«
»Gut, aber die meisten Überlebenden schaffen es wahrscheinlich nicht«, beharrte Chia. Er erkannte eine Sekunde zu spät, dass die Eltern der beiden Mädchen wohl dazugehört hatten, und machte ein langes Gesicht.
»Eine Insel«, seufzte Caitlin. »Mir egal, wo sie liegt, solange es dort warm ist. Eine Insel .«
Dodger ging kommentarlos auf und ab, wobei er sich bestimmt ausmalte, Bürgermeister der besagten Insel zu sein ... ein Leben voller Blumenhalsketten, Alkohol und gebräunter Brüste ... oder war dies eher Franks Fantasie? Immerhin war er derjenige, der es gerade dachte, und die Vorstellung von Frauen führte ihn automatisch zu Nan. Scheiße!
Sein schlimmster Anfall hatte ihn vier Jahre zuvor ereilt, und damals war Nan noch am Leben gewesen. Die beiden hatten zusammen in einem Appartement gewohnt, und Franks Arzt, ein unglaublicher Mann, der mit seinen Sprechstunden einfach fortgefahren war, bis irgendein Verrückter seine Praxis mit einem Raketenwerfer hochgejagt hatte, hatte ihm nahegelegt, es sei an der Zeit, »Vorkehrungen« zu treffen.
Damit gemeint waren letzte Vorkehrungen. Denn Frank litt unter einem Herzklappenfehler, und eine Operation würde es wohl in naher Zukunft nicht geben. Deshalb war er nach Hause gegangen und hatte Nan gesagt, er werde sterben.
Sie hatte mit ihm auf der Couch gesessen und ihm tief in die Augen geschaut – darauf gewartet, dass er weinte, das wusste er, aber so weit war es nicht gekommen, also hatte sie schließlich gefragt: »Und was sollen wir jetzt tun?« Nan mit ihrem krausen, braunen Haar, ihren goldig leuchtenden Augen und ihrem verdammten, unnützen Optimismus … Ständig tun . Was sollen wir tun?
»Wir?«, hatte Frank trocken erwidert.
»Dann eben: Was wirst du tun?«
»Ich weiß nicht, was du meinst.« Es war ihm sehr wohl klar gewesen, hatte ihn aber schlicht und einfach wütend gemacht. »Du meinst, meinen Job kündigen, diese Wohnung aufgeben und mich mit dem Rucksack in die weite Welt aufmachen? Du meinst einen angenehmen Tod in irgendeinem griechischen Fischerdorf sterben, bei Sonnenuntergang und umringt von bescheuerten Katzen? Nancy, ich habe keinen Plan , ich werde sterben – genau das werde ich tun.«
»Frank ...«
»Nein, hör jetzt bitte auf. Du kannst es nicht wissen und hast übrigens genauso wenig einen Plan.«
»Okay«, hatte sie erwidert und sich von ihm abgewandt. »Du bist aufgebracht, das verstehe ich.«
Da war er endgültig aufgebraust. »Wie kannst du es verstehen, wenn ich es selbst nicht einmal verstehe?« Die Wände des größtenteils leeren Appartements hatten die Frage seltsam widerhallen lassen. Nan war dabei zusammengezuckt und er hatte sich sofort beschissen gefühlt.
»Du weinst.« Ihm war aufgefallen, dass sie die Nase hochzog.
Ohne sich umzudrehen, hatte Nan entgegnet: »Deinetwegen, nicht meinetwegen.«
»Du solltest aber um deinetwillen weinen, immerhin bist du diejenige, die zu meiner Beerdigung gehen muss und so.« Der bockig infantile Tonfall, in dem Frank das und so gesagt hatte, hatte ihn innehalten lassen. Daraufhin war er in Gelächter ausgebrochen.
Schließlich hatte sie sich ihm wieder zugewandt. »Wie kannst du dabei nur lachen?«
»Tut mir leid«, hatte er geröchelt – und war zusammengebrochen. Er hatte sehr lange, vielleicht bis nach Einbruch der Dunkelheit, in ihren Armen geweint.
Frank war weiter mit der defekten Herzklappe klargekommen und noch heute am Leben, sogar nach einer Begegnung mit einem Little One . Nan hingegen lebte nicht mehr, und zwar wegen irgendeines Arschlochs in einem Lieferwagen. Also ja, vielleicht war Frank leicht aufgewühlt, leicht sonderbar, leicht leicht sinnig mit seiner Idee, nach Nordosten zu marschieren.
»Ich mag Inseln«, sagte er lapidar.
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