
Praxistipp zu autismusfreundlicher Kommunikation
Zunächst Aufmerksamkeit herstellen,
kurze und einfache Sätze,
das Wichtige betonen,
Pausen zwischen Aussagen,
Zeit für eine Reaktion geben,
wenn der Auftrag wiederholt wird (bei Nicht-Reaktion), denselben Wortlaut benutzen,
bei einem Auftrag nicht fragen, sondern sagen, was gemacht werden soll (»Mach bitte das Fenster auf.«),
Ironie, Sarkasmus und Redewendungen weglassen (oder erklären),
nonverbale Kommunikation (Gestik, Mimik) reduzieren,
visuelle Hilfen (Regelkarten, Aufgabenpläne etc.) geben,
dem Menschen ermöglichen, anders als durch Worte zu kommunizieren (Gebärden, Bildkarten, Zeigen etc.).
2.4 Aufnahme in den Berufsbildungsbereich in einer WfbM
Wenn ein junger Mensch die Schulpflicht erfüllt hat, aber eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist – was bei vielen Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung und zusätzlicher kognitiver Beeinträchtigung der Fall sein dürfte – kann er in den Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfbM) wechseln. Hier kann er sich (fachlich) qualifizieren und persönlich weiterentwickeln. Ziel der beruflichen Bildung ist, die beruflichen Interessen des/der Teilnehmer*in festzustellen, sich durch das Erkennen eigener Möglichkeiten und Grenzen und das Erlernen bestimmter, für eine Tätigkeit notwendige Kernfähigkeiten auf eine zukünftige Arbeit vorzubereiten. Zunächst werden Orientierung, Mobilität, Motorik, Belastbarkeit, selbständiges Arbeiten, Konzentrationsfähigkeit und Arbeitsgeschwindigkeit eingeschätzt (auch Inhalte des DI-AM-Verfahrens,
Kap. 2.1). Am Ende der Eignungsanalyse werden die fachlichen, sozialen und persönlichen Kompetenzen des/der Teilnehmer*in beurteilt. Folgende Tätigkeitsbereiche stehen für die vorberufliche Phase beispielhaft zur Verfügung:
Hauswirtschaft,
Verpackung und Montage,
Gartenbau,
Metallbearbeitung, Fahrradmontage und Holzwerkstätten,
Bürotätigkeiten,
Lager und Logistik,
Industriemontagen,
Reinigungstechnik,
Verkauf.
Spätestens am Ende der Berufsbildungsphase sollte der Mensch für die Weiterbeschäftigung in einer WfbM ein »Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung« erbringen können. Wichtig ist auch, dass keine erhebliche Selbst- oder Fremdgefährdung (Personen und Sachen) zu erwarten ist. Häufig ist es so, dass mehrere Beschäftigungsbereiche in kurzer Zeit durchlaufen werden, was für den autistischen Menschen eine schier unüberwindbare Hürde darstellt. Er ist verwirrt von Ortswechseln, unterschiedlichen Menschen, immer wieder neuen Aufgaben etc. und kann nicht wirklich zeigen, wozu er/sie in der Lage ist. So kann keine realistische Einschätzung funktionieren. Es gibt daher Konzepte in Einrichtungen, für Menschen mit Autismus entweder zeitlich längere Phasen in einem Arbeitsbereich oder eine reduzierte Anzahl von möglichen Arbeitsplätzen anzubieten. Das Ergebnis der Berufsbildungsphase ist in der Regel, dass der Mensch in eine WfbM integriert wird, mglw. auch in eine Tagesförderstätte. Häufig zeigen sich die besonderen Fähigkeiten, aber auch Entwicklungsmöglichkeiten erst, wenn der Mensch schon länger, vielleicht auch mehrere Jahre lang, an einem bestimmten Arbeitsplatz tätig ist.
2.5 Aufnahme in eine Tagesförderstätte
Jeder Mensch hat Fähigkeiten. Doch manchmal liegen diese im Verborgenen, müssen erst erkannt und dann entwickelt werden. Das ist häufig der Anspruch einer Tagesförderstätte. Deren Arbeitsweise zeichnet sich durch eine lebenspraktische Anleitung und Assistenz in einer kleinen Gruppe aus. Häufig hat jeder/jede Beschäftigte eine/einen festen Bezugsbetreuer*in aus dem Team der Tagesförderstätte, der/die ihm bzw. ihr in allen Situationen beratend und unterstützend zur Seite steht. Durch eine zielgerichtete, individuelle Unterstützung kann die Handlungskompetenz erweitert und gefestigt werden. In der Regel gibt es für jede und jeden Beschäftigte*n einen eigenen Wochenplan, der die Inhalte der gemeinsamen Arbeit festhält und darüber hinaus Struktur und Sicherheit gibt. Hierdurch wird ein höchstmögliches Maß an Selbstständigkeit und Selbstbestimmtheit erlangt. Vorhandene bzw. bisher erworbene Fähigkeiten werden erhalten und ausgebaut, neue Fähigkeiten werden entdeckt. Die Tagesförderstätte ist allerdings weder Werkstatt für Menschen mit Behinderung noch Therapieeinrichtung. Es gibt Tagesförderstätten, die eng mit Betrieben in der Nähe zusammenarbeiten und bspw. Kurierdienste erledigen, in einem nahegelegenen Bürogebäude zur Urlaubszeit die Blumen versorgen oder eine Kirchenzeitung austragen. Hierdurch werden Kreativität und Motivation gefördert. Die Wertschätzung des und der Einzelnen hat für das Selbstwertgefühl eine hohe Bedeutung, der Mensch fühlt sich angenommen und beschäftigt. Soziale Kontakte finden – aufgrund der meist schweren Behinderung der Beschäftigten – eher niederschwellig statt, da wenig Kommunikation möglich ist. Kommunikation und soziales Miteinander erfolgen überwiegend mit Betreuungskräften und weniger mit den anderen Menschen mit Behinderung. Das erleichtert die Situation für die Menschen mit Autismus – ist aber kein Garant für einen erfolgreichen Besuch der Förderstätte.
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