Da ein Schulpraktikum für den/die Schüler*in eine neue Situation ist, in der er oder sie mit unbekannten örtlichen Gegebenheiten, einem neuen Anfahrtsweg, fremden Menschen, erstmaligen Aufgaben und mglw. beängstigenden Situationen zurechtkommen muss, erscheint eine Vorbereitung sinnvoll. Es bietet sich auch an, dass der/die Schüler*in – wenn vorhanden – von der Schulassistenz begleitet wird, die ihn bzw. sie sicher durch den Tag bringt, als Sprachrohr bzw. ›Übersetzer‹ für die individuellen Bedarfe dient und in krisenhaften Situationen vermittelnd tätig wird. Die Vorbereitung der neuen Situation kann bspw. durch Fotos und mündliche Erklärungen erfolgen, auch in Form einer Social Story (
Abb. 2 Abb. 2: Mein Schulpraktikum (METACOM Symbole © Annette Kitzinger)
).
Abb. 2: Mein Schulpraktikum (METACOM Symbole © Annette Kitzinger)

Praxistipp: Schulpraktikum
Für das Praktikum an sich sind folgende Punkte von großer Bedeutung:
Vorbereitung des/der Schüler*in auf die neue Erfahrung,
überschaubarer Arbeitsplatz mit für den/die Schüler*in erkennbaren, vorstrukturierten Aufgaben,
Visualisierung der Aufgaben, Regeln und Arbeitszeiten (Pausen),
erfahrene*r Praxisanleiter*in,
reduzierte Arbeitszeit, angepasst auf die Bedürfnisse des/der Schüler*in.
BEVO (Berufsvorbereitung)
In der Regel finden in den letzten beiden Schuljahren Gespräche zur Berufsvorbereitung (BEVO) in der Schule statt. An diesen nehmen Vertreter*innen der ansässigen Werkstätten für Menschen mit Behinderungen (WfbM), der Agentur für Arbeit und des Sozialhilfeträgers teil, um gemeinsam mit dem/der Schüler*in, den Eltern oder gesetzlichen Betreuer*innen den nachschulischen Werdegang zu besprechen und vorzubereiten. Je nach Bundesland und je nach Schule gibt es hier unterschiedliche Ansätze. Der Gesprächskreis zur Berufsvorbereitung soll dem/der Schüler*in, um den/die es geht, und seinen/ihren Angehörigen Sicherheit geben und helfen, die notwendigen Schritte zu gehen. Hier geht es nicht nur um die Fähigkeiten und beruflichen Interessen des/der Schüler*in, sondern auch um Information der Bezugspersonen zu rechtlichen Grundlagen der finanziellen Versorgung, Verrechnung von Pflegegeld, Vermögen etc. beim Eintritt in eine WfbM. Bei Menschen mit höherem Funktionsniveau geht es auch um Hilfen bzw. rechtliche Grundlagen bei der Integration auf dem ersten Arbeitsmarkt. Eltern haben bei diesen Gesprächen die Möglichkeit, entsprechende Fachleute zu fragen, mglw. Einwände zu erheben oder vor allem dafür zu sorgen, ein möglichst angemessenes und individuelles Angebot für ihr Kind zu initiieren.
DIA-AM (Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen)
Der Weg für den jungen Menschen mit Autismus ist häufig bereits frühzeitig vorgezeichnet. Die Lehrer*innen der Förderschule und die Berater*innen der Agentur für Arbeit schlagen in der Regel vor, dass der junge Mensch in eine WfbM aufgenommen wird, dort eine berufsvorbereitende Phase durchläuft und später in der Werkstatt arbeitet. Wenn er oder sie eine stärkere Beeinträchtigung hat, wird er/sie üblicherweise in eine Tagesförderstätte integriert. Selten wird überlegt, welche Ausbildung bzw. zukünftige Tätigkeit sich stattdessen für den jungen Menschen eignen könnte. Um hier Alternativen anzuschauen, steht als ein offizielles Instrument das Verfahren DIA-AM (Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit besonders betroffener behinderter Menschen) zur Verfügung. Der/die Reha-Berater*in der Bundesagentur für Arbeit entscheidet, ob diese Methode durchgeführt wird. DIA-AM richtet sich speziell an Menschen, bei denen nicht klar ist, ob sie fit genug für die Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarkts sind oder ob eine WfbM als Arbeitsplatz geeigneter wäre.
»Das Ziel der Maßnahme ist es, durch eine Eignungsanalyse und eine betriebliche Erprobung herauszufinden, welche berufliche Rehabilitationsmaßnahme für einen Menschen mit Behinderung geeignet ist. Das Ergebnis kann z. B. eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB), die Maßnahme ›Unterstützte Beschäftigung‹ oder die Qualifizierung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) sein« (Quelle: https://www.rehadat-bildung.de/de/angebote/diagnose-der-arbeitsmarktfaehigkeit/).
Persönliche Zukunftsplanung
Wenn der/die Reha-Berater*in das DIA-AM-Verfahren für unangebracht hält, ist es sinnvoll, über alternative Möglichkeiten nachzudenken. Eine gängige Methode ist die der ›Persönlichen Zukunftsplanung‹. Dieses Verfahren ist nicht autismusspezifisch, sondern überwiegend für Menschen mit Beeinträchtigungen gedacht. Es kann auch für gesunde Menschen, z. B. in der Phase einer möglichen oder notwendigen Lebensveränderung, genutzt werden. Nach einem festgelegten Prozedere wird über die Zukunft einer Person beraten, gemeinsam zwischen Betroffenen sowie Bezugspersonen. Es werden Wünsche und Vorstellungen entwickelt bzw. neu entdeckt, Ziele gesteckt und nach Möglichkeiten gesucht, diese umzusetzen. Entwickelt wurde die Methode der Zukunftsplanung in den USA und im deutschsprachigen Raum von Stefan Doose, dem Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung, etabliert.
Eine persönliche Zukunftsplanung für Menschen mit schwerer Behinderung unterscheidet sich von der bei gesunden Menschen in der Auswahl der didaktischen Mittel. Neben der sprachlichen Ebene, die das wesentliche Element der Zukunftsplanung ist, müssen für Menschen mit Behinderung andere Ausdrucksformen für Wünsche, Interessen und Vorlieben gefunden werden: Man kann mit Bildern, Karten, Fotos und Symbolen arbeiten oder es einfach ausprobieren.
Im Mittelpunkt der Persönlichen Zukunftsplanung steht der Mensch mit seinen persönlichen Wünschen an die Zukunft, also auch den Vorstellungen, wie er leben möchte. Grundlagen für die Zukunftsplanung sind seine persönlichen Interessen und speziellen Themen, seine besonderen Fähigkeiten und Stärken. Probleme bzw. Schwächen wie mangelnde Konzentrationsfähigkeit, sensorische Schwierigkeiten, zwanghafte Verhaltensweisen oder kommunikative Einschränkungen werden im Verlauf mit einbezogen. Auch wenn der übliche Weg eines Menschen mit Beeinträchtigung die Werkstatt ist, wird bei der Persönlichen Zukunftsberatung danach gefragt, ob es eine Alternative gibt, und wie diese geplant und mglw. erprobt werden kann. Die Persönliche Zukunftsplanung geht also einen anderen Weg: Sie rückt die Person in den Fokus und leitet aus ihrer Individualität die passenden Tätigkeitsfelder ab. Hierbei stellt sich auch in hohem Maße die Frage nach den erforderlichen Hilfen und Unterstützungsleistungen und deren Koordination.
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