Die Spiegel Affäre
1962 erschien im Magazin »Der Spiegel« ein Bericht mit dem Titel »Be-dingt abwehrbereit« in dem der Autor Conrad Ahlers, gestützt auf die Er-gebnisse des NATO-Manövers Fallex 62, das Verteidigungskonzept der Bundeswehr in Frage stellte.10
In der Folge dieses Berichts kam es zu Verhaftungen hoher Spiegel-Mit-arbeiter und zur Durchsuchung der Spiegel-Redaktion. Bundeskanzler Konrad Adenauer ließ sich bei einer Fragestunde zu diesem Thema im Bundestag gar zu der historischen Äußerung »Wir haben einen Abgrund von Landesverrat im Lande«, hinreißen.11
Letztlich brachte die Affäre dem Spiegel seinen heutigen Ruf als »Wäch-ter der Demokratie« ein, und führte zum Rücktritt des damaligen Vertei-digungsminister Franz Josef Strauß. Spiegel Chef Augstein und der CSU Politiker wurden danach keine Freunde mehr. Im April 2014 lief auf arte eine Verfilmung dieser Affäre, die auch ein halbes Jahrhundert danach, Strauss und Augstein sind längst tot, noch ein Begriff ist.
10 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-25673830.html (03.02.2014)
11 Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Spiegel-Affäre (03.02.2014)
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Public Relations für Bäderbetriebe
Nie wieder seit der Spiegel Affäre hat die Politik in Deutschland versucht, so massiv Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen, sehen wir mal von einigen kleinere Affären ab, in denen z.B. CSU Chef Horst Seehofer vorge-worfen wurde, zu versuchen, auf die ARD-Polit-Sendung Monitor Einfluss zu nehmen.12
Franz Josef Strauß war nicht der letzte Politiker, den auf die eine oder ande-re Art die Berichterstattung in der Presse den Job oder auch das Leben kos-tete. Bundespräsident Wulf stolperte über seine Vergangenheit, nachdem die Presse darüber berichtete, genauso, wie der damalige Verteidigungs-minister Karl-Theodor zu Guttenberg. Er musste nach Veröffentlichungen in der Süddeutschen Zeitung und dem Bekanntwerden seiner »fehlerhaften« Doktorarbeit, seinen Hut nehmen.
Der Fall Guttenberg war darüber hinaus ein Beispiel dafür, wie Recherchen im Internet dazu beitragen können, Verfehlungen der Poli-tik aufzudecken. Die Plattform http://de.gutten-plag.wikia.com machte es sich zum Ziel, mög-lichst viele Fehler in der Arbeit des Ministers zu finden, was letztlich auch gelang. Die Bedeu-tung des Internets und der vielen »Laien-Jour-nalisten« für die Möglichkeiten der vierten Ge-walt betrachten wir im Kapitel über das Internet etwas genauer.
Der Politiker Uwe Barschel, dem vom Spiegel vorgeworfen wurde, seinen damaligen Gegen-spieler, den SPD Politiker Björn Engholm, be-spitzelt zu haben, wurde, unter nie geklärten Umständen, knapp einen Monat nach Bekanntwerden des Skandals tot in der Badewanne eines Genfer Hotels gefunden.
12 http://www.br.de/nachrichten/seehofer-aerger-monitor-100.html (03.02.2014)
Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Foto: Christoph Braun Wikipedia
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Die Bedeutung der Presse
Auch in anderen Ländern hat investigativer Journalismus schon zum Sturz bekannte Politiker geführt. Bekanntestes Beispiel ist sicherlich die Waterga-te Affäre von 1972, mit ähnlichen Vorzeichen wie Jahre später der Barschel Fall. Über die Watergate Enthüllungen musste der involvierte US-Präsident Richard Nixon zurücktreten.
Die Washington Post mit ihren zwei Reportern Bob Woodward und Carl Bernstein bekam für ihre Berichterstattung den Pulitzer Preis.13
Auch heute ist die Presse, nicht nur in Deutschland, zu einem großen Teil daran beteiligt, Skandale und Verfehlungen aufzudecken. So konnte Edward Snowden sein Wissen über die NSA auch nur deshalb so schnell verbreiten, weil namhafte Zeitungen ihm halfen. Insbesondere der britischen Presse wehte in der Folge allerdings ein scharfer Wind entgegen und es kam, ähn-lich wie bei der Spiegel Affäre, zu Durchsuchungen und Beschlagnahmun-gen.
Wir können also festhalten, dass die Presse sich selbst als Wächter der De-mokratie versteht. Das Aufdecken von Skandalen geschieht nicht nur, weil so die Auflage zu steigern ist. Vielmehr sind Reporter nicht selten vom tiefen Wunsch getrieben, die Welt ein Stück besser, und dabei eine gehörige Porti-on der eigenen Meinung den Rezipienten (also dem Leser oder Zuschauer) zugänglich zu machen.
Natürlich wird nicht jeder kleine Redakteur vor Ort mit diesem Selbstver-ständnis an die Arbeit gehen, aber der Wunsch, Missstände aufzudecken, ist wohl bei jedem fest angestellten Mitarbeiter zu finden.14 Dazu muss man sich nicht immer in Regierungskreisen in Berlin bewegen. Auch ein defekter Überweg oder eine holprige Straße in der Heimatstadt, können schon die Presse auf den Plan rufen. Sicher ist das natürlich nicht. Ich habe im Laufe meiner Arbeit auch solche Journalisten getroffen, die nur von Dienstbeginn
13 Der Pulitzer Preis ist ein Journalisten- und Medienpreis, der bei US-Journalisten ebenso begehrt ist, wie der »Oscar« bei den Schauspielern.
14 Freie Mitarbeiter sind allerdings oft nur an den rein finanziellen Aspekten der Arbeit inter-essiert.
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Public Relations für Bäderbetriebe
bis Dienstende arbeiten und deren einzige Sorge war, am Monatsende Ge-halt auf dem, Konto zu haben. In den meisten Fällen treffen wir aber auf Journalisten, die ihrem Beruf durchaus mit Ernst und auch mit Stolz nach-gehen.
Somit dürfte klar sein, dass man einen Vertreter der Presse weder mit den Worten: »Schreiben Sie das mal so«, noch mit Anweisungen wie »Das dürfen Sie auf keinen Fall über uns schreiben, sonst bekommen Sie richtig Ärger«, beeinflussen kann. Insbesondere die zweite Formulierung wird mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass genau das Gegenteil eintrifft.
Ist der Journalist also per Definition jemand, der Missstände aufdeckt und dem man darum unbedingt aus dem Weg gehen sollte, um nicht irgendwann in einer Badewanne zu enden?
Nein, natürlich wäre es falsch, die Presse deshalb zu meiden, weil man selbst (vielleicht) etwas zu verbergen hat. Vielmehr geht es darum, die Pres-se geschickt für die eigenen Belange einzusetzen und es zu erreichen, dass die Berichterstattung über das eigene Bad so wohlwollend wie möglich ist. Das geht nicht, wenn der Redakteur vor Ort als Feind gesehen wird. Das Gegenteil sollte also der Fall sein. Die Presse hat ihre eigenen Regeln und Abläufe. Wollen wir uns die Medien zu Nutze machen, müssen wir diese Regeln kennen und uns daran halten.
Kummerkasten Lokalredaktion
In keiner Stadt ist alles so, wie die Menschen es sich wünschen. Es gibt immer wieder Missstände, die die Bürger gerne beseitigt hätten. Auch unser Bad ist davor nicht gefeit. Und wenn etwas schief geht und die Kunden sich darüber beschweren, dann wundert man sich immer wieder darüber, wie schnell die Zeitung von dem Fall erfährt. Wie komm das?
Das Beeindruckende ist, dass viele Bürger Beschwerden weder beim Betrei-ber, noch bei der Polizei oder sonst wo melden, sondern oft zuerst die Zei-tung anrufen. Die Ampel ist defekt, da ist ein Loch in der Straße, die Kinder
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Die Bedeutung der Presse
haben die Parkbank beschmiert? Alles keine Dinge für Polizei oder Kommu-ne, sondern für die Zeitung. Zumindest in den Köpfen mancher Bürger ist die Redaktion der Heimatzeitung erster Anlaufpunkt für diese Probleme. Und so macht uns dann vielleicht nicht der Badegast darauf aufmerksam, dass die Temperatur im Bad zu gering ist, sondern wir hören es vom Redakteur der lokalen Zeitung. Wenn wir Glück haben, BEVOR er den Bericht über unser saukaltes Wasser fertig hat.
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