Unsere gemeinsame Geschichte mit unserem Sohn Kilian führte uns auf unseren „Weg zur Perma-/Wildniskultur“ und nahm mit einer chronischen Krankheit, genannt „Kurzdarmsyndrom“, seinen Anfang. Durch diese Krankheit, die selten ist und auch bei jedem betroffenen Patienten anders verläuft, haben wir als Eltern die Möglichkeit erhalten, uns als Menschen besser kennenzulernen, uns selbst in Frage zu stellen und vor allem: selbst die Verantwortung für unser Tun und Denken zu übernehmen.
Kilian dabei zu helfen, so gesund wie möglich zu sein, nimmt viel Raum in unserem Familienleben ein. Seine Brüder, Lion-Felix und Jakob, wurden 2004 und 2006 geboren. Das Gründen einer für unsere derzeitige Gesellschaft unüblich großen Familie stieß nicht immer auf Verständnis. Wir jedoch waren und sind der Meinung, dass dies das Lebenskonzept ist, dass für uns, Johnny und Sandra, das richtige ist. Wir waren beide der Meinung, dass Kilians Leben voraussichtlich so „anders“ verlaufen würde, dass ein klein wenig Normalität im Familienalltag sich für uns alle sehr positiv auswirken würde. Natürlich hoffen wir, dass das unsere Jungs genauso sehen.
Wildniskultur heißt natürliches Wachstum.
Jedes Kind hat wieder Neues in uns hervorgebracht. Während ich mich nach Lions Geburt hauptsächlich um die zeitlich doch sehr intensive Pflege der beiden Jungs kümmerte, versuchte Johnny, soweit es Kilians Gesundheit zuließ, die Familie finanziell zu versorgen. Parallel machte er eine Ausbildung zum Fitness- und Gesundheitscoach. Seine Abschlussarbeit schrieb er über „Mineralstoffe und Spurenelemente und deren Wirksamkeit“. Durch diesen tieferen Zugang zur Materie wurde klar, dass wir in Zukunft, vor allem um die Versorgung unserer Familie mit allen Inhaltstoffen, die für sie wichtig sind, zu gewährleisten, unsere selbst vorgezogenen und unter natürlichen Bedingungen gewachsenen Früchte und Kräuter anbauen werden. Der Wunsch nach möglichst weitgehender Selbstversorgung war geboren!
Nach der Geburt unseres dritten Kindes zogen wir aus beruflichen Gründen für einige Jahre nach Oberösterreich, nach Bachmanning im Bezirk Wels-Land. Das war auch etwa die Zeit, als wir mit der Permakultur in Berührung kamen. Das erste Buch über Permakultur kaufte ich Johnny zu Weihnachten 2006. Kurz davor hatten wir einen Bericht im Fernsehen über den „Agrarrebellen“ Sepp Holzer, einen Bergbauern aus dem Salzburger Lungau, gesehen und verfolgten die kontroverse Diskussion über ihn und sein Tun. Johnny und mir gefiel Sepps direkte Art und sein kompromissloses Handeln für die Natur. Seine „Holzer’sche Permakultur“ faszinierte uns vor allem wegen ihres Umgangs mit dem Thema „Wasser“ und durch das „Denken und Planen“ über den Tellerrand hinaus.
Da es auch in unserem Umkreis interessante permakulturelle Initiativen gab, hörten wir uns einen Vortrag von Bernhard Gruber, einem Permakultur-Designer aus Wels, an. Am meisten faszinierten mich dort der „Hühnertraktor“ und der Einsatz der Hühner im Garten als Helfer. Beide Männer boten Ausbildungen an und es war klar, dass einer von uns, entweder Johnny oder ich, eine dieser Ausbildungen machen sollte.
Da wir mit unseren drei Kindern, und vor allem durch Kilians immer wieder angespannte Gesundheitssituation, nicht die Möglichkeiten hatten beide Ausbildungen zu machen, mussten wir eine Entscheidung treffen. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch gar nicht klar, dass es in der „Permakultur“ mindestens zwei Strömungen gibt und wie sehr die Auseinandersetzung zwischen den „Anhängern“ dieser Wege uns noch betreffen würde.
Meine Mutter bot uns an, unsere Jungs für drei Tage zu betreuen, sodass Johnny und ich ein Drei-Tages-Seminar mit Sepp Holzer auf seinem „Krameterhof“ machen konnten. Dort fiel bei uns der Groschen, wie man so schön sagt!
Dieser 45 ha große Bergbauernhof in der kältesten Region Österreichs wurde von Sepp über Jahrzehnte terrassiert, in Mischkultur bepflanzt und mit Tieren bewirtschaftet. Wenn du dort auf dem Berg stehst und ringsum den Zustand der Flächen und Wälder im direkten Vergleich zum „Krameterhof“ siehst, fängst du an zu verstehen, worum es sich bei nachhaltiger, ökologischer Bewirtschaftung dreht. Und voilà: Der nächste Leitsatz lag klar auf der Hand und wartete auf Umsetzung:
ERFAHRUNG 5:
„Gestalten und renaturieren im Kleinen wie im Großen zum Wohle von Mensch, Tier und Pflanze! Im Mittelpunkt stehen immer die Natur und ihre Zusammenhänge … der Mensch mit seinen Vorstellungen von Ästhetik und Notwendigkeiten stellt sich in den Hintergrund!“
Hier einige Möglichkeiten der Gestaltung:
Vielfalt der Vegetation= Verringerung der Bodenerosion durch Tief- und Flachwurzler. Bei Sepp standen wir im Dschungel, rundherum bei den Nachbarn herrschte der Borkenkäfer und Stürme konnten durch die Bewirtschaftung in Fichtenmonokulturen großen Schaden anrichten.
Terrassierung von Hängen= Das Wasser bleibt so lange wie möglich auf dem Grundstück – im Gegensatz zur Drainagierung von Hängen unter anderem durch intensiven Forststraßenbau. Durch das Halten des Wassers am Grundstück kann sich die Feuchtigkeit lange halten, die Versorgung der Pflanzen ist gewährleistet.
Anlegen von Wasserretentionsbecken= Durch das Anlegen dieser Becken (Teiche/Biotope) halte ich ebenfalls das Wasser länger auf meinem Grundstück. Es ist eindrucksvoll zu sehen, wie auf dem Krameterhof das Wasser von oben auf dem Berg bis nach unten in modellierte Becken, die die Natur zum Vorbild haben und natürlich folienfrei sind, geleitet wird. Richtiges Wassermanagement sorgt für gutes Pflanzenwachstum und Diversität.
Direkt nach dem Seminar entschlossen wir uns dazu, dass Johnny den nächsten Ausbildungslehrgang bei Sepp Holzer machen würde. Einfach war es für uns nicht, die Summe für die Ausbildung aufzubringen, aber das Herz und der Bauch sagten mit aller Bestimmtheit JA! Da es weder zeitlich noch finanziell möglich war, dass wir beide die Ausbildung machten, einigten wir uns darauf, dass Johnny diese Chance wahrnimmt und mir so viel wie möglich vom Erfahrenen und Erlernten weitergibt.
Unser größtes Anliegen war es, wie schon erwähnt, uns und unsere Kinder, im Besonderen Kilian, so natürlich wie möglich zu ernähren. Mir war es besonders wichtig dies ohne Druck zu tun. Selbstversorgung bedeutet für uns, alles was uns mit unseren Ressourcen an Zeit, Energie, Kreativität, Wissen, Erfahrung und Finanziellem zur Verfügung steht für uns als Gruppe einzusetzen, um möglichst unabhängig von großen Konzernen zu sein. Recht schnell ließ sich ein weiteres Lebensprinzip für uns daraus ableiten:
ERFAHRUNG 6:
„Selbstversorgung heißt sich an die Gegebenheiten anzupassen und mit anderen (Mensch, Tier, Pflanze, Wasser, Erde) in Beziehung zu treten.“
Die größte Unabhängigkeit und die größte finanzielle Einsparung erreiche ich dann, wenn ich mein Obst, Gemüse, meine Kräuter und gegebenenfalls meine tierischen Produkte selbst vorziehe bzw. herstelle.
In unserem Innenhof in Oberösterreich begann Johnny eine kleine Gartenanlage im Kreislauf mit der Natur zu gestalten. Ich nannte sie liebevoll das „1. Permakultur-Minimundus“ (beschrieben in der 1. Auflage des Buches „Jedem sein Grün“). Auf einer Fläche von ungefähr 50 m 2entstand eine Gartenlandschaft, die die Sandkiste der Kinder gleich inkludierte. Ein Pyramidenbeet für Gemüse, ein Kräuterhügel, ein Mini-Teich für unsere tierischen Helfer, die Laufenten, ein bepflanzter „Jakob-Zaun“ (das war jener Zaun, der vor allem unseren Jüngsten vor den Autos, die in den Hof fuhren, schützen sollte) sowie eine Bepflanzung des Sandkistenrandes und damit die Begrünung der Stadelwand mit Paradeisern (Tomaten) waren Teil des Konzeptes.
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