Uli Borowka liegt auf einer dreckigen Matratze. Er hat einen Entschluss gefasst. Heute wird er sich das Leben nehmen. Doch der Mix aus Alkohol und Tabletten verfehlt seine Wirkung. Borowka wacht wieder auf. Vier Jahre später geht der ehemalige Fußballstar von Borussia Mönchengladbach und dem SV Werder Bremen in eine Entzugsklinik. Seit diesen Monaten im Jahr 2000 lebt Uli Borowka abstinent. Er selbst sagt über sein jetziges Leben: „Jeder Tag, an dem ich keinen Alkohol trinke, ist für mich mehr wert als jeder Titel, den ich gewonnen habe.“
Als der Ex-Bundesligaspieler Timm Klose am Wochenende in einem Interview von seiner Alkoholsucht erzählte, zeigten sich wieder einmal viele Fußballfans erstaunt darüber, wie Hochleistungssport und extensiver Alkoholkonsum zusammenpassen. Für Uli Borowka war das Alltag, damals. Genau wie Klose begann auch der Mann aus dem sauerländischen Menden bereits als junger Mensch mit dem Trinken – und hörte erst mit 38 Jahren wieder auf. Borowka sagt rückblickend: „Ich war 16 Jahre lang Fußballprofi und 16 Jahre lang starker Trinker.“ Dazu kam sein intensiver Medikamentenkonsum. Schmerzmittel, die ihn nicht nur seine kaputten Knie vergessen ließen, sondern auch die Nebenwirkungen des Alkohols abmilderten. Wenn Uli Borowka auf dem Platz stand, gab er sein Bestes. Doch es gab Tage, da schaffte es der Werder-Profi erst gar nicht bis auf den Rasen. Sein Trainer Otto Rehhagel deckte ihn in diesen Momenten. Er brauchte seinen Verteidiger. Unbeschädigt, als tadellosen Sportsmann. Deshalb erfand Rehhagel Ausreden für ihn. Und Borowka nahm diese dankend an. Nachdem der ehemalige Werder-Profi in seinem Buch „Volle Pulle“ geschrieben hatte, dass Otto Rehhagel wegen dieser Täuschungen und des Deckens von Borowkas Alkoholsucht in dieser Zeit „co-abhängig“ gewesen sei, redete der Europameister-Trainer von 2004 lange Jahre nicht mehr mit seinem Ex-Spieler. Dabei gab Borowka seinem früheren Trainer gar keine direkte Schuld. Vor allem, weil er selbst wusste, dass dieses Verhalten alles andere als selten ist.
Knapp zehn Jahre zuvor hatten die Spieler beim Hamburger SV ihren Coach Branko Zebec gedeckt, obwohl sie genau wussten, dass der in erhöhtem Maße dem Alkohol zusprach. Auch für sie zählte, dass sie mit ihm und durch ihn gewannen. Doch am 29. Spieltag der Saison 1979/80 bei der Partie des HSV in Dortmund konnte die gesamte Fernsehnation erstmals sehen, was längst so viele wussten: Branko Zebec hatte ein Alkoholproblem. Völlig abwesend verfolgte der volltrunkene Trainer die erste Halbzeit auf der Bank des Westfalenstadions. In der zweiten Hälfte blieb sein Platz leer. HSV-Präsident und Anwalt Dr. Wolfgang Klein wählte seine Worte mit Bedacht, und dennoch benutzte er erstmals bewusst und öffentlich das Wort „Alkohol“ in seiner Stellungnahme: „Es ist bekannt, dass Herr Zebec seit Langem unter einer Erkrankung der Bauchspeicheldrüse leidet. Deshalb ist jeder Tropfen Alkohol für ihn besonders schädlich.“ Da er am Freitag die Hinfahrt im Bus verpasst hatte, war Zebec im Leihwagen dem Team gefolgt. In der Nacht stoppte ihn die Polizei in der Nähe der Autobahnausfahrt Ascheberg bei Münster und behielt seinen Führerschein sofort an Ort und Stelle ein. Die Blutprobe ergab einen Promillewert von 3,25. Der „Spiegel“ schrieb damals: „Der Jugoslawe Branko Zebec (Spitzname: Fernet-Branko) trainierte zwar Bayern München zur Deutschen Meisterschaft. Doch der Diabetiker benötigt Blutzucker senkende Insulinpräparate und ist bei Alkoholgenuss bis zum komaartigen Rausch doppelt gefährdet.“ Zebec bekam seine Krankheit zeitlebens nicht in den Griff. Er starb bereits mit 59 Jahren an den Folgen seines jahrelangen Alkoholmissbrauchs.
Die Sucht-Beichte von Timm Klose, der aktuell bei Norwich City spielt, ist im englischen Fußball spätestens seit dem 1998 erschienenen und mehrfach prämierten Buch „Addicted“ des ehemaligen Nationalspielers Tony Adams keine Seltenheit mehr. Adams beschrieb damals detailliert seine Parallelwelt zwischen Fußballprofi und Alkoholiker. Nach dem verlorenen Halbfinale gegen Deutschland im Elfmeterschießen bei der Europameisterschaft 1996 und einer siebenwöchigen Phase des Trinkens fand Adams über den Gang an die Öffentlichkeit einen Weg aus der Sucht. Seit Jahren engagiert sich der frühere Arsenal-Spieler mit verschiedenen Projekten in der Suchthilfe.
Das Geständnis von Timm Klose wird für Adams und Borowka deshalb nicht überraschend gekommen sein. Beide wissen um die vielfältigen Suchtproblematiken im Profi-Fußball und weisen öffentlich darauf hin, dass nach aktuellen Studien mindestens jeder fünfte Spieler mit einer Sucht – neben dem Alkohol auch Drogen/Medikamente und Glücksspiel – zu kämpfen hat. Öffentliche Bekenntnisse wie die von Klose helfen dabei, die Menschen im unbarmherzigen Millionengeschäft Fußball weiter zu sensibilisieren. Denn eine schlichte Wahrheit mussten alle Betroffenen machen: Es kann jeden treffen. Selbst die Allergrößten wie den Torjäger aller Torjäger, Gerd Müller. Und auch dieser sagte, genau wie Borowka, einmal: „Dass ich die Sucht bezwungen habe, war mein größter Sieg – wichtiger noch als der WM-Titel.“
Schön wie Lothar, elegant wie Maradona |
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Heraushängende Zunge, keine Hose: „So ist nicht mal Matthäus in schlimmsten Zeiten rumgelaufen“, fluchte TV-Moderator Oliver Welke. 2006 sorgte Goleo für Aufregung. Wer der Nacktlöwe ist und warum er auch als „Crazy Frog“ gut aussieht: Hier kommt die Antwort!
Es war das bestgehütete Geheimnis eines Sommers. Vor der WM 2006 setzten die Medien alles daran, den Mann unter dem Goleo-Kostüm zu enttarnen. Die Neugierde war riesig. Man fragte sich, wer da dem flauschigen Löwen seine Stimme lieh. Und wer so fließend-fröhlich auf Englisch, Deutsch und Spanisch mit der versammelten Weltpresse parlieren und seinen Körper so betont schwungvoll in Szene setzen konnte. Doch egal wie tief man auch bohrte, die Presse bekam keine Antworten.
Aus Sicherheitsgründen sagte man damals die Teilnahme Goleos an Shows wie „TV total“ ab. Zu groß wäre das Risiko einer gezielten Attacke gewesen. Einmal das „wahre“ Gesicht des Maskottchens in der Öffentlichkeit – und der schöne Schein wäre dahin gewesen. Und so durfte Goleo selbst seinen Kopf nur in gut abgeschirmten Kabinen abnehmen. Und tatsächlich: Das Geheimnis, welcher vielseitig begabte Mann ein ganzes Sommermärchen lang unter dem Kostüm schwitzte, blieb bis zum heutigen Tage gewahrt. Nun ist der Zeitpunkt zur Enttarnung gekommen.
Im Sommerurlaub an der Nordseeküste hatte ich einen jungen Mann kennengelernt. Wir kamen ins Gespräch, weil ich ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ohne Fußball ist alles nichts!“ trug. Bereits wieder zu Hause, schrieb er mir über Facebook: „Wusstest du eigentlich, dass ich bei der WM 2006 Goleo war?“ Ich war von einem Moment auf den nächsten wie elektrisiert. Hatte ich tatsächlich den Mann kennengelernt, der sich in seiner Rolle als Löwe der Nation selbst so vorstellte: „In meiner Person vereinen sich die Schönheit von Lothar Matthäus, die Eleganz von Maradona und das weltmännische Auftreten von Oliver Bierhoff“?
Marcel Batangtaris ist Schauspieler, Moderator und Synchronsprecher – und wird seit vielen Jahren für Spezial-Einsätze in Kostümen gebucht. Er stand damals gerade am Flughafen von Kopenhagen, als man ihm mitteilte: Du bist Goleo! In Dänemark hatte er soeben einen Festival-Auftritt als „Crazy Frog“ hinter sich gebracht. Bis zu 120.000 Zuschauer beglückte er auf der Bühne mit der Figur des Klingelton-Anbieters „Jamba“. Am 30. Mai 2005 schob sich ein Song des „Crazy Frog“ auf Platz 1 der britischen Charts. Viele sahen damals das Ende jeglichen guten Geschmacks gekommen, doch für den Wahl-Kölner Batangtaris lief es gut. Dass Goleo noch einmal eine ganz andere Hausnummer sein sollte, ahnte er damals bereits, als das Angebot kam – aber wie krass es tatsächlich werden würde, konnte er nicht annähernd wissen.
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