1.1 Zur Notwendigkeit von Unterrichtsplanung
Um Bedenken vorwegzunehmen: Wir gehen nicht davon aus, dass eine Unterrichtplanung Punkt für Punkt wortgetreu umgesetzt werden kann. Es gibt zahlreiche Gründe, warum sich Unterricht abweichend von der vorangegangenen Planung entwickelt, beispielsweise durch die Abhängigkeit von der Tagesform und der aktuellen Befindlichkeit aller Beteiligten, durch bisher nicht bekanntes Vorwissen bei den Schülerinnen und Schülern, durch Störungen von außen etc.
Allerdings sollte Unterricht kein willkürliches Produkt von Zufällen und individuellen Interessen der Lehrpersonen sein, sondern vielmehr durch die Berücksichtigung von didaktisch-methodischen Qualitätsaspekten legitimiert werden. Zwar kann der Planungsprozess im Vorfeld den Verlauf der eigendynamischen Entwicklung einer Unterrichtsinteraktion nicht abbilden. Dennoch können Rahmenbedingungen geschaffen werden, die auf die Bedürfnisse der Beteiligten abgestimmt sind und somit den Lernzugang und die Kommunikation miteinander erleichtern. „Durch Nachdenken über Unterricht wird der Umgang mit Unterricht eingeübt“ (Scheunpflug 2001, 84). Unterrichtsplanung garantiert keine stabile Unterrichtssituation und einen entsprechenden Unterrichtserfolg, aber sie macht diese wahrscheinlicher (2001, 124 f).
Unterrichtsplanung
Was meint der Begriff Unterrichtsplanung? Als Arbeitsdefinition schlagen wir in Orientierung an Sandfuchs vor, unter dem Begriff der Unterrichtsplanung alle Maßnahmen und Entscheidungen im Vorfeld der Unterrichtsdurchführung zu verstehen, die zur Optimierung des Lernens und Lehrens im Unterricht beitragen (2006, 684). Unterrichtsplanung ist demnach ein wesentlicher Teil der professionellen Kompetenz von Lehrpersonen, da Unterricht nach Lamers einen bewussten Prozess darstellt, der auf eine strukturierte und anspruchsvolle Wissens- und Fähigkeitsaneignung auf dem je individuellen Lernniveau abzielt (2003, 204).
Planungsschritte
In der genannten Definition wird deutlich, dass eine sinnvolle Unterrichtsplanung daher immer konkret vor dem Hintergrund der Kenntnisse über die Lernenden erfolgt, die mit dem Bildungsinhalt in Bezug gesetzt werden. Eine systematische Vorbereitung stellt gerade für Lehreinsteigerinnen und Lehreinsteiger eine notwendige Grundlage für den dialektischen Umgang mit der Erörterung des Bildungsinhaltes auf der einen und der Komplexität der Lernvoraussetzungen der Schülergruppe auf der anderen Seite dar.
methodische Schritte bewusst entscheiden
Zudem wird durch dieses organisierte Vorgehen die in der Praxis vielerorts bekannte Tendenz in Frage gestellt, den Unterricht ausgehend von einer Methode oder einem neu erworbenen Lernmaterial zu planen. Vielmehr wird die intensive Auseinandersetzung mit dem Lernstoff im Hinblick auf die gegenwärtige und zukünftige Lebensbedeutsamkeit der Schülerinnen und Schüler eingefordert. Methodische Schritte sind nicht beliebig zu entscheiden, sondern auf der Basis der individuellen Lernchancen auszuwählen und zu planen.
Mitverantwortung
Eine solide Planung stellt nicht nur den Ausgangspunkt für strukturiertes Lehrerhandeln dar, sondern sorgt auch für Transparenz unter den beteiligten Kolleginnen und Kollegen sowie für die Schülerinnen und Schüler. Das Wissen, was in der angekündigten Unterrichtssituation passieren wird, hilft allen Beteiligten, sich darauf einzustellen und aktiv darauf einzulassen. Neben den genannten Vorteilen von reflektierter Unterrichtsplanung durch die Lehrperson gilt es auch, die Mitbestimmung der Lernenden bei der Gestaltung des Lernprozesses zu berücksichtigen. Dies bedarf der Offenheit der Lehrperson, des gemeinsamen Aushandelns und der Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler, Lernprozesse zu planen. Bei Letzterer geht es um die Selbstbefähigung, Verantwortung für das eigene Lernen zu übernehmen. Im Unterricht sollte es Phasen geben, diese Kompetenz zu üben und zu erweitern. Dialogische Planungsprozesse können mit kleinen Entscheidungen über Arbeitszeiten, Orte, Inhalte etc. beginnen und bei zunehmender Kompetenz auch die Planung von Unterrichtsprojekten einbeziehen. Also: Planung ja. Aber wie?
1.2 Unterrichtsplanung als zielorientierter Prozess
In der didaktischen Literatur ist eine Vielzahl von Diskussionen zur Gestaltung von Unterrichtsplanungsprozessen zu finden, in denen auf unterschiedliche erkenntnis- und lerntheoretische sowie didaktische Bezüge referiert wird. Das Vorgehen der Unterrichtsplanung, das im Folgenden skizziert wird, orientiert sich am Planungsraster von Klafki im Sinne seiner kritisch-konstruktiven Didaktik, die auf bildungstheoretischen Überlegungen fußt. Charakteristisch für diesen didaktischen Ansatz ist einerseits die Zielperspektive, die Schülerinnen und Schüler durch Hilfestellungen in ihrem Lernprozess „ … zu wachsender Selbstbestimmung-, Mitbestimmungs- und Solidaritätsfähigkeit in allen Lebensdimensionen“ (2007, 90) zu befähigen. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den Schülerinnen und Schülern, sondern dieses Ziel schließt auch den kritischen Blick auf das Handeln der Lehrpersonen mit ein, inwiefern dies Möglichkeiten zur Weiterentwicklung bietet. Andererseits impliziert die konstruktive Didaktik die Veränderung der Schulwirklichkeit durch didaktische Modellentwürfe und ermöglicht Lehrpersonen eine größere Reichweite ihres pädagogischen Handelns.
In Klafkis didaktischem Ansatz besteht ein enger Bezug zwischen theoretischen Überlegungen und praktischem Handeln. Ebenso sollten Bezüge zwischen der didaktischen Theorie und deren praktischer Umsetzung sowie den gesellschaftlichen Voraussetzungen und Konsequenzen didaktischer Überlegungen und Vorgehensweisen erarbeitet werden. Didaktik gilt als Möglichkeit zur Unterstützung im Demokratisierungs- und Veränderungsprozess der Gesellschaft (2007, 89 ff).
1.2.1 Zielrichtungen des Unterrichts
Partizipationsziele
Zentral für theoretische Aussagen zur Unterrichtsplanung ist nach Klafki in erster Linie die Beschreibung der zentralen Ziele, die im Unterricht eröffnet werden sollen, um die genannten und gewünschten gesellschaftlichen Auswirkungen zu begünstigen (2007, 256). Unserer Meinung nach sind für den Unterricht im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung grundlegende partizipatorische Ziele zentral, die in Tabelle 2aufgeführt werden.
Tab. 2: Zielrichtungen von Unterricht
Da sich jeglicher Unterricht über Interaktionsprozesse realisiert, liegt in der Teilhabe an der Unterrichtsinteraktion die Grundlage für die Realisierung der weiteren genannten Zielperspektiven. Eine differenzierte Darstellung dazu findet sich in Kapitel 7.1. Wenn Unterricht die in der Tabelle genannten Zielperspektiven einlösen soll, dann müssen diese bereits bei der Planung mitgedacht werden.
1.2.2 Unterrichtsplanung kritisch-konstruktiv
kritisch-konstruktive Didaktik
Das Konzept der kritisch-konstruktiven Unterrichtsplanung nach Klafki basiert auf sieben Problemfeldern bzw. Fragedimensionen, die in Abbildung 1beziffert sind (2007, 272).
Abb. 1: Didaktische Analyse nach Wolfgang Klafki (2007, 272)
In Bezug auf die Eingrenzung des Themas und dessen Begründung werden zunächst die ausgewählten Themen und die sie konstituierenden allgemeinen Ziele geprüft. Die Gegenwarts-, Zukunfts- und exemplarische Bedeutung stehen hier in keiner vorgegebenen Reihenfolge, sondern in wechselseitiger Abhängigkeit. In der Gegenwarts- (1) und der vermuteten Zukunftsbedeutung (2) wird eruiert, inwiefern die Thematik Relevanz in der gegenwärtigen Lebensphase der Schülerinnen und Schüler hat, Verstehens-, Urteils- und Handlungsmöglichkeiten an die Hand gibt und zugleich Entwicklungsmöglichkeiten bezüglich ihrer Zukunft bietet. Die exemplarische Bedeutung (3) zeigt in Form von allgemeinen Zielen der übergreifenden Unterrichtseinheit allgemeine Zusammenhänge auf.
Читать дальше