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Niklas Luhmann
Vertrauen
Ein Mechanismus der Reduktion
sozialer Komplexität
5. Auflage
UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz
mit UVK/Lucius · München
Die Originalausgabe erschien 1968 im F. Enke Verlag, Stuttgart
Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.
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4. Auflage: © Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2000
5. Auflage: © UVK Verlagsgesellschaft mbH,
Konstanz und München 2014
Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart
Satz und Layout: Sibylle Egger, Stuttgart
UVK Verlagsgesellschaft mbH
Schützenstr. 24 · D-78462 Konstanz
Tel.: 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98
www.uvk.de
UTB-Band Nr. 2185
ISBN(eBook) 978-3-8463-4004-2
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
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Vorwort
Ob man der Soziologie raten sollte, Worte des täglichen Sprachgebrauchs und Begriffe der traditionellen ethischen Vorstellungswelt zu verwenden, ist ernsthafter Überlegung wert. Bei einer solchen Umrüstung moralischer in soziologische Begriffe scheinen zunächst Vorteile und Nachteile sich die Waage zu halten; sie lassen sich aber weitgehend trennen. Bleibt man auf der Ebene der kritischen Zersetzung und überraschender Verfremdung, der Ideologieentlarvung durch kausale Erklärung oder des Nachweises heimlicher Nebenzwecke stehen, überwiegen die Nachteile. Die Identität des benutzten Wortes wird dann zur Diskreditierung seines hergebrachten Bedeutungshorizontes mißbraucht. Das ist in der geistigen Situation der Gegenwart ein leichtes Geschäft – und vielleicht zu leicht, als daß die Soziologie daran lernen und an dieser Aufgabe eine eigene Theorie heranbilden könnte. Gelänge es ihr dagegen, diese Ebene zu verlassen und ihre geistige Position positiv, das heißt durch eine eigene Theorie, zu festigen, von der aus sie dann ein Gespräch mit dem Alltagsverständnis der sozialen Welt und dessen Ausformung durch die Ethik zu führen vermöchte, könnte es sein, daß die Vorteile eines gewissen gemeinsamen Vokabulars die Nachteile überbieten. Die folgenden Überlegungen zum Begriff des Vertrauens möchten in diesem Sinne zur soziologischen Theoriebildung beitragen.
Das Manuskript habe ich an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund ausarbeiten können. Das hat mir mit besonderer Schärfe vor Augen geführt, wie weit das, was heute über Vertrauen gesagt werden kann, von methodisch gesicherter Verifikation noch entfernt ist. Eingehende Diskussionen mit den Herren Dr. H.-J. Knebel und Dr. F. X. Kaufmann haben mir viele Anregungen gegeben und mich in der Auffassung bestärkt, daß diese Kluft zwischen Theorie und Empirie unvermeidlich, aber nicht unüberbrückbar bleiben wird.
Dortmund, im Winter 1967/68 |
Niklas Luhmann |
Inhalt
Vorwort
1. Das Bezugsproblem: Soziale Komplexität
2. Bestände und Ereignisse
3. Vertrautheit und Vertrauen
4. Vertrauen als Reduktion von Komplexität
5. Überzogene Information und Sanktionsmöglichkeiten
6. Persönliches Vertrauen
7. Medien der Kommunikation und Systemvertrauen
8. Taktische Konzeption: Vertrauen als Chance und als Fessel
9. Vertrauen in Vertrauen
10. Vertrauen und Mißtrauen
11. Vertrauensbereitschaft
12. Rationalität von Vertrauen und Mißtrauen
Literatur
Sachregister
[1]1. Das Bezugsproblem: Soziale Komplexität
Vertrauen im weitesten Sinne eines Zutrauens zu eigenen Erwartungen ist ein elementarer Tatbestand des sozialen Lebens. Der Mensch hat zwar in vielen Situationen die Wahl, ob er in bestimmten Hinsichten Vertrauen schenken will oder nicht. Ohne jegliches Vertrauen aber könnte er morgens sein Bett nicht verlassen. Unbestimmte Angst, lähmendes Entsetzen befielen ihn. Nicht einmal ein bestimmtes Mißtrauen könnte er formulieren und zur Grundlage defensiver Vorkehrungen machen; denn das würde voraussetzen, daß er in anderen Hinsichten vertraut. Alles wäre möglich. Solch eine unvermittelte Konfrontierung mit der äußersten Komplexität der Welt hält kein Mensch aus.
Diesen Ausgangspunkt kann man als unbezweifelbares Faktum als „Natur“ der Welt bzw. des Menschen feststellen und würde damit etwas Wahres aussagen 1 . Alltäglich vertraut man in dieser Selbstverständlichkeit. Zutrauen in jenem fundierenden Sinne ist für das tägliche Leben Komponente seines Horizontes, Wesensmerkmal der Welt, aber nicht intendiertes (und damit variierbares) Erlebnisthema.
Man kann die Notwendigkeit des Vertrauens auch als wahren und gewissen Grund für die Herleitung von Regeln richtigen Verhaltens ansehen. Sind Chaos und lähmende Angst die einzige Alternative zum Vertrauen, so läßt sich daraus folgern, der Mensch solle, seinem Wesen entsprechend, Vertrauen schenken, wenn auch nicht blindlings und nicht in jeder Hinsicht 2 . Man gelangt auf diese Weise zu ethischen oder naturrechtlichen Maximen – zu Prinzipien mit eingebauter Zulassung des Gegenteils, deren Brauchbarkeit so umstritten ist.
[2]Eine dritte Möglichkeit ist, die Angst einer Existenz ohne Vertrauen gleichsam spielerisch zu durchdenken und dichterisch auszumalen. Man kann auf diese Weise die Alltagswelt transzendieren und sich von ihrer Auslegung durch die philosophische Tradition distanzieren. Der Blick auf jene Grenzsituation hat Psychologen und Ärzte 3 , ja sogar bedeutende Denker der Gegenwart fasziniert. In der Tat läßt sich aus schwindelerregenden Vorstellungen eine Art instruktiver Genuß ziehen. Doch bleibt die Instruktion durch den Schwindel getrübt.
Die funktionale Forschung in Psychologie und Sozialwissenschaften findet sich in mancher Hinsicht in der Nähe solcher existenzphilosophischen Bemühungen – vor allem durch ihre Ablehnung des Substanzprinzips. Deshalb muß sie um so größere Sorgfalt darauf verwenden, sich von ihnen abzusetzen 4 . Ihren eigenen Charakter gewinnen funktionale Analysen durch die Art ihrer Forschungsperspektive und deren Denkvoraussetzungen. Diese Eigenart ist umstritten 5 und muß daher in ihren Grundzügen aufgewiesen werden 6 , bevor wir nach der Funktion des Vertrauens fragen können.
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