1 ...6 7 8 10 11 12 ...22 (Zusammensetzung)
Die Zusammensetzung der Vereinigungen war sehr unterschiedlich. Zwar waren in den meisten ausschließlich Männer zugelassen, es gab aber auch gemischte Vereinigungen (GRA I 40.61; II 105.117; IGUR III 160), seltener reine Frauenvereinigungen (GRA I 143; IGBulg IV 1925,b). Hinsichtlich der sozialen Herkunft lässt sich Ähnliches beobachten: Etliche Vereinigungen bestanden ausschließlich aus Mitgliedern der lokalen Elite (GRA I 51), andere nur aus Sklaven und Freigelassenen (GRA I 68), wieder andere waren Mischformen (GRA II 117). Die Zahl der Mitglieder war in der Regel nicht groß (15–30 Personen), sehr selten waren Vereinigungen mit mehreren hundert Personen (IGUR III 160).
(Rechtliche Situation)
Die rechtliche Situation war charakterisiert durch die grundsätzliche Freiheit, Vereinigungen gründen zu dürfen, solange sich diese als loyal gegenüber den Interessen von Polis und Imperium und harmlos erwiesen. Erst wenn Probleme auftraten, wurden die römischen Behörden aktiv. Der sogenannte Bacchanalienskandal, über den uns ein erhaltener Senatsbeschluss aus dem Jahr 186 v. Chr. (CIL I3 581) sowie der römische Geschichtsschreiber Livius informieren (ab urbe condita 39,8–19), war der erste Fall, in dem eine Vereinigung verboten wurde. Später wurden bei politischen Unruhen in Rom ebenfalls Vereinigungen untersagt, während andere – wie etwa jene der Judäer – ausdrücklich erlaubt wurden (Sueton, Caes. 42,3; Aug. 32,1; Josephus, ant. 14,213–216). In Briefen an den Statthalter Plinius in der kleinasiatischen Provinz Bithynien-Pontus untersagte Trajan die Zulassung von Vereinigungen (Plinius d. J., epist. 10,33f.; 92f.), sodass sich auch Christusgläubige nicht mehr trafen, weil sie dies auch auf ihre Versammlungen bezogen (epist. 10,96). Für einige wenige Vereinigungen im Bereich der Stadt Rom, die Mitglieder der Eliten als Patrone hatten, ist demgegenüber eine formelle Bewilligung durch den römischen Senat belegt (CIL VI 2193; XIV 2112). Die allermeisten Vereinigungen hatten aber keinerlei Zulassung und benötigten diese auch nicht. Sie waren vielmehr wichtige Bestandteile in der Sozialstruktur der antiken Welt.
2.2.3.4 Bürger und Fremdlinge
(Städtisches Bürgerrecht)
Jeder freie männliche Bewohner einer Stadt war auch ihr Bürger und hatte damit bestimmte politische Rechte, die Frauen, Sklaven und Sklavinnen sowie Fremden nicht gewährt wurden. Dies betraf u. a. die grundsätzliche Möglichkeit, öffentliche Funktionen auszuüben oder in der Bürgerversammlung (έκκλησία/ekklēsia) an Abstimmungen teilzunehmen. Aber auch hier bestanden Einschränkungen aufgrund des Alters, des Vermögens, durch Beruf oder Herkunft.
(Römisches Bürgerrecht)
Vom städtischen Bürgerrecht zu unterscheiden ist das römische Bürgerrecht (πολιτεία/politeia, lat. civitas), das das römische Stadtbürgerrecht zu einem Reichsbürgerrecht umwandelte. In der Kaiserzeit war es miteinander vereinbar, sowohl Bürger einer Polis als auch römischer Bürger zu sein. Auch Judäer konnten römische Bürger werden, da keine kultischen Verpflichtungen damit verbunden waren. Das Bürgerrecht konnte auf verschiedenen Wegen erworben werden: durch Geburt von freien Eltern bzw. Adoption, durch Freilassung durch einen römischen Bürger oder durch Verleihung (individuell oder als Gemeinschaft), gegebenenfalls auch durch Kauf (vgl. Apg 22,28). Soldaten erhielten das Bürgerrecht nach Ablauf ihrer Verpflichtung (d. h. nach 16–28 Jahren, je nach Truppenteil). Das Bürgerrecht umfasste Rechte wie etwa die Möglichkeit zu politischer Mitbestimmung, die Anrufung des Kaisers in Gerichtsverfahren oder die Freiheit von bestimmten Steuern und Verpflichtungen. Nach 212 n. Chr. besaßen alle Bewohner des Römischen Reiches das römische Bürgerrecht.
(Migration / Neuansiedlung)
Die großen Städte des Mittelmeerraums bestanden aber nicht nur aus Einwohnern, die vor Ort geboren waren, vielmehr spielte Migration eine wichtige Rolle für die Zusammensetzung der Bevölkerung. Die weite Verbreitung von Fremden (Metöken bzw. Peregrinen) resultierte aus verschiedenen Phänomenen: So führten etwa Städtegründungen dazu, dass Menschen ihre Heimat verließen und sich in neuen Siedlungen niederließen. Beispielsweise bestand die Metropole Alexandria in Ägypten aus angesiedelten Griechen, die das städtische Bürgerrecht hatten, sowie Judäern, die mit wechselndem Erfolg dieses Bürgerrecht beanspruchten, und Ägyptern, denen das Bürgerrecht in der hellenistischen Stadt verwehrt wurde. In römischen Kolonien wie Philippi oder Korinth waren es zunächst die römischen Siedler – Veteranen und Bauern –, die das städtische Bürgerrecht hatten, doch wurde die ursprüngliche Bevölkerung mehr oder weniger integriert.
(Wirtschaftsmigration)
Ein anderer Grund für Migration waren wirtschaftliche Anlässe: Handelstreibende, aber auch Handwerker und Arbeiter folgten den ökonomischen Möglichkeiten. Hafenstädte wie Korinth, Alexandria oder Ostia bestanden daher aus Angehörigen verschiedenster Völker. Gleiches galt für die Verwaltungsorgane oder das Militär.
(Sklavenmigration)
Als dritter Faktor für Migrationsbewegungen ist schließlich die Sklaverei zu nennen. Sklaven und Sklavinnen wurden durch das gesamte Imperium transferiert, sodass sie sich – oftmals getrennt von Familienangehörigen – an weit entfernten Orten wiederfanden, in sehr vielen Fällen in der Stadt Rom selbst.
(Kulturaustausch)
Diese verschiedenen Formen der Migration führten nicht nur zur Ausbildung von Gruppen innerhalb der Städte, sondern auch zum Kulturaustausch sowohl hinsichtlich der Sprache als auch im Hinblick auf Religiosität und Kulte. Durch die jüdische Diaspora, die zahlenmäßig größer war als die jüdische Bevölkerung in Palästina, wurde z. B. der bildlose Monotheismus der Judäer bekannt samt ihrer besonderen Bräuche. Über das Militär verbreitete sich u. a. die Mithrasverehrung, und für die Isis- und Serapiskulte spielten Ägypter eine wichtige Rolle. Migration ist daher auch als ein wichtiger Faktor für die Verbreitung des frühen Christentums zu berücksichtigen.
2.2.4 Soziale Differenzierung
Innerhalb der griechisch-römischen Gesellschaft gab es deutliche soziale Unterschiede, die sich sowohl in den politischen Beteiligungsmöglichkeiten als auch in den ökonomischen Verhältnissen zeigten. Im Einzelnen stellt sich dies wie folgt dar:
2.2.4.1 Soziale Stratifikation
(Oberschicht)
Die imperiale Führungsschicht bestand aus dem Kaiser und seiner Familie sowie den einflussreichen Senatoren, war also zahlenmäßig sehr klein. Ihre Mitglieder hatten aufgrund ihrer Herkunft und der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten teilweise enormen Landbesitz bzw. riesige Vermögen zur Verfügung. Auch die Angehörigen der imperialen Oberschicht, zu der die übrigen Senatoren, die Angehörigen des Ritterstandes (eques), Klientelfürsten, Priesterfamilien und die engsten Gefolgsleute der elitären Haushalte gehörten, zeichneten sich ebenfalls durch Herkunft und Besitz aus. Zur Elite zählen schließlich auch die Mitglieder der lokalen Oberschicht und Dekurionen in den Städten des Imperiums sowie deren engste Gefolgsleute.
Die zahlenmäßig kleine Minderheit aus Führungs- und Oberschicht – 1–5 % der Bevölkerung – bestimmte nicht nur das politische Geschick der großen Mehrheit, sie war auch für die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken, die Abhaltung von Spielen und vieles mehr verantwortlich. Ihren Mitgliedern wurde in Ehrungen, von denen sehr viele Inschriften bis heute Zeugnis ablegen, diese hohe soziale Stellung umgekehrt auch immer wieder bestätigt.
(Mittelschicht)
Umstritten war in der Forschung lange Zeit, ob es unterhalb dieser schmalen Oberschicht eine Mittelschicht gab. Aus der Perspektive der Eliten war das nicht der Fall, da alles außerhalb ihrer Gruppe als plebs („Volk“) galt. Aus ökonomischer Perspektive, aber auch unter dem Gesichtspunkt gewisser politischer Einflussmöglichkeiten wird jedoch deutlich, dass man eine große Anzahl von Personen – zwischen 25 und 40 Prozent der Bevölkerung – im Imperium Romanum als Mittelschicht bezeichnen kann. Auch hier zeigen sich reichsweite, provinziale und lokale Gruppierungen. Zu ihnen gehörten ein großer Teil des Militärs, freie Bürger der Städte und Freigelassene aus der familia Caesaris. Sie waren Grundeigentümer, Händler und Handwerker oder Gebildete wie Lehrer oder Ärzte. Viele von ihnen waren Klienten von Patronen aus der Oberschicht.
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