Während der Phase der Aufmerksamkeitsgenerierung (= Attention) sind es meist Informationen, die passiv von den potentiellen Reisenden aufgenommen werden. Abgesehen von Relevanz der Mund-zu-Mund-Propaganda durch Bekannte und Freunde (= Word of Mouth), die in Zeiten von Social Media auch über entsprechende Internetplattformen erfolgt, auf denen Reiseerfahrungen geteilt werden (= Word of Mouse), bedeutet dies für die Anbieter, dass die Information aktiv an die potentiellen Kunden herangetragen werden müssen (= Push-Marketing). Gleichzeitig liegt der Schwerpunkt der Marktkommunikation auf relativ allgemeinen Darstellungen, die insbesondere auch emotionale Komponenten enthalten und auf das Image einer Destination abzielen.
In der Phase des Interesses (= Interest) und der Entscheidung (= Decision) werden demgegenüber vom potentiellen Reisenden verstärkt aktiv Informationen über in Frage kommende Destinationen und die dortigen Angebote für Übernachtungen und Aktivitäten gesucht (= Pull-Marketing). Diese sollen auch einen höheren Grad an Konkretisierung aufweisen, um konkrete Vergleiche zu ermöglichen. Aber auch in diesen Phasen spielt die (in den Tourismuswissenschaften bislang nur sehr partiell analysierte) „Word of Mouth“- oder „Word of Mouse“-Information eine wichtige Rolle.
Die Herausforderung für die touristischen Leistungsträger besteht darin, einerseits intensiv und zielgruppenadäquat ein Interesse an einem touristischen Angebot durch – auch emotional geprägte – allgemeine Darstellungen zu wecken und andererseits leicht zugänglich auch konkrete Detailinformationen abrufbar zu halten. Gleichzeitig ist evident, dass es für kleinere und weniger bekannte Destinationen oftmals schwierig ist, die Wahrnehmungsschwelle zu überschreiten. Dementsprechend kommen dem Zusammenschluss und der Kooperation in größeren Einheiten, die leichter ein bestimmtes Maß an Bekanntheit erreichen können, im Tourismus eine entscheidende Rolle zu (vgl. Kap. 4).
2.3.2 Das Einstellungsmodell
Die Erfassung des ImagesImage einer Destination bzw. der ZufriedenheitKundenzufriedenheit mit einem touristischen Angebot folgt meist den psychologischen Ansätzen der neobehavioristischenNeobehaviorismus Schule. Dort wird ganz grundsätzlich das menschliche Handeln als Reaktion des Organismus auf externe Stimuli verstanden, weshalb dieser Ansatz oftmals auch als S-O-R-ModellS-O-R-Modell bezeichnet wird. Grundüberlegung ist, dass das Individuum externe Stimuli intern verarbeitet und dementsprechend dann darauf reagiert. Während in der Frühphase dieses Ansatzes der Informationsverarbeitungsprozess im Individuum oftmals als Black Box angesehen wurde, richten sich in den letzten Jahrzehnten die Anstrengungen vor allem darauf, eben genau diese Prozesse nachvollziehbar zu machen, um sie nicht nur zu verstehen, sondern ggf. auch beeinflussen zu können.
Dabei kommt dem EinstellungsmodellEinstellungsmodell eine zentrale Rolle zu. Die im Wesentlichen auf FISHBEIN & AJZEN (1975) zurückgehende Einstellungsforschung teilt das Konstrukt Einstellung in zwei bzw. drei Teilkomponenten auf und wird oftmals auch als Adequacy-Importance-Ansatz bezeichnet. Als erste Komponente der Einstellung wird das Maß, in dem Merkmale eines bestimmten Angebots die individuellen Bedürfnisse erfüllen (= Adequacy), angesehen. Die subjektive Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Einstellungsgegenstand eine bestimmte Eigenschaft aufweist, wird auch als kognitiveKomponentekognitive Komponente bezeichnet. Die zweite emotionaleemotionale Komponente oder motivationale Komponentemotivationale Komponente besteht in der Wichtigkeit, die einem Merkmal zugemessen wird (= Importance). Das Produkt aus beiden Komponenten wird als Einstellung im engeren Sinn verstanden (vgl. Abb. 25). Da meist mehrere Attribute/Eigenschaften von Angeboten berücksichtigt werden, wird als Einstellung die Summe der Produkte aus den einzelnen Teilattributen verstanden. Dementsprechend wird auch von mehrdimensionalen oder multiattributiven Einstellungskonzeptenmultiattributive Einstellungskonzepte gesprochen.
Abb. 25:
Das neobehavoristische Konstrukt Einstellung (Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an FISHBEIN & AJZEN 1975)
Neben der kognitiven und der emotionalen Komponente wird für die Einstellung im weiteren Sinn als dritte Komponente noch eine Verhaltensintention (konative Komponente) mit aufgenommen. Eine Reaktion auf Stimuli bzw. ein konkretes Verhalten (z. B. Reiseentscheidung) wird neben der Einstellung auch noch von weiteren antizipierbaren und nicht antizipierbaren Einflussgrößen mit beeinflusst. Bei der Analyse von Reiseentscheidungen sind damit neben der Einstellung auch weitere Einflussgrößen mit zu berücksichtigen.
Der Begriff Einstellung wird meist synonym mit den Begriffen Image oder (Kunden-)Zufriedenheit verwendet.
BAMBERG & SCHMIDT (1993) haben das Einstellungsmodell noch um die Komponenten „normative Überzeugung“ und „Kontrollüberzeugung“ erweitert, mit denen Werte und Normen des Individuums sowie die in der Peer-Gruppe relevanten Normen und Wertvorstellungen bezeichnet werden. Normative und Kontrollüberzeugung werden (wie antizipierbare Situationsvariablen) als ebenfalls verhaltensrelevant angesehen. Insbesondere unter dem Blickwinkel auf dem Nachhaltigkeitsparadigma verpflichteten Reiseaktivitäten kommt den Wertvorstellungen des Individuums bzw. den unterstellten Reaktionen des Umfeldes auf ein konkretes Reiseverhalten des Individuums (z. B. interkontinentale Flugreise; vgl. Kap. 5.2) eine analytische Relevanz zu. Das Gesamtkonstrukt wird als „Theory of Planned Behavior“Theory of Planned Behavior (Theorie des geplanten Verhaltens) bezeichnet.
Mit dem Einstellungsmodell lässt sich die Kundenzufriedenheit als Verhältnis zwischen erwartetem und erlebtem Service abbilden. Daran anknüpfend versucht das auf PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY (1985) zurückgehende GAP-ModellGAP-Modell zu identifizieren, an welchen Stellen im Erstellungsprozess einer Dienstleistung (Reise) Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit (als Gap zwischen erwartetem und erlebtem Service) entstehen kann (vgl. Abb. 26, „GAP“ = Lücke, Diskrepanz). Mit diesem Modell werden, aufbauend auf dem Einstellungsmodell, Grundlagen für eine Problemanalyse bzw. Optimierungsansätze geschaffen mit dem Ziel, die Kundenzufriedenheit zu optimieren.
Abb. 26:
Das GAP-Modell (Quelle: eigener Entwurf nach PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY 1985)
Ausgangspunkt ist
GAP 5GAP 5: Der Unterschied zwischen dem erwarteten Service und dem erlebten Service auf der Kundenseite. Eine solche Differenz kann (unabhängig davon, ob die Kundenerwartungen überhaupt angemessen sind) angebotsseitig entstehen durch
GAP 1GAP 1: wenn das Management keine adäquaten Vorstellungen von den Kundenbedürfnissen besitzt;
GAP 2GAP 2: die Vorstellungen von den Kundenerwartungen nicht entsprechend innerhalb des Unternehmens (oder der touristischen Servicekette) an das Personal im Kundenkontakt kommuniziert werden;
GAP 3GAP3: die unternehmensseitig formulierten Normen für die Servicequalität nicht entsprechend umgesetzt werden;
GAP 4GAP4: in der Marktkommunikation der versprochene Service nicht dem realiter dann auch geleisteten Service entspricht.
Von PARASURAMAN, ZEITHAMEL & BERRY (1988) wurden die einzelnen Aspekte der Servicequalität (in Anlehnung an das multiattributive Einstellungsmodell) weiter unterschieden.
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