Verändertes KonsumverhaltenKonsumverhalten: hybrider, multioptionaler Konsument, offen für neue Technologien und Vertriebskanäle
Suche nach IndividualitätIndividualität: Risikoorientierung, Wunsch nach Individualisierung, Bedürfnis nach Wahl- und Handlungsfreiheit, fehlende Markentreue.
Aus dem Blickwinkel der Postmoderne ist dabei darauf hinzuweisen, dass die Gleichzeitigkeit von unterschiedlichen Lebenskonzeptionen inzwischen möglicherweise ein konstituierendes Element der postmodernen Gesellschaften darstellt. Damit bleiben eben auch in postmodern geprägten Gesellschaften Elemente traditioneller Gesellschaften erhalten (wenn auch oft in räumlichen oder gesellschaftlichen Rückzugsräumen). Für den Tourismus bedeutet dies, dass zwar einerseits neue Produkte, wie z. B. Wander- oder Fahrradtourismus nachgefragt werden, die auf eine Aktivierung der Besucher und die Generierung von Flow-Erlebnissen (vgl. Kap. 1.2.2.2) abzielen. Gleichzeitig ist nicht davon auszugehen, dass passivere Urlaubsformen, wie z. B. der klassische Badetourismus verschwinden würden. Abgesehen davon, dass Teile der Bevölkerung nach wie vor klassische fordistische Angebotsformen nachfragen, ist auch zu beobachten, dass gerade der Wechsel zwischen unterschiedlichen Tourismusangeboten auf der Individualebene ein konstituierendes Element der aktuellen touristischen Nachfrage darstellt. Dies bedeutet, dass jemand, der beim letzten Urlaub z. B. einen Wanderurlaub mit einfachen Übernachtungsoptionen unternommen hat, beim nächsten Urlaub eine städtetouristische Destination aufsucht, um dort das Kulturangebot nachzufragen und sich dabei im Hochpreissegment bewegt. Der übernächste Urlaub kann dann einer Trendsportart wie dem Kite-Surfen gewidmet sein, das in einer außereuropäischen Destination praktiziert wird.
In sehr viel geringerem Maße als früher sind Touristen damit als auf bestimmte Destinationstypen oder bestimmte Urlaubsaktivitäten fixiert anzusprechen. Die Tatsache, dass ein und derselbe Reisende unterschiedliche Urlaubsformen in unterschiedlichen Destinationstypen nachfrägt, wird aktuell oftmals versucht mit dem Begriff „Hybrider TouristHybrider Tourist“ zu fassen.
Für die Anbieter in den Destinationen bedeuten diese veränderten Nachfragemuster, dass in sehr viel geringerem Maß als in früheren Zeiten treue Wiederholungsbesucher oder Stammkunden die Nachfrage charakterisieren. Dementsprechend hat die Notwendigkeit, durch Marktkommunikationsmaßnahmen auf sich aufmerksam zu machen und sich durch Produktinnovationen im Markt zu positionieren, bzw. von den Mitbewerbern abzuheben, deutlich an Bedeutung gewonnen.
Im Kontext sich verändernder Nachfragemuster ist auch zu berücksichtigen, dass sich im Zuge des sog. Demographischen WandelsDemographischer Wandel auch die Altersstruktur der Bevölkerung verändert (vgl. Abb. 23).
Abb. 23:
Bevölkerungspyramide Deutschland 2010 und 2050 (Quelle: eigene Darstellung auf der Basis der 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes; destatis.de)
Während aktuell die Nachfrage von mittleren Altersgruppen dominiert wird, werden in den nächsten Jahrzehnten zunehmend Reisende im Rentenalter auf dem Markt präsent sein. Volumen und Art der Nachfrage von älteren Reisenden werden künftig einerseits von den gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen, wie Renteneintrittsalter, Höhe der Altersbezüge oder gesundheitliche Situation abhängen. Aktuell wird die Generation 60plus, die teilweise bereits vor der gesetzlichen Altersgrenze mit oftmals soliden Altersbezügen in den Ruhestand geht und damit in der aktiven Phase zwischen 60 und 75 Jahren als potente Nachfrager auf dem Reisemarkt auftreten, von vielen Anbietern und Destinationen als gern gesehene Zielgruppe umworben. Wenn sich absehbar die Zeitpunkte des Eintritts in den Ruhestand nach hinten verschieben und auch Alterskohorten in den Ruhestand eintreten, die nicht mehr mehrheitlich kontinuierliche Arbeitsbiographien mit guten Altersbezügen aufweisen, ist teilweise offen, welche Nachfragemuster realisiert werden. Einerseits ist denkbar, dass ältere Nachfrager zwar aufgrund des späteren Eintritts in den Ruhestand nicht mehr in dem Maß als aktive (Früh-) Ruheständler adressiert werden können, wie die aktuell der Fall ist. Gleichzeitig ist aber auch zu erwarten, dass angesichts späterer Ruhestandseintrittsalter die Nachfrage nach, die Arbeitskraft erhaltenden bzw. wiederherstellenden gesundheitstouristischen Angeboten zunehmen wird. Eine bislang noch nicht gemeisterte Herausforderung wird in den kommenden Jahrzehnten sicherlich auch die Schaffung von angemessenen Angeboten für Hochbetagte (über 75 Jahre) darstellen, deren Anteil an der Bevölkerung sich deutlich erhöhen wird.
Insgesamt gesehen ist unter Berücksichtigung der nachfrageseitigen Rahmenbedingungen und Tendenzen auch für die nächsten Jahrzehnte davon auszugehen, dass die touristische Angebotsgestaltung weiterhin vor wachsenden Herausforderungen steht, der touristischen Nachfrage angemessen zu begegnen.
2.3 Subjektive Rahmenbedingungen der Nachfrageseite und deren Messung
Vor dem Hintergrund der sich ausdifferenzierenden und zunehmend auch volatiler werdenden Nachfrage kommt der Identifizierung der nachfrageseitigen Erwartungshaltungen und Dispositionen als Voraussetzung für eine marktadäquate und damit auch ökonomisch erfolgreiche Angebotsgestaltung eine zunehmende Bedeutung zu. Dementsprechend ist der folgende Abschnitt den Ansätzen zur Erfassung der subjektiven Rahmenbedingungensubjektive Rahmenbedingungen auf der Nachfrageseite gewidmet.
Ausgangspunkt der Analyse von nachfrageseitigen Dispositionen ist immer die Einbeziehung der gesellschaftlichen Gesamtkonstellation. Damit stellen Wertediskussionen genauso wie Einkommensniveaus oder Wohnverhältnisse, aber auch persönliche Lebensumstände oder die mediale Kommunikation relevante Aspekte dar, die als Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Analyse der individuellen Bedürfnisse und Erwartungen mit zu berücksichtigen sind.
2.3.1 Der Reiseentscheidungsprozess
Eine der Grundvoraussetzungen für die Analyse der subjektiven Dispositionen ist ein Grundverständnis von den Abläufen im ReiseentscheidungsprozessReiseentscheidungsprozessReiseentscheidungsprozess. In der Sozialpsychologie werden unterschiedliche Phasen von Entscheidungsprozessen unterschieden, die übertragen auf den Reiseentscheidungsprozess in Abbildung 24 dargestellt sind.
Die einzelnen Phasen zeichnen sich durch eine zunehmende Konkretheit aus. Während ein Reisewunsch noch relativ diffus sein kann, werden in der Präferenzphase unter Einbeziehung zusätzlicher Informationen (aber auch der früher gemachten Erfahrungen) Urlaubsformen und mögliche Zielgebiete ins Auge gefasst. Diese werden idealtypisch vergleichend bewertet, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Abb. 24:
Phasen des Reiseentscheidungsprozesses (Quelle: eigener Entwurf in Anlehnung an HECKHAUSEN & GOLLWITZER 1987)
Übersetzt in die Marktkommunikation wird diese Unterteilung meist als AIDA-ModelAIDA-Model bezeichnet (vgl. z. B. FREYER 2011b, S. 207f.). Unter dem Akronym werden die vier Begriffe:
AAIDA: Attention
I: Interest
D: Decision
A: Action
verstanden, die ebenfalls an die sozialpsychologischen Entscheidungsphasen angelehnt sind, aber den Marketingblickwinkel auf die Art und Inhalte der Ansprache potentieller Reisender richten.
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