2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters› D. Rücktritt vom Versuch› VII. Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch
VII. Rücktritt vom beendeten untauglichen Versuch
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Beim untauglichen Versuch kann der Erfolg objektiv nicht eintreten, weil der Täter z.B. ein untaugliches Mittel gewählt hat. Damit kann aber auch keine Kausalkette in Gang gesetzt werden, die dazu führt, dass der Erfolg ausbleibt. Von daher scheidet in solchen Fällen ein Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 aus, wenn aus Sicht des Täters alles Erforderliche getan wurde, damit der Erfolg eintreten kann. Diese Fälle regelt § 24 Abs. 1 S. 2, wonach es ausreicht, wenn der Täter sich ernsthaft bemüht, den Erfolg zu verhindern. Voraussetzung ist wiederum, dass der Täter die Untauglichkeit seines Versuchs nicht erkannt hat, da anderenfalls ein fehlgeschlagener Versuch vorläge.
Ein ernsthaftes Bemühenliegt vor, wenn der Täter alle Maßnahmen ergreift, die zur Abwendung des Erfolges aus seiner Sicht notwendig und geeignet sind.[39]
Beispiel
A verabreicht B einen harmlosen Medikamentencocktail, von welchem er jedoch ausgeht, dass er tödlich sein könne. Nachdem B die Medikamente zu sich genommen hat, überlegt A es sich anders und ruft einen Rettungswagen herbei. Den Sanitätern erklärt er, er habe B ein Gift verabreicht, welches tödlich wirke. Aufgrund dessen wird B der Magen ausgepumpt. Hinterher stellt sich heraus, dass B auch ohne diese Maßnahme den Angriff überlebt hätte.
Hier handelt es sich um einen untauglichen beendeten Versuch, bei dem die Rettungsbemühungen des A nicht ursächlich wurden für das Ausbleiben des Erfolges, da diese hinweggedacht werden können, ohne dass der Tod einträte. Gleichwohl soll das Zurückfinden des Täters zur Rechtsordnung honoriert werden, weswegen ein strafbefreiender Rücktritt möglich ist.
Hinweis
Beim unbeendeten untauglichen Versuchreicht das Aufgeben der Tat aus, so dass auf diese Fälle § 24 Abs. 1 S. 2 nicht anwendbar ist. Der Rücktritt erfolgt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Alt 1.
2. Teil Versuch und Rücktritt des Alleintäters› D. Rücktritt vom Versuch› VIII. Freiwilligkeit
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Als letzten Prüfungspunkt müssen Sie in einer Klausur nun danach fragen, ob der Täter „freiwillig“vom Versuch zurückgetreten ist. Die Freiwilligkeit wird in Literatur und Rechtsprechung unterschiedlich definiert.
In der Literaturwird teilweisezur Voraussetzung gemacht, dass der Täter wieder zur Rechtsordnung, d.h. zur Achtung der rechtlichen Verbote und Gebote zurückgefunden und sich damit als ungefährlich erwiesen hat.[40] Nach diesem normativen Verständnishandelt der Täter z.B. dann freiwillig, wenn er aus Reue oder Mitleid mit dem Opfer von der Tatbegehung ablässt, da er damit gezeigt habe, dass er nicht nur kühl einer abwägenden Verbrechervernunft gefolgt sei, sondern in die Legalität habe zurückkehren wollen.[41]
Die herrschende Meinungin der Literatur sowie die Rechtsprechunglegen psychologisierende Kriterienbei der Beurteilung der Freiwilligkeit zugrunde. Danach handelt derjenige freiwillig, wer die weitere Tatbegehung aufgrund autonomer Motiveaufgibt. Entscheidend ist, ob der Täter als „Herr seiner Entschlüsse“ in freier Selbstbestimmung die Tat aufgegeben hat. Unerheblich ist, ob das Rücktrittsmotiv sittlich billigenswert ist oder nicht. Als autonome Motive werden Gewissensbisse, Reue, Mitleid mit dem Opfer, Angst vor Strafe sowie Scham angesehen.[42] Heteronome Motiveliegen vor, wenn der Täter fremdbestimmt zur Aufgabe der Tat veranlasst wird. Von solchen heteronomen Motiven wird z.B. ausgegangen, wenn nachträglich eine Situation eingetreten ist, die die Durchführung der Tat zwar nicht ausschließen, die der Täter vernünftigerweise aber nicht auf sich nehmen möchte, z.B. eine plötzliche Polizeikontrolle, die die Gefahr der sofortigen Entdeckung in sich birgt. Auch innere Hemmungen, wie z.B. die Unfähigkeit des Täters, Blut zu sehen, schließen als heteronomes Motiv die Freiwilligkeit aus.
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[1]
BGH StV 1982, 1; Jäger Strafrecht AT Rn. 312.
[2]
BGHSt 9, 48, 1475.
[3]
Puppe NStZ 1984, 490.
[4]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 887.
[5]
S. Übungsfall Nr. 1 „Der Pechvogel“.
[6]
BGHSt 35, 90, Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 890.
[7]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 890.
[8]
Gössel GA 2012, 65; Putzke ZJS 13, 620.
[9]
BGH NStZ 2012, 562.
[10]
Roxin Höchstrichterliche Rechtsprechung zum AT, 1998 Fall 61, S. 193.
[11]
BGHSt 9, 48.
[12]
BGH NStZ 1984, 264.
[13]
Schönke/Schröder- Eser § 24 Rn. 21.
[14]
BGHSt 33, 295; BGH NStZ 2005, 150; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 891.
[15]
BGHSt 39, 221; derselbe in NJW 93, 2061.
[16]
Jäger Strafrecht AT Rn. 318 m. w. N.; Roxin JZ 1993, 896.
[17]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 893.
[18]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 893.
[19]
BGHSt 22, 330.
[20]
BGHSt 31, 170.
[21]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 896; Jäger Strafrecht AT Rn. 315 f.
[22]
BGH Entscheidung vom 9.7.2009, 3 StR 257/09 abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[23]
BGHSt 36, 224; BGH NStZ 1998, 614 mit Anm. Jäger NStZ 1999, 608.
[24]
BGH NStZ 2012, 688.
[25]
BGH Urteil vom 17.7.2014, 4 StR 158/14 – abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[26]
BGH JuS 2017, 696, zustimmend Hecker JuS 2017, 697.
[27]
BGHSt 22, 330; 39, 221.
[28]
BGH NStZ 2005, 263; Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 641 mit Ausführungen zur früher vertretenen Rechtsprechung, die verlangte, dass der Täter die Tat „im Großen und Ganzen“ aufgeben müsse.
[29]
BGH Entscheidung vom 1.4.2009, 2 StR 571/08 abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de.
[30]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 888.
[31]
LK- Schröder § 16, 34; Herzberg Oehler-FS S. 163, 173; Gropp Strafrecht AT, 4. Aufl. 2015, § 9 Rn. 66.
[32]
Wessels/Beulke/Satzger Strafrecht AT Rn. 888; Schönke/Schröder-Eser/Bosch § 24 Rn. 25a.
[33]
BGH NStZ 1989, 525.
[34]
BGH NStZ 2006, 503; Jäger Strafrecht AT Rn. 320.
[35]
Lackner/Kühl § 24 Rn. 19b; Herzberg NStZ 1989, 49.
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